(18-12-2009, 13:47)Maik schrieb: (18-12-2009, 13:42)Dornbusch schrieb: Strafe ist erst denkbar nach der Tat. Schutz dagegen wirkt vor der Tat.
Gruß Dornbusch
Vor einer 2. Tat?
Ich verstehe dein post nicht. was meinst du mit 2.Tat?
Gruß Dornbusch
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(18-12-2009, 14:28)Romero schrieb: (18-12-2009, 13:09)Dornbusch schrieb: (18-12-2009, 11:42)Romero schrieb: Wie misst du "Schuld"?
Hallo Romero
Unter Schuld verstehe ich jenen persönlichen Anteil an einem Ereignis, der dem Handelnden/dem Individuum nach allgmein gerechtem Ermessen zugeordnet werden kann.
Eine "Messlatte" für Schuld kann und will ich nicht im Alleingang festlegen.
Gruß Dornbusch
Wird das nicht bereits durch die Möglichkeit von "mildernden Umständen" abgedeckt?
ja. daß strafe sich an der schuld orientieren soll, ist für unsere gerichte nichts neues. auch nicht der aspekt der verhältnismäßigkeit im hinblick auf die resozialisierung. und dem schutz der bevölkerung vor tatwiederholung wird auch durch über die strafe hinausgehende maßnahmen rechnung getragen
sicher ist all dies im einzelfall anzweifelbar oder verbesserungsbedürftig. aber das prinzip find ich schon nicht so schlecht
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Der Schuldaspekt ist wohl in der Höhe der Strafe bemessen, aber Hauptziel sollte doch sein, dass der einmal gemachte Fehler nicht wiederholt wird,..Sei es bei geringeren Vergehen durch Therapie und Resozialisierung, oder eben bei pathologischen Serientätern durch Maßnahmen, die sich bewußt auf den Schutz der Bevölkerung ausrichten,..
d.h. bei einer Ersttat kann noch der Schuldaspekt überwiegen, bei einer Folgetat sollte dann aber der Schutzaspekt überwiegen, frei nach dem Motto, einmal darfst du einen Fehler machen, machst du ihn zweimal zeigt es uneinsichtigkeit,..in diesem Falle ist der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Taten dieser Person vorrangig gegenüber den Interessen dieser Person
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Dornbusch, du hast mir widersprochen das mit der Strafe die Gesellschaft geschützt werden solle und sagtest das Schutz ja erst nach der Tat greifen würde.
Deshalb sage ich : Schutz vor einer weiteren Tat.
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(18-12-2009, 15:23)d.n. schrieb: d.h. bei einer Ersttat kann noch der Schuldaspekt überwiegen, bei einer Folgetat sollte dann aber der Schutzaspekt überwiegen, frei nach dem Motto, einmal darfst du einen Fehler machen, machst du ihn zweimal zeigt es uneinsichtigkeit,..in diesem Falle ist der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Taten dieser Person vorrangig gegenüber den Interessen dieser Person
nein, nein und nochmals nein
strafe und schutz der bevölkerung vor straftaten sind streng auseinander zu halten. strafe bzw. eine verurteilung kann es nur für begangene taten geben, nicht für befürchtete. dieses rechtsstaatliche prinzip sollte eigentlich auch einem exekutivbeamten geläufig sein. der schutz der bevölkerung vor gemeingefährlichen menschen ist ein anderer aspekt, auch wenn beide aspekte in ein und derselben person zusammen fallen können
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vielleicht schlecht ausgedrückt; was ich meine ist das Prinzip der höheren Bestrafung bei Wiederholungstätern, hier wird ja indirekt, ich betone INDIREKT, durch längere Haftstrafen die Bevölkerung vor der Person geschützt,..Sicherungsverwahrung ist wieder ein anderes Thema, hier wird ja auch dezitiert auf die psychische Verfassung des täters eingegangen
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(18-12-2009, 18:17)d.n. schrieb: vielleicht schlecht ausgedrückt; was ich meine ist das Prinzip der höheren Bestrafung bei Wiederholungstätern, hier wird ja indirekt, ich betone INDIREKT, durch längere Haftstrafen die Bevölkerung vor der Person geschützt
das ist faktisch sicher richtig, aber ein willkommener nebeneffekt aus einem völlig anderen ansatz heraus (nämlich der schwere der schuld)
(18-12-2009, 18:17)d.n. schrieb: ,..Sicherungsverwahrung ist wieder ein anderes Thema, hier wird ja auch dezitiert auf die psychische Verfassung des täters eingegangen
richtig, wie sonst wäre eine halbwegs seriöse prognose darüber abzugeben, ob der schutz der bevölkerung vor wiederholungstaten hier erforderlich ist?
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Unser Rechtssystem fußt auf der Annahme, daß einem Täter deshalb Schuld zugesprochen werden kann, weil er eine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit hat.
Bei Kindern und (einigen) Kranken wird das verneint. Diese werden entsprechend auch nicht richterlich verurteilt. Leider gibt es allzuviele Eltern, die hier geltendes Recht einfach mißachten und ihre Kinder dennoch bestrafen.
Ein oft genanntes Ziel von Strafe ist es, eine Einstellungs- und Verhaltensänderung des Täters herbeizuführen.
Dem entgegen steht allerdings die komplexe menschliche Psyche. Niemand kann die nächste Handlung eines Menschen vorhersagen, das kann auch oft genug der Handelnde nicht. Kein 16-Jähriger weiß, ob und welche Verbrechen er in den nächsten 10 Jahren verüben wird.
Wegen der Komplexität der Psyche ist auch die Wirkung einer Strafe auf die Psyche nicht vorhersagbar. Statistik kann keine Aussage zum Einzelfall treffen.
Außerdem müssen wir bedenken, daß Strafe beim Täter auch schädlich wirken kann. Ein Täter, der Strafe nicht akzeptiert und sie als ungerecht empfindet, erleidet möglicherweise einen psychischen Schaden, der sich später in seinem Verhalten widerspiegeln wird.
Das ist für mich ein zwingender Grund dafür, von allen "erfolgversprechenden" Strafen (hier zählen auch Erfahrungswerte) die geringste zu wählen.
Gruß Dornbusch
Strafe wirkt vor allem dann schädigend, wenn sie nicht verhältnismässig ist.
Wir leben Gott sei Dank in keinem Land, wo Taschendieben die Hand abgehackt wird.
Sicher kann man nicht orakeln was die nächste Tat sein wird. Aber deshalb braucht man ja nicht die Menschenkentniss leugnen. Ja sicher kann man irren dabei, gar keine Frage.
Eltern sollen ja auf das Leben vorbereiten. Was ist also falsch an dem Signal:
Wenn du dies und das machst / nicht machst, dann bekommst du Ärger?
Aber wie gesagt : verhältnissmäßig muss es schon sein.
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(19-12-2009, 08:20)Dornbusch schrieb: Unser Rechtssystem fußt auf der Annahme, daß einem Täter deshalb Schuld zugesprochen werden kann, weil er eine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit hat.
Bei Kindern und (einigen) Kranken wird das verneint. Diese werden entsprechend auch nicht richterlich verurteilt. Leider gibt es allzuviele Eltern, die hier geltendes Recht einfach mißachten und ihre Kinder dennoch bestrafen
das meinst du jetzt aber nicht wirklich so, wie es hier steht?
wenn eltern ihren kindern vermitteln, daß falsches verhalten unangenehme konsequenzen nach sich zieht (fernsehverbot fürs äpfelklauen), dann brechen sie kein geltendes recht
Zitat:Ein oft genanntes Ziel von Strafe ist es, eine Einstellungs- und Verhaltensänderung des Täters herbeizuführen.
Dem entgegen steht allerdings die komplexe menschliche Psyche. Niemand kann die nächste Handlung eines Menschen vorhersagen, das kann auch oft genug der Handelnde nicht. Kein 16-Jähriger weiß, ob und welche Verbrechen er in den nächsten 10 Jahren verüben wird
wenn er für ein begangenes verbrechen nicht bestraft wird, also aus kriminellem verhalten nur vorteile zieht, aber dafür keine nachteile gewärtigen muß - dan kann auch ich als psychologischer laie dir vorhersagen, daß er weitere verbrechen begehen wird
Zitat:Das ist für mich ein zwingender Grund dafür, von allen "erfolgversprechenden" Strafen (hier zählen auch Erfahrungswerte) die geringste zu wählen
na, dann sag uns doch mal, welche das sein sollen. nach welchen kriterien du sie verhängen willst
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Für potentielle Opfer ist es unerheblich, von wem sie beklaut, beschädigt oder im Extremfall umgebracht werden. Opfer von Gewalt sind nicht weniger beeinträchtigt, wenn es Jugendliche sind, die gemeinschaftlich über sie herfallen, ein Toter ist nicht weniger tot, weil ihn ein Schizophrener erschossen hat.
Also hat die Gesellschaft Vorsorge zu treffen, dass Rechtsbrüche, insbesondere Gewaltverbrechen unterbleiben, gleich von wem sie begangen werden. Diskutabel sind die Methoden, mit denen man solches zu bewerkstelligen versucht.
MfG B.
MfG B.
Hallo Bion,
Du bringst einen weiteren wichtigen Aspekt zur Sprache:
Soll Strafe Bezug haben zum Opfer?
Ist da vielleicht ein "unschuldiges" Opfer (vergewaltigtes Kind) oder ist das Opfer gar "selber schuld" (vergewaltigte Prostituierte) ?
Aus der Sicht des Opfers wird Strafe immer etwas mit Rache und Genugtuung zu tun haben.Aber das wäre ein ganz anderes Rechtsverständnis, als wir es in Europa kennen.
Auch du sprichst das durchaus berechtigte Interesse an Vorsorge vor Gewaltverbrechen an.
Die Vorsorge vor Verbrechen ist aber im Rechtstaat niemals die Aufgabe der Straf-Rechtsprechung. Das wäre eine Aufgabe von allen Mitgliedern der Gesellschaft.
Wie hoch ist die Zahl der Tötungsdelikte durch Autofahrer? Wie hoch ist die Zahl anderer Vergehen im Straßenverkehr?
Gegenwärtig wird eine Vielzahl von Führerscheinen nach solchen Delikten eingezogen. Hier sehe ich ein Beispiel dafür, daß Schutzmaßnahmen möglich wären. Die Anforderungen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis könnten jederzeit angehoben werden.
Wie hoch ist die Zahl der Betrügereinen im Internethandel (Ebay). Das aktuelle und neue Bankenrecht (Verzicht auf Namensabgleich bei Geldtransfer, allein die
Der Wunsch nach Schutz vor Verbrechen und Gewalttaten ist absolut berechtigt. Und dieser Wunsch kann in vielen Fällen auch realisiert werden.
Ein richterliches Strafurteil kommt in diesem Sinne aber immer zu spät.
Für viele Verbrechen gibt es längst Vermeidungsstrategien.
Gruß Dornbusch
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Eine Prostituierte ist deines Erachtens nach selbst Schuld, wenn sie vergewaltigt wird??
Gruß
Motte
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dornbusch:
abgesehen von deinem unglücklichen vergewaltigungsspruch (das kannst du wohl nicht so gemeint haben, wie du es geschrieben hast), bleibst du leider immer so unkonkret. du sagst, es gibt vermeidungsstragegien - welche?
ebenso wissen wir immer noch nicht, wodurch konkret und wie du haftstrafen ersetzen willst
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Wenn von Opfern gesprochen wird, wird oft das Adjektiv "unschuldig" dazugeschrieben. Das Gegenteil "schuldig" wird hin und wieder in der Form "selber schuld" ausgedrückt. Hierin sehe ich immer den Versuch, die Schuld des Täters zu verringern. Gerade in Vergewaltigungsprozessen kommt es immer wieder zu solchen Versuchen, die das Opfer zusätzlich noch quälen. Auch Prostituierte bekommen dann zu hören, sie hätten die Tat ja schließlich provoziert.
Solche Versuche, dem Opfer die (Mit-)Schuld in die Schuhe zu schieben sind nicht nur für Opfer unerträglich! Deswegen halte ich solche Gedanken für abwegig.
Opfer brauchen sehr viel mehr Hilfe, als sie gegenwärtig angeboten wird.
Aber das wäre ein eigenes Thema.
Haftstrafen können auch heute schon durch andere Strafen ersetzt werden. Das sieht das Strafrecht in vielen Gesetzen vor.
Mein Anliegen ist die Abschaffung von Haftstrafen generell.
Zuerst plädiere ich dafür, daß niemand nur deswegen in Haft kommt, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlen kann.
Zum zweiten plädiere ich dafür, daß niemand in Haft kommt, wenn durch seine Tat kein Schaden entstanden ist.
Das wäre für mich ein Einstieg in den Ausstieg.
Meine bevorzugte Alternative zu Haft ist "Sozialdienst". Bei Jugendlichen ohne eigenes Einkommen wird das schon recht erfolgreich eingesetzt. Ich könnte mir "Sozialdienst" durchaus auch im Erwachsenenstrafrecht vorstellen.
Und dann ist da noch die Frage nach Vermeidungsstrategien. Eine allgemeine Antwort ist da nicht möglich. Hier muß immer der konkrete Bezug genannt werden. Und niemand soll auf die Idee kommen, daß eine gewaltfreie Welt möglich wäre! Das Ziel kann immer nur Minimierung von Gewalt sein.
Gruß Dornbusch
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