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@d.n.: Erstaunlich. Gerade dieser Gedanke, dass es einen eh irgendwann trifft und theoretisch sogar zu jedem Zeitpunkt gleich wahrscheinlich ist (weil man ja nie weiß, was die nächste kleine Entscheidung zusammen mit Zufällen für Konsequenzen haben wird), das ist für mich immer Theorie geblieben. Das kann ich denken, aber fühlen konnte ich es nicht.
Danke für den Einblick. Bisher kannte ich den Gedanken auch bei anderen nur aus der Theorie und habe mich immer gefragt: "Na, ob die das, was sie da sagen, auch umsetzen können, wenn's drauf ankommt?" Aber es geht offenbar (bei manchen).
@Einsiedler: Der eigenen Gelassenheit zu trauen, wenn man weiß, wie trügerisch sie sein konnte, dürfte wirklich nicht leicht sein. Allerdings kommt mir gerade der - wenn auch vielleicht sehr pragmatische - Gedanke, ob man nicht selbst mit einer eventuell scheinbaren Gelassenheit immer noch besser dran ist als ohne. Ihren eigentlichen Dienst, auch dann bestehen zu bleiben, wenn man sie tatsächlich braucht, wird sie nicht erfüllen, wenn sie nur Verdrängung sein sollte, und damit ist sie entschieden schlechter als echte Gelassenheit - aber die ganze Zeit, bis es soweit ist, lässt sie einen wenigstens in Frieden leben, weil sie die Angst solange aufschiebt, bis man wirklich Grund dazu hat. Man sollte sich wohl in irgendeinem Winkel des Bewusstseins noch im Klaren darüber sein, dass es sich um Verdrängung handelt / handeln könnte, allein schon deshalb, um sich die eventuelle Chance auf echte Gelassenheit nicht dadurch zu versperren, dass man denkt, sie schon erreicht zu haben und sich nicht mehr damit auseinandersetzen zu müssen, aber wenn ich das so lese, dürfte da bei dir eh keine Gefahr bestehen ;)
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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Epiktet, Encheiridion:
Nicht die Dinge beunruhigen den Menschen, sondern die Meinung über die Dinge.
So ist zum Beispiel der Tod an sich nichts Furchtbares -, sonst hätte er auch dem Sokrates furchtbar erscheinen müssen – sondern nur die Meinung, er sei schrecklich, ist das Schreckhafte.
MfG B.
Für einen Christen müßte der zu erwartende Tod etwas Befreiendes sein. Die Furcht, abgesehen von der Trauer der Angehörigen, kann ich im religiösen Verständnis eines Christen nicht wirklich nachvollziehen.
Gruß
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(18-07-2010, 18:46)alwin schrieb: Für einen Christen müßte der zu erwartende Tod etwas Befreiendes sein. Die Furcht, abgesehen von der Trauer der Angehörigen, kann ich im religiösen Verständnis eines Christen nicht wirklich nachvollziehen. Gerade dieser Gegensatz veranlasst mich, zu denken, dass Religion etwas Gesellschaftliches ist. Kennzeichnend für das Christentum ist besonders das, was in den Zehn Geboten (AT) und in der Bergpredigt (NT) steht. Die Notwendigkeit solcher Thesen ist im Grunde nur einsichtig für die Gesellschaft. Die Kurve zur individuellen Frömmigkeit und Erlösung vom Tod ist biblisch (neutestamentlich) nur schwer nachzuvollziehen.
Endgericht, Paradies und Hölle können keinerlei Trost spenden; denn zumindest Letztere steht immer im Raum. Und wer ist schon so idealistisch fromm und ohne Schuld wie vielleicht Christus selbst?
Gewiss, der Glaube an Christus macht uns zu Erlösten. Aber auch hier wieder: Wer glaubt denn so idealistisch "korrekt", wie die Schreiber der Evangelien dies überliefern?
Also bleibt immer die Drohbotschaft der Hölle. Und das merkt man vielen Christen sehr wohl an! Hinzu kommt die natürliche Angst vor Existenzbedrohung. Hier passen einige religiös-gesellschaftliche und religiös-individuelle Dinge nicht zueinander.
Der menschliche Geist mag keine Widersprüche! Deshalb mag eine Religion, die diese Dinge zusammenführt, durchaus attraktiver sein. Richtiger ist sie deswegen auf keinen Fall, bestenfalls netter.
Meine eigene Anschauung: Alle diese religiösen Lehren und Geschichten sind (sprachliche) Bilder, die uns in erster Linie zu "anständigem" Verhalten anspornen sollen - also mit gesellschaftsbezogener Ambition.
Für das Individuum bleiben nur Krümel. Mehr dazu #28 und #108.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Natürlich ist Religion gesellschaftlich geprägt.
Das ändert aber nichts daran, daß der irdische Tod nach christl. Verständnis die Auferstehung in das Leben schlechthin nach sich zieht. Und diese bedeutet Erlösung. Darstellungen von Hölle und Paradies überlasse ich hier der bilderhaften Beschreibungen, die Menschen nun einmal in bestimmten Situationen des Lebens vornehmen.
Wieweit diese Vorstellungen auch als Machtinstrumente gebraucht wurden, lasse ich außen vor.
Gruß
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(17-07-2010, 07:38)Der-Einsiedler schrieb: das ist ein sehr wichtiger Punkt für mich: Meine Frau. Sie zurückzulassen, schmerzt sehr und auch die Gedanken, ob alles "so geregelt" ist, was es hätte geregelt werden können
nun, die frage, was man an problemen, offenen und ungeklärten fragen hinterläßt, wie weit man damit oder auch nur durch die tatsache des verlusts geliebten und auch anderen menschen schmerz verursacht - das sind ja alles dinge, die unabhängig davon sind, ob der mensch gläubig ist oder nicht. sollte meine frau durch meinen tod in armut rutschen, so wird sie die aussicht auf mein leben nach meinem tod auch nicht trösten oder ihr gar helfen
wenn wir also fragen, ob der gläubige leichter mit alter, sterben und tod zurechtkommt als der nicht gläubige, so ist der aspekt der hinterbliebenen und zurückgelassenen offenen fragen wohl eher unerheblich
und je nach jenseitsvorstellung kann dem gläubigen entsetzliche angst vor dem tod widerfahren wie auch gelassenheit, ja geradezu todessehnsucht, wie zumindest den märtyrerfantasien so mancher auch in diesem forum hier zu entnehmen ist (gut, wie ernst zu nehmen die nun sind, ist wieder eine andere frage)
dem nicht an ein jenseits glaubenden sollte die vorstellung des todes wohl kein problem bereiten - wovon ich nichts mitkriege, existiert für mich nicht. daß aber auch ein nicht gläubiger nicht immer rational empfindet, ist wohl auch klar
für mich kann ich nur sagen: ich komme mit dem alter klar. meine körperlichen alterserscheinungen sind zum glück nicht übermäßig ausgeprägt, von schwerer krankheit bin ich bisher verschont geblieben, und so kann ich diese veränderungen annehmen, ja teilweise sogar als entlastend empfinden. ich muß nicht in allem einen wettstreit mit den jüngeren aufnehmen und einem jugendlichen leistungskult huldigen
angst vor dem sterben an sich habe ich nicht - aber natürlich vor den möglichen qualvollen umständen des sterbens. schließlich habe ich diese ja nun doch schon bei einigen menschen als (teilnehmender) beobachter mit erlebt. für mich habe ich daraus den schluß gezogen, entsprechende vorsorge zu treffen, um ein eventuelles qualvolles siechtum abzukürzen
angst vor dem tod - dem tot sein?
nein. warum auch? ergibt keinen sinn
und angst vor dem unmittelbaren sterben, dem übergang vom leben in den tod?
nun, auch wenn ich selbst immer wieder darauf verweise, daß eine "nahtoderfahrung" in erster linie beweist, daß der betreffende eben nicht tot war, so kann ich doch nicht leugnen, daß die nte meines vaters mit hier eine beruhigung ist. wenn das, was er da erlebt hat, auch nur das geringste mit "sterben" zu tun hat, so ist "sterben" eine äußerst angenehme sache
ganz im gegensatz zum weiterleben
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Der-Einsiedler
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(18-07-2010, 21:33)Ekkard schrieb: Hinzu kommt die natürliche Angst vor Existenzbedrohung. Hier passen einige religiös-gesellschaftliche und religiös-individuelle Dinge nicht zueinander.
Lieber Ekkard,
und genau DAS interessiert mich: Wie wirst DU persönlich mit dieser "Existenzbedrohung" fertig? Hilft Dir Dein Glaube? Ist er für diesen Zweck irrelevant oder hilfreich? Wenn Dir die Antwort zu persönlich ist, respektiere ich das selbstverständlich...
Zitat:also mit gesellschaftsbezogener Ambition.
Und genau DAS interessiert mich weniger. Und ich glaube, ehrlich gesagt, auch nicht, dass Dich das sonderlich interessiert, wenn der Arzt Dir sagt "Herr Ekkard, Sie haben Bauchspeicheldrüsenkrebs, und wenn es gut geht, haben sie noch 3 Monate" (ist der Frau eines Freundes passiert, sie hat es 8 Wochen überlebt), oder wenn der Arzt Dir sagt "Herr Ekkard, Ihr Infarkt war so schwer, dass wir nicht wissen, ob wir sie durchkriegen, vielleicht sollte Ihre Frau ja langsam Ihre Dinge regeln...", und diese Unsicherheit fünf lange Wochen dauert...
Lieben Gruss
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Der-Einsiedler
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Lieber Melmoth,
genau das ist der Punkt: Wenn diese (Schein-)Gelassenheit sich einmal als SCHEIN-Gelassenheit herausgestellt hat, gibt es da kein Züruck mehr. Mir jedenfalls gelingt es nicht, mich dann weiter selbst zu beschummeln...
Lieben Gruss!
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Nicht jeder hat die "Möglichkeit" seine Gelassenheit mehr als einmal zu testen ;)
Aut viam inveniam aut faciam
Der-Einsiedler
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Hallo, Petronius,
ich danke Dir für Deinen Beitrag, der mir manches "Futter" zum Nachdenken gibt.
Aber eines würde mich noch interessieren: Wie gehst Du mit dem Gedanken an die Sterblichkeit und den Tod der Menschen um, die Du liebst. Mir fiel (und fällt) es noch viel schwerer, an den Tod meiner Frau oder meines besten Freundes zu denken als mich meiner eigenen Sterblichkeit gedanklich zu stellen.
Ist zwar ursprünglich nicht ganz das Thema, aber ich denke, im Laufe der Diskussion hat sich da auch ein wenig der Schwerpunkt für mich verschoben.
Schönen Gruss
DE
Der-Einsiedler
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(19-07-2010, 17:05)d.n. schrieb: Nicht jeder hat die "Möglichkeit" seine Gelassenheit mehr als einmal zu testen ;)
Das stimmt, d.n., ich hatte diese Möglichkeit leider schon zweimal.
Schönen Gruss
DE
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Lieber Einsiedler,
ich hatte geschrieben: "Hinzu kommt die natürliche Angst vor Existenzbedrohung. Hier passen einige religiös-gesellschaftliche und religiös-individuelle Dinge nicht zueinander."
(19-07-2010, 17:01)Der-Einsiedler schrieb: genau DAS interessiert mich: Wie wirst DU persönlich mit dieser "Existenzbedrohung" fertig? Hilft Dir Dein Glaube? Ist er für diesen Zweck irrelevant oder hilfreich? Wenn Dir die Antwort zu persönlich ist, respektiere ich das selbstverständlich... Ja und das habe ich schon mehrmals begründet. Aber hier vielleicht ein Argument, was schon lange zurück liegt:
Auch Angst ist ein Akt des Glaubens, nämlich die Annahme, dass ich überleben könnte, wenn ich nur intensiv genug "um mein Leben renne oder kämpfe". So kann man umgekehrt folgern, dass jede Anschauung dieser Art ein Akt des Glaubens ist. Deshalb ist es wichtig zu unterscheiden, ob sich ein Kampf lohnt (Krankenhaus, Operation, Schläuche, Beatmung, ...) oder ob ich mein Leben beschließen und mich loslassen kann kann (siehe Beitrag Petronius). Das ist natürlich auch eine Sache des Alters.
Ich hatte mein Leben! Was noch zu tun bleibt: Alle Adressen von Firmen und Organisationen herausschreiben, die "von Todes wegen" eine Kündigung oder Nachricht erhalten müssen ...
Der Rest ist nur noch der dankbare Empfang und Nutzung relativer Gesundheit, der ich mich momentan erfreue.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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(19-07-2010, 17:38)Der-Einsiedler schrieb: Aber eines würde mich noch interessieren: Wie gehst Du mit dem Gedanken an die Sterblichkeit und den Tod der Menschen um, die Du liebst. Mir fiel (und fällt) es noch viel schwerer, an den Tod meiner Frau oder meines besten Freundes zu denken als mich meiner eigenen Sterblichkeit gedanklich zu stellen
ich akzeptiere diesen gedanken als unausweichlichkeit. nicht nur aus kaltem rationalen kalkül, sondern weil ich auch lernen mußte, mit verlust und tod zurechtzukommen
es ist vielleicht schwer nachzuvollziehen (und noch schwieriger, es adäquat auszudrücken), aber der ablauf war je ungefähr so: schmerz, ja wut, aber dann nicht nur einsicht in die eigene ohnmacht, sondern quasi eine wandlung in der wahrnehmung der geliebten toten: mein leben ging weiter (mußte weitergehen), und die toten sind auf eine art bei mir. es ist - ich weiß, wie schwülstig das klingt, aber mir fehlen die passenden worte - kein ende einer beziehung, sondern ein wandel in ihrer qualität
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(19-07-2010, 17:40)Der-Einsiedler schrieb: (19-07-2010, 17:05)d.n. schrieb: Nicht jeder hat die "Möglichkeit" seine Gelassenheit mehr als einmal zu testen ;)
Das stimmt, d.n., ich hatte diese Möglichkeit leider schon zweimal.
Schönen Gruss
DE
Willkommen im Club:undecided:
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Einsiedler, hier nur ein kleiner Ausspruch des guten alten Senecas, so praktisch als Grundlage meiner Haltung zum Tod : Non mortem timemus, sed cogitationem mortis,..
Ich habe einfach über die Jahre gelernt, Ihn einfach als großen Bruder des Schlafes zu betrachten; schließlich fürchte ich mich ja auch nicht vorm schlafengehen ;)
Aut viam inveniam aut faciam
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