Das Polizisten "ihren Job machen" - ist ja o.k. Aber wenn ich dann höre, das man als Polizist (in Österreich) auch mal ruhig den Demonstranten Schmerzen zufügen darf, um deren Widerstandsrecht zu brechen - also da geht mir schon die demokratische Hutschnur hoch....
Irgendwie zeigt dass doch, wie wenig Wissen und wie wenig Verantwortung in der Gesellschaft existiert. Bei "Anne Will" im ARD läuft gerade eine Diskussion um Gorleben, auch um Polizeieinsatz und Widerstand. Da gibt's also Demonstranten, die den Schotter zwischen den Gleisen 'rauskratzen, damit der Atomzug nicht so schnell weiter kommt. Und der Generalsekretär der FDP behauptet, die Demonstranten "wollen den Zug entgleisen lassen", worauf eine Befürworterin der Atompolitik sich einschaltet und meint, dass es ja (richtigerweise) ein Horror wäre, wenn so ein Zug umfällt und der strahlende Müll dann freigesetzt wird....
Was alle wissen - aber keiner sagt - ist: Der Castorbehälter kann bis oben hin voll einen Aufprall auf eine Betonwand mit 100 km/h schadlos überstehen... Auf der Eisenbahnstrecke wird - selbst ohne Demonstrationen - mit höchsten 30 km/h gefahren - wegen der Oberbaubelastung und den engen Kurvenradien. Und wenn man den Schotter auf 5 Kilometer Länge komplett 'rauskratzt, kann der ganze Zug mit Schrittgeschwindigkeit immer noch die Stelle passieren (auf der Geraden sogar mit 25 km/h). Aber die behauptete "Verkehrsgefährdung des Schienenverkehrs" reicht jetzt aus, um von staatlicher Seite aus Demonstranten wie Polizisten an der Strecke "zu verheizen". Wieso weiss eigentlich keiner der Polizisten dort, dass von der eher symbolischen "Schotterkratzerei" überhaupt keine Gefahr für den Zug ausgeht....?
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(07-11-2010, 21:08)d.n. schrieb: ..wenn ich jemanden Wegtragen will und er wehrt sich, und sei es durch anklammern an anderen oder Gegenständen, soll ich ihn einfach sitzen lassen????
Was spricht denn eigentlich gegen das "Sitzenlassen"?
Gerade in aufgeheizter Atmosphäre wäre das "Sitzenlassen" doch eine Deeskalationsmaßnahme.
Klar : Damit könnte letztendlich ja dann die Einhaltung von irgendwelchen Verträgen verzögert werden.
Ja, aber wenn eine bürgerliche Bewegung soviel Stehvermögen oder Sitzfleisch besitzt, dann sollte sie vielleicht auch mal gehört werden.
Niederprügeln geht einfach nicht.
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(07-11-2010, 23:11)t.logemann schrieb: Das Polizisten "ihren Job machen" - ist ja o.k. Aber wenn ich dann höre, das man als Polizist (in Österreich) auch mal ruhig den Demonstranten Schmerzen zufügen darf, um deren Widerstandsrecht zu brechen - also da geht mir schon die demokratische Hutschnur hoch....
in welcher welt lebst du eigentlich?
ein räumungsauftrag erledigt sich nicht per kuscheltherapie
wir wollen doch realistisch bleiben
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(07-11-2010, 23:32)melek schrieb: (07-11-2010, 21:08)d.n. schrieb: ..wenn ich jemanden Wegtragen will und er wehrt sich, und sei es durch anklammern an anderen oder Gegenständen, soll ich ihn einfach sitzen lassen????
Was spricht denn eigentlich gegen das "Sitzenlassen"?
Gerade in aufgeheizter Atmosphäre wäre das "Sitzenlassen" doch eine Deeskalationsmaßnahme
genau das ist aber wohl kaum politisch gewünscht
wo bliebe denn da das feindbild?
(07-11-2010, 23:32)melek schrieb: Niederprügeln geht einfach nicht.
hoffen wirs. manchmal gings (z.b. starbahn west), manchmal hats nicht geklappt (z.b. wackersdorf)
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Dann muss aber auch die realistische Frage erlaubt sein: Was unterscheidet uns in diesem Punkt vom totalitären Unrechtsregime? Und warum haben sich selbst Politiker bei der Entführung des Jungen aus Frankfurt/Main vor einigen Jahren über die Folterandrohung des damaligen vernehmenden Polizeibeamten so aufgeregt (Fall Jakob Metzeler)?
Wenn man von vorneherein in einem demokratischen Rechtsstaat den Exekutivkräften Befugnisse einräumt, die eines demokratischen Rechtsstaates nicht würdig sind - dann ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zum diktatorischen Rechtsstaat. Da können dann ruhig die verschiedensten Politiker der verschiedensten Parteien nach demokratischem Muster gewählt werden - sie können letztlich zur Durchsetzung angeblicher oder auch vorhandener Interessen sich ja mit Hilfe ihrer Exekutivorgane wie kleine Diktatoren verhalten... macht ja nix, wird ja akzeptiert. Und wenn's nicht akzeptiert wird -.gibt's ja Gerichte die die "Querulanten" in Knäste oder Psychatrieen abschieben (können).
Der "mündige Bürger" ist hier gefragt. Und "der Polizist" sollte in einem demokratischen Rechtsstaat auch ein "mündiger Bürger" sein - und eben nicht auf Kinder und Rentner einprügeln oder "mit Schmerzzuführung" Widerstand brechen.
In diesem Zusammenhang muss auch die Frage erlaubt sein: Wann - und wie - werden eigentlich "Schwellen" durchbrochen? Wenn ein SEK-Beamter in Österreich innerhalb eines Einsatzes frei entscheiden kann, welche Zwangsmittel er einsetzen kann - was "hindert" dann einen solchen SEK-Beamten in Österreich daran, statt durch "Verdrehen der Hand des sich am Laternenmast Anklammernden" dem Mann nicht besser gleich die Finger oder das Handgelenk zu brechen? Und wenn man erst mal soweit ist - könnte man doch gleich schiessen.... Das mag sich jetzt extrem anhören - ist aber die logische Weiterentwicklung einer zutiefst unmenschlichen Strategie. Da ist die "Idee" von melek wesentlich deeskalierender und menschlicher !
(07-11-2010, 22:49)petronius schrieb: (07-11-2010, 15:18)agnostik schrieb: Die Pauschalisierung, dass damals alle Deutschen oder zumindest der weit größte Teil Nazis oder "willige Helfer" waren, war ja spätestens seit 1968 Doktrin und jeder, der widerprach, war Relativist oder sonst irgendetwas Schreckliches, wenn nicht gar aus der rechten Ecke. Viel anders ist es offiziell immer noch nicht
das deckt sich nun so gar nicht mit meiner wahrnehmung der politischen und gesellschaftlichen realität hierzulande
über die legendenbildung zu widerständischer haltung dagegen hat uns ja gerade kürzlich erst der historikerbericht über das auswärtige amt interessantes gezeigt
Ich rede nicht von den Leuten, die Widerstand gemacht haben.
Ich rede von all denen, die viel zu viel berechtigte:icon_exclaim: Angst hatten, das zu tun!
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Ich lese hier dauernd "Feindbild", "Widerstandsrecht", "aufgeheizte Atmosphäre", "Festketten" und Vergleiche mit Nazi-Deutschland. Es gibt offensichtlich Bürger, die ihre Rechte bis zum Geht-nicht-mehr ausweiten und ihre Rechtspflichten nicht kennen oder zur Kenntnis nehmen, und sich anschließend wundern, wenn die realiter nicht friedliche Blockade mit entsprechenden Mitteln beendet wird.
Blockaden, Sit-ins, Anketten usw. sind keine "friedliche Demonstrationen" i. S. GG. Man kann in Berlin, oder sonstwo, wo es publikumswirksam ist, mit Transparenten und Sprechchören durch die Hauptstraßen ziehen, nicht aber Bagger behindern bzw. Transportwege blockieren - auch wenn einem tausendmal das Projekt stinkt!
Es geht um Meinungsbildung und nicht um das Meinungsdiktat der Meinung von der Straße. Tut mir leid, da haben einige hier in der Staatbürgerkunde (Gemeinschaftskunde) nicht richtig zugehört.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Hier, Ekkart, stellen sich gleich mehrere Fragen:
1. Ist im demokratischen Rechtsstaat wie wir ihn kennen der Bürger tatsächlich "Souverän" im Staate?
Die Realität zeigt uns - und das nicht erst seit Stuttgart - dass der Bürger allenfalls "Stimmvieh" ist. Das nämlich durchaus demokratische Votum, eben nicht "Wasserträger" innerhalb der Parteien zu sein, sondern gerade auch ausserhalb der Parteien politisch zusein, wird eben von der angeblich so demokratischen Parteienpolitik nicht oder nur unzureichend geachtet - siehe die Verweigerung einer Volksabstimmung zu Stuttgart 21, siehe aber auch die ausgeschöpften Möglichkeiten der gegenwärtigen Regierung, Gesetze im Bundestag durchzuboxen ohne auf den Bundesrat Rücksicht nehmen zu wollen.
2. Daraus ergibt sich: Wenn der Bürger Souverän im Staate sein soll - warum hört man nicht auf den Bürger?
Wir nähern uns einem Zustand an, an dem sagen wir mal 30% der wahlberechtigten Bürger noch zur Wahlurne gehen - aber die so gefundenen "Mehrheiten" ausreichend sind, um über 100% aller wahlberechtigten Bürger zu bestimmen. Hier ist auf Bundes- Landes- und Kommunalebene dringend eine Verfassungsreform notwendig - die aber aus Gründen des parteipolitischen Machterhaltes nicht mal angedacht wird.
3. Woher kommt es eigentlich, das "Feindbilder" Politik bestimmen?
Der "kalte Krieg" ist Gott sei Dank vorbei, das "Argument" Geh' doch nach drüben zieht nicht mehr und bisher hat auch noch keiner (wieder) behauptet, Demonstranten seien "fremdgesteuert" ("fünfte Kolonne" von irgendwas und irgendwo...). Trotzdenm ist das "Feindbild" aber gang und gäbe - für den Polizisten ist der sich auf das Widerstandsrecht des GG berufende Demonstrant "der Feind", für eben diesen Demonstranten ist der Polizist als "Handlanger der Macht" der Feind - und das auch nicht erst seit Stuttgart...
Die ganze Parteipolitik "lebt" vom Feindbild - erinnert sei an solche Wahlkampfparolen wie "Freiheit statt Sozialismus", an die Rededuelle von Strauss und Wehner ("Pat und Patachon im Bundestag"), aber auch an die derzeitige Abgrenzungsmentalität der sogenannten "liberalen" und der sogenannten "Konservativen" gegenüber den Linken (und vor einigen Jahren auch gegenüber den Grünen). Feindbilder gehören ganz offensichtlich zum "demokratischen Parteienstaat".
4. Wo liegt der tatsächliche Unterschied zwischen dem "demokratischen Rechtsstaat westlicher Prägung", der "Blockparteiendemokratie" des Sozialismuses und der Diktatur?
Sie berufen sich alle auf Gesetze, auf "Volkswillen", manifestiert entweder durch mehrere Parteien, oder aber halt durch nur eine Partei (egal, ist ja "Volkswille"....). Die Mechanismen zur Unterdrückung der freien Meinung sind in der sogenannten "freien Welt" lediglich subtiler als in der mehr oder minder offenen Diktatur - auf Gesetzen basieren sie in beiden Systemen immer.
5. Wer bestimmt "Gemeinschaftskunde" - die Gemeinschaft oder diejenigen, die das Wort Gemeinschaft zur Sicherung ihrer eigenen Machtansprüche im Munde zerkauen?
Die Franmzosen berufen sich auf die Gemeinschaft aus der Tradition der französischen Revolution heraus - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ist das verbindende Element der französischen Gesellschaft (auch wenn man fallweise davon auch nicht mehr soviel erkennen kann). Die Deutschen - haben Schiller, Lessing, Goethe, Heine, Tucholsky, Brecht, Grass - und haben sich ihre Schande selbst gewählt. Nur haben sie leider nicht die Kraft gehabt, sich auch mehrheitlich aus der Schande wieder zu befreien - das haben die Allierten machen müssen. Und da die Deutschen sich nie aus der kollektiven Schande des Nazionalsozialismus befreit haben, haben sie auch nicht das Gemeinschaftgefühl anderer europäischer Völker, die sich wenigstens auf eine gemeinsame Tradition ohne solch eine Barbarei berufen können.
Man könnte annehmen dass die friedliche Revolution 1989 in der ehemaligen DDR ein Umdenken ausgelöst hätte - weit gefehlt: Die ehemaligen Ostdeutschen brachten die Kraft auf sich von ihren Unterdrückern zu befreien - und trafen auf ehemalige Westdeutsche, die ihnen Respekt zubilligten, gleichzeitig aber nach Mitteln und Wegen suchten, dass sich im nunmehr wiedervereinigten Deutschlands "sowas" hoffentlich nicht mehr wiederholt. Genauer gesagt: Die westdeutsche kapitalistische Politik zerschlug selbst funktionierende ostdeutsche Strukturen mit dem Instrument der profitorientierten Wirtschaft, mit dem Erfolg dass die jüngeren Betroffenen dieser Politik auf der Suche nach Arbeit in alle Länder der Welt wanderte, während die Alten in ihren Restdörfern und verlorenen Plattenbauten bar jeglichem sozialem Kontakt dahin lebten (und immernoch leben).
Wir leben hier in Deutschland nicht vom Pluralismus "petronius'scher Prägung", genaugenommen hatten und haben wir hier trotz der ausgenscheinlichen parteipolitischen "Kämpfe" überghaupt keinen Pluralismus. Hier bestimmt nur eine Macht: Geld! Und für Geld werden Menschen geopfert - Demonstranten die sich das nicht gefallen lassen wollen ebenso wie Polizisten denen aufgrund ihrer besonderen "Rolle" im Staat nix anderes übrig bleibt als sich verheizen zu lassen. An Gemeinschaftlichkeit, am gemeinsamen ASufbau und der gemeinsamen Ausgestaltung einer gemeinschaftlichen Gesellschaft ist hier kaum jemand interessiert.
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(08-11-2010, 01:15)t.logemann schrieb: 1. Ist im demokratischen Rechtsstaat wie wir ihn kennen der Bürger tatsächlich "Souverän" im Staate? Darum geht es nicht. Wir leben in einer „repräsentativen Demokratie“, in der die Beschluss fassenden Gremien gewählt werden. Man kann darüber streiten, ob das so sein muss oder verändert werden kann. Aber das hat mit Stuttgart21 nicht das Geringste zu tun.
Mach einen anderen Thread auf, wenn du darüber diskutieren willst.
(08-11-2010, 01:15)t.logemann schrieb: 2. Daraus ergibt sich: Wenn der Bürger Souverän im Staate sein soll - warum hört man nicht auf den Bürger? Wer sagt, dass das nicht so ist. Du vergisst gerne, dass auch innerhalb der Bürgerschaft dieselben Interessengegensätze existieren, die in Stuttgart aufgebrochen sind. Und die wurden mehrheitlich – zum Leidwesen vieler Stuttgarter – anders entschieden.
(08-11-2010, 01:15)t.logemann schrieb: 3. Woher kommt es eigentlich, das "Feindbilder" Politik bestimmen?
Der "kalte Krieg" ist Gott sei Dank vorbei, das "Argument" Geh' doch nach drüben zieht nicht mehr und bisher hat auch noch keiner (wieder) behauptet, Demonstranten seien "fremdgesteuert" ("fünfte Kolonne" von irgendwas und irgendwo...). Trotzdenm ist das "Feindbild" aber gang und gäbe - für den Polizisten ist der sich auf das Widerstandsrecht des GG berufende Demonstrant "der Feind", für eben diesen Demonstranten ist der Polizist als "Handlanger der Macht" der Feind - und das auch nicht erst seit Stuttgart... Sorry, T.Logemann, das ist die Welt jener, die traditionell „links" im Parteienspektrum anzusiedeln sind. Diese Wahrnehmung ist vollkommen subjektiv. Ein „Widerstandsrecht“ gibt es nicht, sondern nur das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlung, ja und auf Demonstration. Diese schließt aber keinen physischen Widerstand gegen Vollstreckung eines Rechtstitels ein. Wie gesagt: Meinungsbildung ja, Meinungsdiktat nein!
(08-11-2010, 01:15)t.logemann schrieb: 4. Wo liegt der tatsächliche Unterschied zwischen dem "demokratischen Rechtsstaat westlicher Prägung", der "Blockparteiendemokratie" des Sozialismuses und der Diktatur? Diese Abschweifung (off-topic) lasse ich jetzt mal unkommentiert.
(08-11-2010, 01:15)t.logemann schrieb: 5. Wer bestimmt "Gemeinschaftskunde" - die Gemeinschaft oder diejenigen, die das Wort Gemeinschaft zur Sicherung ihrer eigenen Machtansprüche im Munde zerkauen? Du verkennst die Mehrheitsverhältnisse und die Prozeduren, die aus gutem Grund den Bauvorhaben voraus gehen.
Es geht nicht um die Ideale der französischen Revolution und sonstige Idealvorstellungen, nicht um die DDR und nicht um den Nazi-Staat, sondern um die Rechtslage in der Deutschen Bundesrepublik und deren Verfahren. Dort werden Dinge geplant und mehrheitlich beschlossen (demokratisch!). Wenn der Beschluss „steht“, muss auch die unterlegene Partei, demokratischen und rechtsstaatlichen Spielregeln folgend, das damit gesetzte Recht gewähren! Dies zu garantieren, ist grundgesetzlich verankerte Aufgabe der Polizei.
Natürlich sieht unsere Verfassung Korrekturmöglichkeiten vor (Einspruch, Klage, Normenkontrolle, Petition, Demonstration). Dabei müssen Demonstrationen ausdrücklich friedlich verlaufen. Jeglicher Widerstand gegen die Vollstreckung ist dabei illegal.
(08-11-2010, 01:15)t.logemann schrieb: Man könnte annehmen dass die friedliche Revolution 1989 in der ehemaligen DDR ein Umdenken ausgelöst hätte… Das hat doch mit der Problematik nicht das Geringste zu tun. Hier geht es nicht um den Staat BRD an sich, sondern um den Bau eines Tiefbahnhofs (und sonst nichts)!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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@Ekkard:
Deine sachlichen Darlegungen sind allesamt formal richtig. Herr Logemanns Verständnis von Demokratie scheint zudem in einer Weise positiv verklärt zu sein, die er so in keinem Land der Welt - am ehesten aber vielleicht noch in der Schweiz - bestätigt sehen wird. Andererseits zeigt Dein Beitrag, Ekkard, m.E. auch wiederum deutliche Schwachstellen dieses Systems, aber auch der Demokratie insgesamt. Aber das ist ja nicht das Thema.
Woran ich mich stoße, ist folgende Äußerung, die m.E. eine verklärende Übertreibung ist:
Zitat:Wie gesagt: Meinungsbildung ja, Meinungsdiktat nein!
Wer redet hier von einem Diktat? Und wie sollte das wohl aussehen? Wir brauchen hier gar nicht mal in juristischen Kategorien zu reden - bezeichnest Du wirklich heftige Demonstrationen, die mit ein paar Rentnern und Schulkindern nichts gemein haben, wie bsplw. den Bloody Sunday von 1887, den Bloody Sunday von 1972, die Demonstrationen auf dem Platz des himmlischen Friedens von 1989 als "Meinungsdiktat"? Im Falle dass ja, dann hast Du hier gehörig etwas durcheinander geworfen. Ein Diktat ist grundsätzlich eine mit Machtausübung verknüpfte Herrschaft, die Macht und Wille hat, eine einseitige, nicht selten totalitaristische Ausprägung, Interpretation, Ideologie - von Dir Meinung genannt - durchzusetzen und dies ohne jedwede Rücksichtnahme auf gegensätzliche Forderungen tut.
Ein solches Diktat kann niemals durch Leute ausgeführt werden, die Teil einer nicht organisierten, nicht staatlich legitimierten, und (aus parteipolitischer Sicht) ohnmächtigen Gruppe sind. Selbst ein Terrorist kann kein Diktator sein,- er hat keinerlei staatliche Legitimation, keinen Apparat, der ihm die Möglichkeit zur Diktatur erlaubt. Protest - vollkommen unabhängig von gewaltsam oder friedlich - kann nicht diktatorisch sein. Dieser Vorwurf ist also effektheischernde Polemik, die im Grunde auch einen gewissen Zynismus nicht vermissen läßt - in den von mir aufgezählten Beispiele waren es wohl eher die legitimierten Herrscher, die auf ihre Weise ein "Meinungsdiktat" durchgezogen und ihre Ziele durchgesetzt haben; in allen Fällen war keiner der Protestanten in der Lage, irgendetwas irgendwohin zu beeinflussen.
Auch was Stuttgart 21 angeht, läßt sich dieser Zynismus erkennen. Denn auch hier ist das Gegenteil der Fall. Die herrschende Klasse versucht verzweifelt, ein Projekt durchzudrücken, das sich staatlicher Legitimation entzieht - denn das Projekt ist ein anderes, als das, welches 2006 zur Abstimmung stand. Die Kostenschätzungen für dieses Projekt haben sich inzwischen verdoppelt - trotzdem wurde es nicht noch einmal dem Landtag zur Entscheidung vorgetragen. Wie jetzt eine Gruppe an Demonstranten in der Lage sein soll, diktatorische Auswirkungen hervorzurufen und dieses Projekt mittels staatsgleicher Mächte umzustürzen, und jedweden Protest mit Waffengewalt zu ersticken - das ist eine Frage, die rätselhafter nicht sein kann. Denn ebenjener Prozess des Abschirmens von Protest findet nicht seitens der Demonstranten statt (was ja auch widersinnig wäre), sondern seitens der herrschenden Klasse - logischerweise, denn kein anderer hat ein Interesse an Monismus im Bezug auf Stuttgart 21.
Du kannst ja gerne den Vorwurf eröffnen, einige Demonstranten seien brutal, gewaltbereit, etc. Den kannst Du im Übrigen auch auf die oben genannten Beispiele anwenden. Selbstverständlich widerspricht dies staatlicher Legitimationen, alles richtig (wobei m.E. Protest nicht friedlich sein muss - und es gibt Gegebenheiten, in denen friedlicher Protest absolut nutzlos ist), aber solche Verdrehung von Tatsachen ist nicht gerade sehr förderlich für Deine argumentative Linie, die ansonsten in sich schlüssig und sachlich tatsächlich ist, (auch wenn ich mit ihr nicht konform gehe).
“I love to play with kids; they’re easy to cheat and fun to beat.” –Fran Lebowitz
Puh. Guter Beitrag, Franziskus.
Was ich natürlich nur darum sagen kann, weil ich "ideologisch" mit der Tendenz Deines Beitrags in weiten Strecken übereinstimme. "Ziviler Ungehorsam" darf nie verschwinden, nie. Sonst wäre keine Korrektur mehr da von nach außen "legitimen" Handlungen eines Staates. Darum gebe ich - in der Tendenz - auch logemann unbedingt Recht.
Andererseits bedarf es immer der Korrektur des zivilen Ungehorsams durch Ansichten wie die Ekkards. Erst dieses Zusammenspiel beider konträrer Meinungen - inklusive der Zwischenpositionen - macht die Demokratie aus. Nie darf nur eine herrschen. Das wäre fatal und würde in beiden Fällen dann tatsächlich zur Diktatur werden: zur Diktatur des Staates oder zur Diktatur des Volkes.
Erst die jeweils situationsbedingte Verhaltensweise der Bevölkerung ist der Schlüssel für das, was im Moment überwiegen darf.
Nie aber darf "die Stunde des Aufstandes" (Entshuldigung für die Pathetik) niedergebrettert werden durch eine starre und rein abstrakte Auffassung von Recht
T. Logemann sieht in meinen Augen die geistigen Zusammenhänge ziemlich gut. Wo Ekkard immer meint, dass das alles nichts miteinander zu tun hat, so ist es doch notwendig, grundsätzlich zu verstehen, dass auch Demokratie sich entwickelt, dass Unbehagen in den verschiedensten Situationen - den 68ern, der Volkszählungsfrage etc. etc. - immer auch das Demokratieverständnis insgesamt in Frage stellt und dass die Widerstandsaktionen miteinander verbunden sind - auch wenn da Jahrzehnte dazwischen liegen.
Aber, ich wiederhole es noch einmal - auch wenn mein "Herz" da schlägt, wo Widerstand stattfindet -, es sind Haltungen wie die Ekkards unbedingt als Korrektiv notwendig.
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(07-11-2010, 23:59)t.logemann schrieb: In diesem Zusammenhang muss auch die Frage erlaubt sein: Wann - und wie - werden eigentlich "Schwellen" durchbrochen? Wenn ein SEK-Beamter in Österreich innerhalb eines Einsatzes frei entscheiden kann, welche Zwangsmittel er einsetzen kann - was "hindert" dann einen solchen SEK-Beamten in Österreich daran, statt durch "Verdrehen der Hand des sich am Laternenmast Anklammernden" dem Mann nicht besser gleich die Finger oder das Handgelenk zu brechen? Und wenn man erst mal soweit ist - könnte man doch gleich schiessen.... Das mag sich jetzt extrem anhören - ist aber die logische Weiterentwicklung einer zutiefst unmenschlichen Strategie. Da ist die "Idee" von melek wesentlich deeskalierender und menschlicher !
Bitte nochmal meinen Beitrag lesen!! Es wird von der Einsatzleitung ein Mittel freigegeben, d.h. die Einsatzleitung setzt die Obergrenze fest!!
Für was hältst du uns eigentlich?? Warum sollte ich oder ein anderer Beamter jemandem die Hand brechen?? es ist meine Aufgabe, das Gesetz durchzusetzen, und zwar mit dem gelindesten Mittel,..d.h. soweit möglich ohne längerfristige Verletzungen!! Ein Her Logemann macht hier aus uns gewaltgeile Sadisten, nur der Theatralik willen! zur Info: trotz der Gefährdungseinsätze haben wir allein 2009 nur ein einziges Mal geschossen, aber über 300mal verhindert, das der Täter eine Waffe einsetzen konnte!! Soviel zu Herrn logemanns Bild,..
Und wie ich bereits gesagt habe, meine Aufgabe ist es, die Rechtssicherheit unter allen Umständen einzuhalten, ich gehe konform mit den von der Bevölkerung durch die Regierung gemachten Gesetzen vor,..und Widerstand wird unter allen Umständen gebrochen, schließlich habe ich einen Eid abgelegt, den Gesetzen meines Landes zur Durchsetzung zu verhelfen,..
Aut viam inveniam aut faciam
Der "Herr Logemann" wünscht sich tatsächlich eine noch bessere Demokratie als die der Schweiz..... da hat er Recht, der "Herr Franziskus"...:icon_cheesygrin:
Die Reduktion auf einen oder mehrere Gewaltvorfälle innerhalb einer Demonstration, lieber Ekkart, wird dem Ziel und Zweck der Mehrheit der Demonstranten dieser Demonstration nicht gerecht. Anderherum ausgedrückt: Wenn man den Bürgerwillen alleine deswegen negiert, weil sich unter die Bürger ein paar gewaltbereite Chaoten gemischt haben - dann handelt man nicht freiheitlich, nicht demokratisch - man handelt diktatorisch. Und wenn die angebliche Gewaltbereitschaft dann auch noch vom "Agent provokateur" ausgelöst wird, also sozusagen durch staatliches Handeln erfolgt - dann ist das Zusammenknüppeln einer Demonstration in einem angeblich demokratischen Rechtsstaat auch nichts anderes wie in einer kommunistischen Diktatur!
Ob Stuttgart 21 oder Gorleben 2010, ob Anti-Shah-Demonstration 1968 oder Startbahn-West 1982 - das hat alles mit der Demokratie so nichts mehr zutun, weder mit einer Basisdemokratie, noch mit einer repräsentativen Demokratie. Da geht's nur noch um die Durchsetzungfähigkeit des Hochgerüsteten - und wenn das so weiter geht, dann heisst es nicht mehr Stuttgart 21, sondern demnächst "Intifadah in Deutschland". Wenn das das Ziel der Niederschlagung des Bürgerwillens sein soll - dann "gute Nacht Europa...."
Lieber d.n.,
Zitat: Es wird von der Einsatzleitung ein Mittel freigegeben, d.h. die Einsatzleitung setzt die Obergrenze fest!!
Also mit anderen Worten: Wenn "die Einsatzleitung" sagt: "O.K. Jungs und Mädchen, schiesst mal schön in der Gegend 'rum" - dann ist das o.k. weil's die Einsatzleitung sagt? Na, da kann man ja nur als Österreicher froh und dankbar sein, das die das bisher noch nicht gesagt haben..... Die Verantwortung dafür, wenn ein Mensch zu Schaden kommt, verletzt oder gar getötet wird, trägt in erster Linie der Beamte der dem Menschen den Schaden zugefügt hat - nicht "die Einsatzleitung". Wenn Du im Rahmen Deines Einsatzes jemand tötest - ist es Dein Gewissen was Dich quält, auch wenn der Todesschuss die letzte Möglichkeit war um Gefahr für Leib und Leben Anderer abzuwenden. "Die Einsatzleitung" kloppt Dir allerhöchstens auf die Schulter und quält sich ein paar nichtssagende Worte heraus....
Das ist "typisch deutsch" (auch wenn's aus Österreich kommt): Der Bürger gibt sein Gehirn am Eingang der Amtsstube ab - weil da sitzen ja die "fähigen Leute" die "bestimmen wo's lang geht" - und das ist nicht nur "Beamtenmentalität", sondern leider auch "Bürgermentalität". Von Eigenverantwortung keine Spur.....
:bduh:
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08-11-2010, 08:44
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08-11-2010, 08:45 von d.n..)
Du kapierst es anscheinend nicht: Nochmal mit einfachen Worten, zum Mitschreiben:
Obergrenze bedeutet, das die anwesenden Polizeijuristen festlegen, welches Mittel gerade noch zulässig WÄRE,..es liegt in der Verantwortung des Beamten, eben das gelindest mögliche Mittel zu wählen, nicht gleich die Obergrenze!!! Deine theatralische Effekthascherei a la Bloody Sunday (Schießen wir sie mal nieder) kannst du dir sparen!!
Zufällig trägt jeder Beamte eben diese Eigenverantwortung für sein subjektives Handeln,..da ist nichts mit "Gehirn abgeben" und wenn ich im Einsatz bin, dann entscheide ICH,was nach den Gesetzen MEINER Meinung nach notwendig ist, in Gleichklang mit den gesetzlichen Vorgaben, das gelindest mögliche Mitel anzuwenden,..
und nur zur Info: auch für Polizisten gibts eine Psychologische Nachbetreuung nach einem tödlichen Einsatz,..
Aut viam inveniam aut faciam
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