Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Spekulation zum Urknall
#1
Schleifenquantengravitation hört man immer mal wieder, wenn es in der theoretischen Physik um Anwärter zu einer Vereinheitlichung von ART und Quantenphysik geht. Auch hört man mal was von einer Branenkosmologie und in dem Zusammenhang auch was von der Stringtheorie. Für beide Modelle scheinen einige Physiker wenig Sympathie zu empfinden, denn einerseits sind beide empirisch direkt fast unmöglich zu bestätigen und andererseits zerstören sie wohl unsere Anschauungen komplett. Eine indirekte Bestätigung der Theorien scheint wohl irgendwie möglich zu sein, aber Errungenschaften hat es wohl in mehreren Jahrzehnten keine gegeben zu haben. Da ich mich keineswegs auskenne mit den mathematischen Konzepten die dahinterstehen kann ich nur oberflächliche Fragen zur Diskussion stellen - Wozu arbeitet man mit Theorien die sich "fast" unmöglich bestätigen lassen? 

Jetzt will ich aber noch zum Urknall kommen. Immer wieder wird der Urknall von den meisten als Anfang des Universums gedeutet und immer wieder hört man der Urknall ist nicht der Anfang, sondern wie Grünbaum sagt, ist er kein Ereignis, also kann er auch nicht die Wirkung irgendeiner Ursache sein. Die Singularität die in den vereinheitlichen Theorien aufgelöst werden soll ist also selbst kein Ereignis und deshalb auch kein "Anfang" von irgendwas. Nun stellt sich mir die Frage wie überhaupt jemals ein Anfang oder ein unendliches, also statisches Universum eine Folgerung einer wissenschaftlichen Theorie sein könnte? 

Variante 1: Das Universum hatte einen Anfang
Problem - Die Ursache dieses Anfang müsste außerhalb unserer Messgeräte liegen, weshalb ein Anfang des "Universums" nie zu einer wissenschaftlichen Theorie gehören kann

Variante 2: Das Universum ist statisch, also ohne Anfang, also schon immer da
Problem - Empirisch könnten wir nie feststellen, dass unser Universum "schon immer da war", denn dann wären wir entweder wieder bei einer Singularität oder unsere Kausalbeziehungen verlassen uns, weshalb ein statisches Universum meiner bescheidenen Ansicht nach eigentlich auch nie Option sein kann

Wie sieht es nun mit diesen vereinheitlichen Theorien aus? Gibt es dort einen Anfang oder gehen wir von einem statischem Universum aus? Nur eine Aussage habe ich im deutschem Raum dazu gefunden und die kommt von Helmut Satz, „Die Welt vor dem Urknall“ 2016 auf Seite 17:

„Die Welt vor unserer Zeit ist eine Urwelt. …  Die Urwelt ist eine Welt ohne Anfang und Ende, ohne Vorher und Nachher, ohne Früher und Später…“

Leider habe ich in dem Buch nicht herauslesen können ob das eine hilfreiche Vorstellung von ihm ist oder was genau denn diese "Urwelt" sein soll. Anscheinend soll es sich hierbei um "ewig" und "unerschaffene" Energie halten, was meiner Meinung nach sehr weit entfernt ist von einer physikalischen Aussage, deshalb stelle ich das mal hier zur Diskussion.



Nachtrag: In dem Buch "Die Welt vor dem Urknall" von Helmut Satz werden Multiversen und andere Modelle zum Thema Urknall vorgestellt
Zitieren
#2
Im Moment nur der kurze Einwurf, dass niemand von einem statischen Universum im eigentlichen Sinn ausgeht*. Auch ohne die Singularitaet und ohne den damit verbundenen Anfang bleibt in den Theorien immer noch die Inflation an und fuer sich uebrig, also alles, was nach den ersten 10^-43 Sekunden passiert. Das gilt auch fuer Modelle wie den "Big Bounce". D.h., das Universum, das wir kennen, ist auch in den Alternativmodellen erst im "Urknall" entstanden, nur dass es dann halt nicht aus dem Nichts oder einem anderen "Universum" zerfallen ist, also die Singularitaet wegfaellt.

Wirklich gute vereinheitlichte Theorien gibt's eigentlich nicht fuer ART und Quantenphysik, anders als fuer die SRT in z.B. der Quantenelektrodynamik.

*Okay, Branenkosmologie geht wohl von einem statischen Universum aus, aber das laesst sich ja schon gar nicht erst mit den Beobachtungen in Einklang bringen.
Zitieren
#3
(19-03-2021, 02:08)Ulan schrieb: Im Moment nur der kurze Einwurf, dass niemand von einem statischen Universum im eigentlichen Sinn ausgeht*. Auch ohne die Singularitaet und ohne den damit verbundenen Anfang bleibt in den Theorien immer noch die Inflation an und fuer sich uebrig, also alles, was nach den ersten 10^-43 Sekunden passiert. Das gilt auch fuer Modelle wie den "Big Bounce". D.h., das Universum, das wir kennen, ist auch in den Alternativmodellen erst im "Urknall" entstanden, nur dass es dann halt nicht aus dem Nichts oder einem anderen "Universum" zerfallen ist, also die Singularitaet wegfaellt.

Wirklich gute vereinheitlichte Theorien gibt's eigentlich nicht fuer ART und Quantenphysik, anders als fuer die SRT in z.B. der Quantenelektrodynamik.

*Okay, Branenkosmologie geht wohl von einem statischen Universum aus, aber das laesst sich ja schon gar nicht erst mit den Beobachtungen in Einklang bringen.

Also das heißt, dass diese Urwelt wie sie in dem Buch beschreiben wird, gar kein Teil der alternativ Modelle ist?
Zitieren
#4
Na ja, von dem kurzen Einwurf her ist mir nicht ganz klar, was daran jetzt "Urwelt" sein sollte. Was ich meinte, ist, dass auch in einem ewigen Universum das Problem besteht, die Rotverschiebung erklaeren zu muessen, weshalb auch solche Modelle normalerweise von einer Expansionsphase ausgehen. Und wenn das Zwischenstadium ein mehr oder weniger amorphes Plasma war, so kann man wohl sagen, dass dieses spezifische Universum, also in seiner derzeitigen Auspraegung, auch in einem solchen Modell erst in dem Moment entstanden ist, nur halt nicht de novo, sondern aus dem, was von dem letzten Vorgaengeruniversum uebriggeblieben ist, woran das Plasma anscheinend keine Erinnerung mehr hatte.
Zitieren
#5
(19-03-2021, 12:17)Ulan schrieb: Na ja, von dem kurzen Einwurf her ist mir nicht ganz klar, was daran jetzt "Urwelt" sein sollte. Was ich meinte, ist, dass auch in einem ewigen Universum das Problem besteht, die Rotverschiebung erklaeren zu muessen, weshalb auch solche Modelle normalerweise von einer Expansionsphase ausgehen. Und wenn das Zwischenstadium ein mehr oder weniger amorphes Plasma war, so kann man wohl sagen, dass dieses spezifische Universum, also in seiner derzeitigen Auspraegung, auch in einem solchen Modell erst in dem Moment entstanden ist, nur halt nicht de novo, sondern aus dem, was von dem letzten Vorgaengeruniversum uebriggeblieben ist, woran das Plasma anscheinend keine Erinnerung mehr hatte.

Diese Urwelt soll dann wohl so ein Vorgängeruniversum sein und in dieser Urwelt gibt es dann eine Urenergie, welche unerschaffen und ewig "da" ist, aber das geht wahrscheinlich an jeder empirischen Überprüfbarkeit vorbei. Mir ist immer noch nicht ganz klar wie ein ewiges Universum nachweisbar wäre? Wie würde so ein Nachweis aussehen?
Zitieren
#6
Angeblich gibt's da ein paar Methoden, aber das war auch mir zu abgedreht, um mir Details zu merken (vielleicht weiss Ekkard da mehr). Der ganze Komplex ist ja im Prinzip im Moment nur ein Modell. Wir haben noch ein paar grundsaetzliche Fragen zu klaeren, wie Dunkle Materie, Dunkle Energie oder halt entsprechende Anpassungen der Theorien, um da auf eine bessere Entscheidungsgrundlage zu kommen. In der Kosmologie gibt's ja noch viele ungeloeste Fragen, die erst mal prinzipiell irgendwie loesbar sein muessten, bevor wir zu den schwierigeren kommen, bei denen wir erst noch herausfinden muessen, ob sie loesbar sind oder nicht.
Zitieren
#7
Ist ein Punkt nicht unendlich klein ?
Zitieren
#8
(19-03-2021, 21:50)Sinai schrieb: Ist ein Punkt nicht unendlich klein?
Im physikalischen (quantenmechanischen) Sinn gibt es keine "Punkte", wie wir sie aus der Mathematik als Idealisierung des immer Kleineren kennen. Punkte bedeuten physikalisch eng umrissene Raumgebiete also Orte, in denen nicht einmal das Vakuum leer ist, sondern erfüllt von spontan entstehenden und sich wieder vernichtenden Teilchen (was immer "Teilchen" in diesem Zusammenhang bedeutet) je enger der Raumbereich umso heftiger die Fluktuationen!

Unsere Welt entstand mit einem mikroskopisch kleinen Volumen also engem Ort bei extremer Massenkonzentration. Entsprechend war die Gravitation und mit ihr die Zeitdehnung sehr viel größer, als alles, was wir sonst kennen.

Besonders unklar sind die Fragen nach der Entropie und nach dem Expansionsmechanismus, der die gewaltige Gravitation überwunden haben muss. Obwohl die frühe Expansion eine Art Explosion war, war die Entropie gering.

Möglicherweise leben wir in der "Ausbuchtung" der Raumzeit-Singularität eines "Schwarzen Loches".
Mithin war der "Urknall" keine Ex- sondern eine Implosion, in der sich eine neue Raumzeitblase gebildet hat, die sich quasi "nach innen" ausdehnt und immer mehr Raumzeit erzeugt, bis der Rohstoff an Energie des Schwarzen Loches eines Tages aufgebraucht ist. Dann hört diese Raumzeitblase einfach auf zu existieren. Nach aussen hin wird das so aussehen, als wenn das ursprüngliche Schwarze Loch durch die Hawking-Strahlung verdampft ist.
Diese Idee stammt von Lee Smolin, der von vielen Generationen von Baby-Schwarzen Löchern ausgeht: Eine neue Raumzeit in jeder Singularität ...

Ergänzung:
Übrigens mit eigener Physik! Nur in unserer Raumzeitblase gibt es die für uns "günstige" Physik!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Zitieren
#9
Ich brauchte auch einen Moment, um zu verstehen, dass die Heisenbergsche Unschaerferelation nicht einfach ein messtechnisches Problem ist, sondern eine fundamentale Eigenschaft unserer Welt, weshalb auch das Vakuum nicht komplett leer sein kann und halt auch staendig Teilchen aus dem "Nichts" entstehen, was dann wiederum die Energie fuer die Expansion liefert. Unsere Welt ist schon merkwuerdig ausserhalb unserer gewohnten Dimensionen.
Zitieren
#10
Korrekt, was die Heisenbergsche Unschärfe betrifft! Ob die Vakuumfluktuationen "Energie für die Expansion" liefern, weiß ich nicht, habe ich jedenfalls noch nicht gelesen. Aber es ist nicht auszuschließen.

Was mir im Thread mit den Wurmlöchern in die Hände gefallen ist, ist die Frage nach der Raumzeit. Es scheint so zu sein, dass die Teilchen (Plasma, Strahlung oder dunkle Materie) selbst den Raum erzeugen. Normalerweise hält die Schwerkraft die Teilchen zusammen. Das war im Urknall seltsamerweise nicht oder kurzzeitig nicht der Fall. Daher kam mir die Idee mit der Implosion. Und da (spekulativ) Teilchen Raum erzeugen, kann sich durchaus neuer Raum in einer zur Singularität kollabierten Sternenleiche bilden. Eine Singularität ist kein "Ort" sondern ein Zustand, in dem alles möglich wird, insbesondere geometrische Beziehungen der "Teilchen" also Raum.
Ulan schrieb:Unsere Welt ist schon merkwuerdig ausserhalb unserer gewohnten Dimensionen.
Das kann ich unterschreiben!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Zitieren
#11
Die Beziehung der Vakuumfluktuationen zur Energie fuer die Expansion - zumindest der heutigen - wird wohl aus dem Casimir-Effekt abgeleitet, wo man den Druck durch Vakuumfluktuationen (als eine Erklaerungsmoeglichkeit) interpretieren kann. Da zwischen zwei Platten im Vakuum im Zwischenraum nur Teilchen bis zu einer durch die Spaltbreite vorgegebene Wellenlaenge erlaubt sind, ausserhalb aber prinzipiell alle, entsteht dadurch (also durch "mehr" Teilchen ausserhalb) ein Druck auf die Platten. Das wuerde zumindest nahelegen, dass auch das Vakuum des Universums einen Druck ausuebt; sehr klein, aber es gibt ja genug Vakuum da draussen. Und dieser Druck wuerde mit der Expansion wachsen.

Da Teilchen im Prinzip Anregungen in einem Feld darstellen, ist die Beziehung zur Raumzeit zumindest naheliegend. Da muss irgendwo auch die Antwort liegen, was Zeit eigentlich ist.

Das aber nur am Rande. Zu Wurmloechern hast Du ja genug gesagt. Zum Reisen sind die wohl anscheinend nicht zu gebrauchen, da da wohl auch theoretisch nicht genug "Raum" uebrigbleibt, um irgendetwas unbeschadet durchzuschleusen, selbst wenn man die Kraefte, die dort wirksam sind, ignoriert. Als Gedankenspiel habe ich aber schon Reisen unter Benutzung von Schwarzen Loechern und verschiedenen Ereignishorizonten gesehen (ich meine, das war eine Idee von Roger Penrose), wo sogar die Zeit stellenweise rueckwaerts laeuft; aber das alles geht davon aus, dass der Reisende nicht spaghettisiert wird. Und das muesste ich mir wohl auch noch ein paar mal ansehen, um das richtig nachzuvollizehen.
Zitieren
#12
Gewiss! Was die Spekulationen (Hypothesen) befeuert, ist die grundsätzliche Vereinbarkeit von Teilchen-Verbindungen über große Strecken (Quantenphysik) mit der Allgemeinen Relativitätstheorie.
Aber man muss bedenken, dass beide Theorien zur Zeit der Revision bedürfen, um quasi eins zu werden in dem Sinne, dass die neue Theorie die Bestehenden als Grenzwerte für Makro- und Mikrokosmos enthalten.

Es muss auch nochmals betont werden: Die pure Möglichkeit von Wurmlöchern nach heutigen Theorien kann durch die vereinheitlichte Theorie zunichte gemacht werden. Warum sollen derart viele Teilchen, wie sie an den Ereignishorizonten auftreten, überhaupt quantenstatistisch verschränkt sein? Aus dem reinen "können" wird bei den Spekulationen schon gerne mal "sind".

Ergänzung:
Noch eine Anmerkung zu "Raumzeit": Die Skalen (Messlatten aller Art) in unterschiedlichen Raumblasen also innerhalb von Ereignishorizonten, in Singularitäten und eben auch in Wurmlöchern sind vollkommen unabhängig. D. h. die Weite, die wir erleben oder messen können, hat hinter den Ereignishorizonten keine Bedeutung im Sinne von größer oder kleiner!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Zitieren
#13
(21-03-2021, 11:19)Ekkard schrieb: Aus dem reinen "können" wird bei den Spekulationen schon gerne mal "sind".

Klar! Daher meine Anmerkungen wie "als eine Erklaerungsmoeglichkeit". Viele der Erklaerungsmodelle beduerfen eh noch irgendeines Nachweises auf sehr fundamentalen Leveln.
Zitieren
#14
Neuerdings gibt es immer mehr Kritik an Hypothesen, die sich der Prüfung entziehen. So ist alles fragwürdig, was hinter Ereignishorizonten (angeblich) vorkommen könnte. Also Vorsicht ...
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Zitieren
#15
(21-03-2021, 22:18)Ekkard schrieb: Neuerdings gibt es immer mehr Kritik an Hypothesen, die sich der Prüfung entziehen. So ist alles fragwürdig, was hinter Ereignishorizonten (angeblich) vorkommen könnte. Also Vorsicht ...

Trifft das auf Schleifenquantengravitation zu und Stringtheorie?
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 2 Gast/Gäste