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Kaiserkult und Johannesapokalypse
#1
(13-09-2021, 15:30)Reklov schrieb: Die Offenbarungen, eine Prophetie, wurden von Johannes während seiner Zwangshaft auf der kleinen Felseninsel Patmos … verfasst.

So wird  das mehrheitlich angenommen.

(13-09-2021, 15:30)Reklov schrieb: Um nicht noch eine Verlängerung seiner Haft zu riskieren, schrieb er symbolhafte Deutungen in seine zu enträstelnden visionären Zeilen,…

Ja. Manche Theologen deuten die geradezu grotesken Fantasiebilder der Johannesoffenbarung so.

(13-09-2021, 15:30)Reklov schrieb: … ,die aber (so Historiker) u.a. einen Angriff auf (nicht nur seinen) Erzfeind, Kaiser Nero, darstellten, welcher in jener Zeit die ersten Christengemeinden schwer bedrängte.

Dies war aber "verständlich", denn das junge Christentum machte Schluss mit der Vorstellung eines "Gott-Kaisers", wie ihn die Römer seit langer Tradition anbeteten.

Welcher renommierte Althistoriker, der diese These heute noch vertritt, fällt dir dazu ein?

Nero hat keine Christen um deren Religion willen verfolgt. Unter Nero wurden stadtrömische Christen als Brandstifter verurteilt und hingerichtet. Vornehmlich, um Nero selbst vom Verdacht der Brandstiftung zu entlasten.

Die Römer beteten keine Gott-Kaiser an. Und schon gar nicht gab es zur Zeit des Entstehens der Offb (Mehrheitsmeinung unter Domitian) dazu eine lange Tradition. Mit Caligula und Domitian sind die beiden Kaiser, denen man nachsagt, dass sie göttliche Verehrung einforderten, auch schnell aufgezählt.

Mit dem Kaiserkult sollte das Loyalitätsgefühl der Reichsbevölkerung gestärkt werden. Der religiöse Gehalt des Kaiserkults war gering. Augustus ließ eine kultische Verehrung seiner Person nur im Osten zu und nur in Verbindung mit der Göttin Roma. Tiberius hatte mit der kultischen Verehrung seiner Person wenig am Hut. Ebenso Claudius. Nero war daran gelegen, als Künstler anerkannt (und nicht als Gott verehrt) zu werden.

Von "langer Tradition" keine Spur.
MfG B.
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#2
Ich denke, man kann das sogar noch staerker herausstreichen: Egal welches Geburtsjahr man fuer Jesus ansetzt, er wurde zur Regierungszeit des allerersten roemischen Kaisers ueberhaupt geboren, der des Augustus. Die Auseinandersetzung der fruehen Christen mit dem Konzept des Kaisertums macht sich in den Evangelien auch auf nicht direkt offensichtliche Weise fest. Ich hatte schon mal den Historiker und Theologen Manfred Clauss zitiert, der darauf hinweist, dass die Evangelien versuchen, das in der damaligen biographischen Literatur gezeichnete Bild vom roemischen Kaiser auf Jesus zu uebertragen. Die Uebernahme einer Passage aus einer Augustus-Biographie als "Kindermord von Bethlehem" - natuerlich musste da noch etwas dicker aufgetragen werden - ist das erste Beispiel, das er bringt.

Dahinter steckt natuerlich auch eine handfest politische Dimension: die gescheiterten Befreiungskriege haben da sicherlich im Text ihre Spuren hinterlassen.
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#3
Ja. In "Ein neuer Gott für die alte Welt" erwähnt Manfred Clauss alte Sagen und Märchen, die neu verpackt auch in den Evangelien anzutreffen sind (Kindesmordgeschichte, Parallelen zu Augustus, Platons göttliche Herkunft, die Verkündigungsgeschichte dazu, etc.).
MfG B.
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#4
(13-09-2021, 18:46)Bion schrieb: - - -
Nero hat keine Christen um deren Religion willen verfolgt. Unter Nero wurden stadtrömische Christen als Brandstifter verurteilt und hingerichtet. Vornehmlich, um Nero selbst vom Verdacht der Brandstiftung zu entlasten.
- - -

Wer auch immer hinter dem Brand Roms steckte: Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er oder haben sie vom Inhalt der Offenbarung gewusst:

Offenbarung 18, 8-9 (Luther):

Zitat:Darum werden ihre Plagen an einem Tag kommen, Tod, Leid und Hunger, und mit Feuer wird sie verbrannt werden; denn stark ist Gott der Herr, der sie richtet. 9 Und es werden sie beweinen und beklagen die Könige auf Erden, die mit ihr gehurt und geprasst haben, wenn sie sehen werden den Rauch von ihrem Brand.

Natürlich weiß ich um die allgemein akzeptierte Abfassungszeit der Offenbarung. Doch gibt es durchaus Gründe für die Annahme der Abfassung bereits  Anfang der sechziger Jahre des ersten Jahrhunderts.
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#5
Wenn nur die Offenbarung des Johannes so etwas ankuendigen wuerde, haettest Du einen Punkt. Nur, dem ist nicht so. Das Bild vom reinigenden Feuer Gottes, mit dem er seine Widersacher richten wird, zieht sich durch alle moeglichen alttestamentarischen Texte, was Deinem Argument den Boden raubt.

Dazu kommt noch, dass Nero selbst tatsaechlich so etwas wie eine Christus-Figur war, was die Rolle als Antichrist erklaeren wuerde: laut einer vom 1. bis ins 5. Jhdt. verbreiteten Legende wuerde er wiederkommen/wiederauferstehen und Rom zerstoeren. Die aelteste Version dieser Geschichte findet sich in den Sibyllinischen Orakeln, und Figuren, die dieser "Nero redivivus" zu sein behaupteten gab es z.B. unter Vitellius (69), Titus (79-81) und Domitian (bis 96). D.h., die Apokalypse mag durchaus auch auf die Nero-Redivivus-Legende Bezug nehmen, wie einige Neutestamentler annehmen. Die Verbindung zu Domitian (Kaiser mit goettlichem Anspruch) und Nero Redivivus ist hier wohl die staerkste These.
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#6
(02-10-2021, 15:39)konform schrieb: Wer auch immer hinter dem Brand Roms steckte

Die Ursache des Brandes wird wohl Unachtsamkeit gewesen sein.

Bis auf wenige Gebäude war Rom aus Holz gebaut. Die Wohnhäuser der Stadtbevölkerung waren dicht aneinandergebaut, das Bauholz ausgetrocknet. Gekocht wurde am offenen Feuer. Licht spendeten Fackeln und Öllampen. Es war Hochsommer. Es herrschte ein heißer Sommerwind. Das Feuer war in der Nacht im Vergnügungsviertel beim Circus Maximus ausgebrochen. Es breitete sich rasch aus.

(02-10-2021, 15:39)konform schrieb: Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er oder haben sie vom Inhalt der Offenbarung gewusst

Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat es den Text zu Neros Zeiten noch nicht gegeben. Vermutlich ist er um das Jahr 95 nC entstanden (vgl. Iren. haer. V 30,3; Eus. KG III 18,1). Weitere Details dazu siehe HIER (klick!).

(02-10-2021, 15:39)konform schrieb: Natürlich weiß ich um die allgemein akzeptierte Abfassungszeit der Offenbarung. Doch gibt es durchaus Gründe für die Annahme der Abfassung bereits  Anfang der sechziger Jahre des ersten Jahrhunderts.

Welche wären das? Haben sie mehr Gewicht als die oben angemerkten Quellen?

Es gibt auch Gründe, das Entstehen der Offb unter Trajan oder Hadrian zu vermuten.
MfG B.
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