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Pilgern macht lebendig...
#16
Hallo Lea,

dann ist die Sache schon klarer - vor 1130 Jahren war Zen in Japan noch gar nicht eingeführt,
Enryakuji ist der Haupttempel des esoterischen Tendai-Buddhismus - und dort gehört auch die
Kaihogyo-Übung hin - vgl. z.B. hier.
() qilin
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#17
Die Japaner sind ja bis zum heutigen Tage überwiegend Shintoisten, soweit
ich weiss.

Die pilgern auch heute noch sehr gerne.

() Tao-Ho
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#18
Ich weiß nicht ob Shintoisten sehr gerne pilgern, aber es ist auch ein
wenig kompliziert mit den Religionen...
Nach dem Japan Statistical Yearbook gibt's 96 Mio. Shintoisten und
88 Mio. Buddhisten (1 Mio. Christen, und auch noch andere Religionen)
- und zusammengenommen ca. 200 Mio. Gläubige. Da Japan aber nur
ca. 128 Mio. Einwohner hat, unter denen auch viele Atheisten sind,
muss jeder Japaner im Schnitt mindestens zwei Religionen anhängen...
() qilin
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#19
Hi, sound of silence :)
gratuliere, bin auch schon fast neidisch auf Dein Vorhaben - lern auch unbedingt den "Sonnengesang" des Hl.Franziskus (O mio Signore) für Deinen Guten Weg auf seinen Spuren. Es gibt eine neuere Vertonung davon auf Alt-Italienisch. aber beschaff Dir lieber den Text, alt-italienisch und deutsch und sag ihn Dir im Singsang mal beim Gehen selber auf.

hi, Tao-Ho :)
einerseits ist es richtig, dass unser Leben als solches als Pilgerweg aufgefasst werden kann, und auch, dass eine kurze nahe Strecke durch einen Wald oder über Land auch etwas vom Pilgern hat.
Der "Weg ist das Ziel" kann man dieses nennen. Frueher ging ich oft allein zum Beten mit meiner Gemeinde durch den Wald alleine hin
- aber ich geh auch durch den Wald, um durch den Wald zu gehen - es ist ein Unterschied, sowie ich nicht ihn selbst besuche, weil ich weiter "muss" - mir waere es nie vergleichbar erschienen, etwa abzubiegen und auf G0TT Schoepfer lauschend "genug religioes" aktiv gewesen zu sein, denn es ist die Gemeinde, die einen anderen Zugang zu IHM an sich hat, konkretisiert in Beisammensein, Hören von Lesung und Wieder-Auffrischen der Gebote, was der Wald mir nicht anbietet.

Aber das ist beides etwas ganz Anderes als eine traditionelle "Wall-Fahrt" - da ist das Ziel das Ziel, und es sollte einem wirklich ganz profan auch Mühe machen.
Pilgerstrecken waren immer kommerzialisiert, das ist kein Fehler. Menschen, die am Wege wohnen, braucht man doch auch, warum sollen sie nicht gut davon leben duerfen, dass andere voruebergehen?

Letztens machte ich ein kleines "Re'gel", eine kleine "Hadsch", zu einem ganz nahen kleinen Wallfahrtsort. Ich weiss nicht, wer von Euch schonmal gepilgert ist - es muss keineswegs durchgehend oder ueberhaupt "erhaben" zugehn. Im Mittelalter, wenn es nicht nach Jerusalem zu gehn möglich war, pilgerten die Europaeer nach Santiago de Compostella, fuer manchen war das eine Buss-Auflage, weil er ein Sünder war, der nicht begriff, um was es ging, oder einer bat G0TT in einer Not um aussergewoehnliche schnelle oder schwierige Hilfe und versprach das als Dank.

Eine "Denk"-Geschichte erzaehlt vom muensterlaendischen Bauern, der im Gewitter oder so versprach, Rom zu sehn, wenn G0TT ihn oder seine Scheuer rette
- so etwas ist oft sehr intim und individuell, wann man es mit G0TT abmacht. Es ist eine Kombination aus dem Verarbeiten was man erlebt und dass es einem gerade diesmal dazu einfaellt, es abzumachen. Niemand sonst koennte es bezeugen, aber dieser Mensch wird nun damit oeffentlich, sozusagen, dass er geht, um ein gegebenes Wort einzuhalten.
Also der Bauer besorgte sich - wie hier Brauch war - einen Kreuz-und-Torsten-geschmückten Pilgerstock, erkundigte sich, wie man am besten losgeht und wanderte los, sowie er sich zeitlich freimachen konnte. Rom ist schon etwas weit, aber er marschierte unverdrossen, stiess auf andere, wurde von Herberge zu Herberge weitergeleitet, ueberquerte die steilen und kalten Alpen und die stickige Po-Ebene
- die Gruppe war schon gross geworden. Auf einmal pflanzte sich der Ruf durch die Reihen fort: "Da! seht - am Horizont! da ist schon Rom!" - und alle ermunterten sich zum Endspurt und hoben an, ein TeDeum zu singen.
- Er schaute hin, dachte kurz nach, sagte bedaechtig: "Jau, dat isses denn woll." - und wendet zufrieden zum Heimgehn.
- Die Mit-Pilger sagten: "Wie denn, jetzt, so kurz vor dem Ziel gehst Du nicht weiter mit? Überleg doch mal, was fuer Muehen das waren, bis hierhin zu kommen!"
- "Tscha, versproken heww ik blouts, Rom to saihen." - sprach er und pilgerte wirklich nun schnell wieder heim.

Als Buddhist kennst Du das weniger, Tao-Ho, wie wortkarg und ur-vertraut man mit G0TT leben kann, ganz ohne jedes "erhabene" feeling deswegen, sich einfach nur klar darueber seiend, dass ER mit sieht, was man selber sieht, und was ER wozu sagt, darin bekommt man Erfahrung.
Von der Art war diese Wallfahrt des Muensterlaender Praktikers. Haette sein Vorfahre eine solche Strecke im Lehnsdienst gegangen, waere es kaum anders gewesen. Das Abgemachte wird erbracht, egal wie schwierig es sich gestaltet - und genau das wars denn auch. -

Interkonfessionell interessant ist es, wie viele Religionen eine Grosse Wallfahrt anbieten und praktizieren. In Irland gibt es einen Steine-Berg, in Japan den Fudji-Jama-Vulkan, in Nepal die "108-Quellen" im Himalaya - Volk Israel wallfahrtet zum Berg Morija in Jerusalem.

Vielfach - unabhaengig von der Konfession - erschweren sich Pilger diesen Weg durch Sonder-Abmachungen, wie "Durchmessen der Strecke", also, sich hinlegen, aufstehn, hinlegen, aufstehn, sodass man seine ganze Strecke oder den letzten Abschnitt sowohl liegend bedeckte als auch ging, oder man geht es knieend, rueckwaeerts oder 3-vor-2-zurueck - also man will es erschweren und will dabei leiden - das gehoert fuer manche einfach auch unbedingt dazu.
Andere gestalten es mehr lustig, damit viele mitmachen, eins der Ziele kann ein Fass Bier sein, auf dieser Strecke - das findet man eher bei Geluebde-Fahrten, die als regelmaessig "in alle Zukunft" versprochen worden waren, es wieder und wieder zu tun, z.B.zum Dank fuer das Aufhoeren der Pest - mit oder ohne zusaetzliche Fasten. Die spaeteren Generationen dazu zu kriegen, es weiter zu tun, ist hier wesentlicher als ihre "innerlich fromme" Beteiligung
- denn körperliche Anwesenheit genuegt dazu auch schon, ein frueher vom Kollektiv einer Gemeinschaft sein Wort gehalten zu haben - es sei denn, man versprach etwas nicht Versprechbares: jedesmal fromm und andaechtig dabei sein zu wollen - zu koennen - und das wuerden kluge Menschen besser nicht tun, denn man soll nicht unterschaetzen, dass auch der ganze Leib beten kann.

Von einer Grossen Fahrt kommt man meistens nicht als "derselbe" Mensch zurueck, als der man loszog. Man lernt naemlich als die Real-Existenz des eigenen Koerpers zu glauben, angefangen vom Fuesse-Aufreiben - und an die Treue der Menschen-als-solche - spaetestens wenn die andern einem bruederlich zeigen, wo der Breitwegerich steht, dessen Blaetter, in den Schuh gelegt, das Fussweh verhindern.

Der Mensch zuhause-bleibend bekommt oft eine geringe Meinung ueber Menschen, inclusive sich selbst. Die mit-geschoepfliche Ebene ist eine menschen-geschichtliche Realitaet, weil wir nicht nur die kritischen und perfektionistischen, illusions-erfuellten Geistwesen sind, und diese nicht notwendigerweise ausformulierte Erfahrung, etwas mit blossem Leibe und viel Zutrauen, dass andere einem weiterhelfen werden, ist wirklich etwas, das man sich zutrauen sollte, wenigstens einmal im Leben Umstaende machen, und am besten mit G0TT im Gespraech.

mfG WiT
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#20
Hallo allerseits,
mein Lieblingsweg führt auf "meinen" Berg, der bewaldet ist und wo meistens niemand hinkommt. Man ist allein mit sich und Gott und lüftet seine Gefühle und Gedanken aus.

Lhiannon
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#21
Hallo WiTaimre,

Dir ist schon bewusst wie kommerziell Pilgern geworden ist? Wahrscheinlich
nicht, denn sonst würdest Du nicht das Pilgern so anpreisen, wie eine
ordinär bemalte Muschel.

Jeder kann überall und am Besten ohne diesen Kommerz pilgern. Wozu
braucht es diese Wallfahrtskirchen? Haben die schon eine Frau schwanger
gemacht (neee - der Ehemann oder der Zufall!) usw.

In Lourdes kann man herrliche Sachen kaufen (und nicht nur da). Hier
gibt es auch ein Schokoladengeschäft, was übersetzt die unbefleckte
Empfängnis heisst (wie neckisch...) und man kann in China hergestellte
Schneekugeln kaufen und Kugelschreiber, in deren oberen Hälfte die Maria
in den Himmel fährt und Wackelbilder von Jesus (verändern den Gesichtsausdruck
beim bewegen des Bildes) und Madonnen und Rosenkränze und und und...

"Wenn der Pfennig im Kasten klingt - die Seele in den Himmel springt..."

Gerade als Buddhist weiss ich wie man leise und mit sich selber tranzendente
Erlebnisse haben kann (Gott ist nichts anderes als ein tranzendentes
Gefühl) und so mancher hat auf seinem Zafu schon abgehoben...

Übrigens war ich auch mal katholisch und bin früher viel gepilgert. Auch
als Buddhistin bin ich noch gepilgert, nämlich als kostenlose Reisepflegerin,
wenn sich jemand den Pflegedienst auf einer Pilgerreise nicht leisten konnte.

NIEMALS habe ich ein Wunder erlebt - IMMER aber Kommerz vom feinsten.

Viel Spass wünsche ich dem Pilger trotzdem. Ist ja nicht mein Geld.

() Tao-Ho
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#22
Guten Morgen Tao-Ho!

Nun, die Schneekugel oder Wackelbilder oder ähnliches muß ich mir ja schließlich nicht kaufen. Solche oder ähnliche Sachen stören auch mich schon. Ein Rosenkranz oder eine Kerze ist für mich ein ganz anderes Thema, denn das ist ein Hilfsmittel beim Beten. Der Rosenkranz erklärt sich selbst und die Kerze zum Beispiel bei der abendlichen Lichterprozession.

Wenn ich unterwegs übernachte möchte ich auch nicht mehr in einem Kuhstall auf dem Boden im Stroh übernachten, da ist ein Hotel doch heute die angesagtere Unterkunft. Auch eine Jugendherberge, in der einen dann nacheinander sieben Leute im gleichen Zimmer wecken, weil man doch schnarchen würde ist nicht unbedingt die Beste Idee. Von daher benötigt gerade auch eine Pilgerung in unserer heutigen Zeit eine gewisse Menge an Infrastruktur, ohne die geht es eben nicht.

Die eine Gruppe, die ich sehr gut kenne macht ihre Pausen in kirchlichen Jugenheimen oder auch in Restaurants, die andere Gruppe an einer Waldhütte oder auch mal an einem Waldparkplatz, wo eben der Begleitbulli hinkommt, der im übrigen auch von jemand gefahren wird, der das gerne und ohne jegliche Bezahlung tut und im Einzelhandel die einfach Unterwegsverpflegung einkauft.

Darüber hinaus ist sicherlich das zu Fuß Pilgern "unterwegs!!!" in keinster kommerzialisiert. Dieser Kommerz trifft einen erst auf einen am Zielort, jedoch ist Pilgern gerade zum Großen Teil unterwegs zu sein, ein Bild für die pilgernde Kirche in unserer Zeit, die auch untwegs ist auf ein Ziel hin, daß Jesus Christus heißt.

Alle Achtung für Dich, wenn Du auch als Buddhistin noch kostenlos pflegebedürftige Menschen unterwegs gepflegt hast. War das auf einer Zugwallfahrt nach Lourdes?

Gruß
Gerhard
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#23
Ja, das war unter anderem eine der Zugwallfahrten nach Lourdes und
auch sonst wohin. Was sollen die Leute denn machen, wenn sie das
teure Geld nicht aufbringen können? Ist doch echt nicht fein, wenn
Pilgern nur was für Leute mit Geld ist.

Übrigens schläft es sich auch auf Matratzenlagern in einer Berghütte
oder auf dem Heuboden sehr gut.

Vor einigen Tagen war ich bei meiner Schwiegermutter in Spe zu besuch.
Wir hatten kein Hotelzimmer, aber Mutti war uns einfach wichtiger. Sie
mal wieder zu sehen war wunderbar. Wir haben auf dem Boden im
Aufenthaltsraum geschlafen, damit wir ein bisschen länger da bleiben
konnten. Sie hängt doch so sehr an ihrem Sohn.

GERADE als Buddhistin habe ich nur zu gerne solche Verpflichtungen - sie
sind eigentlich keine...

() Tao-Ho
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#24
Hm - ich denke da gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Arten von 'Wallfahrt',
die aber manchmal auch nahtlos ineinander übergehen mögen...
Die eine ist dazu da, etwas zu bekommen - die Segnung eines höheren Wesens,
die Einsicht, das Klarwerden über eine bestimmte Sache o.ä. -
und die andere etwas zu zeigen, auszudrücken, Zeugnis abzulegen oder zu geben -
ich denke da z.B. an die 'Auschwitz-Retreats' von Bernie Glassmann roshi oder die
Pilgerwanderungen' seines Schülers Claude Anshin Thomas, den ich ein wenig kenne -
JedeR kann teilnehmen, nur - die Teilnahme ist nicht billig, und - man muss das Geld
nicht nur zahlen, man muss es erbettelt haben. Die Wanderungen führen dann
wochenlang z.B. von einem ehem. KZ zum anderen, oder quer durch eine aktuelle
Krisenregion, und auch dort muss man sich Unterkunft und Verpflegung erbetteln -
das einbezahlte Geld geht an gemeinnützige Organisationen...
() qilin
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#25
Und ich kann nur jedem empfehlen auch mal so eine Pilgerreise mitzumachen.

Muss ja nicht als Penner in einer Stadt sein (macht Glassmann Roshi auch
schon mal). Geht den Pilgerpfad ohne Geld. Schaut wieviele Christenmenschen
einem anderen Christenmenschen eine Unterkunft für Umsonst (oder ein
Einschliessen in ein Gebet) geben oder etwas zu essen.

Hier ist mal ein Bericht über eine solche Pilgerreise. Wie gesagt, das Geld für
diese Reise muss vor Antritt erbettelt worden sein (kein eigenes Geld
vom Girokonto) und bei Glassmann Roshi wird in weichen Betten geschlafen
oder im Schokoladenshop "Zur unbefleckten Empfängnis" geshoppt.

() Tao-Ho
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#26
Kaum vorstellbar, daß bei einer solchen Reise in weichen Betten geschlafen wird.
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#27
Ähm, Sorry. War schon etwas spät gestern nacht.

Es wird bei Glassmann Roshi NICHT in warmen Betten geschlafen usw...

() Tao-Ho (die endlich mal wieder ausgeschlafen hat...)
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#28
Tao-Ho
- wie ich andernorts in einem Thema ueber Kirchenbauten sagte, versinkt fuer mich der Rahmen der Umstaende, wenn ich bete, dennoch nehme ich sie zur Kenntnis, ich sehe darin das Recht anderer, ihre Dinge auch gestaltet zu haben
- und wenn ich pilgere, ist das wieder was Anderes, weill ich es bin, die das Pilgern mithilfe des Koerpers tut, wozu ich nicht ununterbrochen geistig in Ausnahme-Stimmung zu sein brauche, wenn die Intention auf jeden Fall dabei bleibt, wenn es zur Plage werden sollte, was ich mir da vornahm - die koerperliche Anwesenheit gehoert auch zur Gemeinschaft dazu
- wenn ich erstaunliche Dinge seh, sie mancherorts den Pilgern angeboten werden, es zu kaufen, dann denk ich, wird es wen in genuegender Menge geben, der darin etwas Sinnvolles sieht, sonst boete kein Geschaeftsmann deren Fabrikation an - also sind wohl die Asspekte verschieden, auf was Leute dabei schauen
- ich besuche Orte der Kraft schliesslich nicht, um andere Leute und ihren Sinn fuer Andenken zu beurteilen - es wuerde den Sinn meines Tuns doch ziemlich abwerten, wenn ich andere Menschen abwerte, nicht? - Weiss ich denn, wieviel Hoffnung, Treue und Liebe jene auf den Weg brachte?
- ich weiss von einigen, dass sie z.B.nach Lourdes fahren, ohne an Wunder zu denken, sondern einfach, weil das ein Ort ist, wohin andere auch streben, um Frieden zu finden mit dem, was halt ist - und das ist schon die Muehe wert, und andere treibt es, einmal noch im Leben eine ausserordentliche Fahrt zu machen - "im Namen G0TTES fahren wir" schwingt da mit
- weil sie in der Krankheit nur noch gefangen waren zwischen "schone dich" - und "werde gesund" - und lauter Bevormundungen im Namen der "Bekaempfung" ihrer Krankheit, als gebe es am Leben nichts sonst von Wert, als dass irgendwer will, dass genau sie genau diese Krankheit nicht haben (warum eigentlich um "jeden" Preis waehlerisch sein?)
- und schliesslich wird gesagt "das war's - damit muss man nun leben (oder gar: nun ists "verloren" - denn Sie werden daran sterben")
- und sowas ist nicht korrekt - sterben tut doch jeder Mensch - wieso soll das in sich "verloren haben" bedeuten???
- also diese Leute nehmen es lieber in Kauf, und wenn das in letzter Zeit deren einziger Wunsch sein wuerde, den man ihnen gewaehrt - dass sie fahren - und wenn sie unterwegs sterben, ist es ihnen auch recht, aber es war ihr eigener Weg noch einmal im Leben. Davon wirst Du auch in Orten wie Lourdes erfahren - es sind mehr Menschen dort und auf dem Wege dahin verstorben als "wundergeheilt" wurden - na und?
Geheilte, die gab es auch - mehr oder minder objektivierbar auch ganz unerklaerlich - die offizielle Kirche ist mit sowas sehr kritisch, was man oft gar nicht von ihr glaubt - aber das erklaert sich aus der Beziehung der Lehre zum Beten, es gibt eine Art Pflicht, G0TT zu bitten, fuer Christen ist das mal durch Jesus gesagt worden - fuer Juden ergibt es sich aus anderem.
Es geht nicht nur darum, etwas fuer sich selbst zu erbitten, sondern dass und wenn andere um das Glueck eines Bekuemmerten bitten, das ist viel wert - es hat nicht jeder Mittel zur Verfuegung, einem Bekuemmerten zu helfen
- und Christentum - wie auch Judentum - hat nicht als wichtiges Ziel ein Freisein von allem eigenen Leid - wohl aber ein Ziel im Erbarmen mit andern und ihrem Leid -
- hier wo ich wohne, ist im Vorort ein kleiner alter Wallfahrtsort, die "Kommerzialisierung" hier erschoepft sich in einem kleinen Laedchen, das Andachts-Artikel anbitetet, alles was so ein Katholik mal gebrauchen kann - Kitsch sah ich da an sich keinen (wo Dich das wohl interessiert), also darueber kannst Du Dich beruhigen - es gibt lediglich zu Essen und Trinken billiger in Sicht darauf, dass viele Wallfahrer wirklich hungrig und durstig ankommen und nicht sehr reich sind
- hierhin kommen viele regelmaessige "Opfer-Gaenge", aus Gemeinden, die sich das irgendwann mal versprochen haben, das war vor 1933 nicht soviel wie seitdem. Damals wurde die Kirche all ihrer Jugend-Arbeit enteignet, Abzeichen und Fahnen und jede oeffentliche Kundgebung unter Strafe von Zuchthaus verboten, Mitglieder einer Fronleichnams-Prozession in Ostpreussen kamen bis zu 6 Jahren ins Zuchthaus, weil sich einige gegen einen SA-Ueberfall vertreidigt hatten mit Zurueckhauen - gesetzlich zugelassen blieb nur noch das Gehen als solches - da begann man von Ruhrgebit und anderswo weiter weg in diesen kleinen Ort zu gehen, in Gruppen, aber stumm und ohne Musik und Fahnen, ganz wie das NS-Gesetz es grad noch zuliess - am Ziel war eine Andacht oder Hl.Messe und dann ging man wieder zurueck
- bis zum Kriegsende waren es Zehntausende, Hunderttausende - da hat keiner ein Wunder verlangt oder haette nur an erhabene Sphaeren der Froemmigkeit gedacht, sondern es war einfach Protest mithilfe der Fuesse - gegen ein unmenschliches System, das Menschen hinrichtete oder zutode wegsperrte aus den nichtigsten "Gruenden"
Sie kommen flott gegangen oder geradelt, noch heute - unterwegs reden viele was sie wollen, mancher denkt an ein Anliegen, welches er mit G0TT bespricht, waehrend man sich muede laeuft
- in dem Andenken-Laden kann man auch kleine Pferde aus Pappmache kaufen, sehr niedlich-naturalistische, uebrigens, die garantiert nichts mit der Marienstatue der Wallfahrt zu tun haben, es steht auch nichts darauf geschrieben, die aber Kindern zur Belohnung dienen, die man wegen dieser Wallfahrt zuhaus alleine blieben oder mitgegangen sind - vielleicht haben die Pferde eine Erinnerung an sich, dass es auch frueher eine grosse Reiter-Wallfahrt hier gab, und dass in dem Zeitraum 1933-45 hier kein Reiterverein mehr aktiv war, damit sie nicht zu Partei-oder SS-Diensten hinzugezogen werden konnten - wer Reitervereine kennt, weiss, dass das ein sehr herber Verzicht fuer sie war
- wir sind auch einer der pferde-reichsten Orte von NRW oder so (die meisten Pferde, Huehner und Kinder pro Kopf der Bevoelkerung - ob das zusammenhaengt? *g*)
Den Geist voellig ueberzubewerten ist weder juedisch noch biblisch - der Leib ist auch eine Aussage-Ebene des Menschen - er wurde uns jeweils individuell verliehen, als Gabe mit Eltern dran und vielem Sozialen, und nicht als laestige Zutat, die man verleumden, misshandeln, beliebig umkorrigieren oder ignorieren duerfte
- um zu laecheln benoetigen wir den Leib, um Mensch zu werden, benoetigen wir sogar zwei - und den eignen dann auch, also drei - G0TT gab uns nur so in die Welt, sie zu durchleben - also beten auch Leib und Seele und soziale Gruppen, jeder auf seiner Ebene - und in der Sicht ist das Wallfahren als solches eine Erfahrung und ein "Gesamt-Ding" fuer mehr als 1 Ebene des Menschseins

- ich weiss nicht, ob das Gehn in Prozessionen oder das einzelne Gehen zu einem Kraft-Ort, den auch andere besuchen, der Natur oder der Kultur entspringen - man muesste wissen, ob Cro magnon und Neandertaler auch schon so etwas taten - es kommt in so viel verschiedenen Kulturen parallel vor

mfG WiT :)
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#29
Hm, ich kann mir schon vorstellen, dass auch die Neandertaler eine
Pilgerreise kannten.

Wer nach Lourdes fährt und dort ein Wunder erwartet darf eh keines
erwarten - ist nun mal so.

Wunder sind eh so ein dehnbarer Begriff, den ich nie gerne nutze.

Einem totkranken Menschen zu sagen: "schone Dich" usw, halte ich nicht
für gut. Er muss sich mit seinem Ende auseinandersetzen dürfen.
Seine Familie muss vor seinem Ableben Trauerarbeit leisten dürfen.

Die Angst vor dem Tod ist oft die Angst vor dem Leben. Klingt nicht
logisch - ist aber so.

Zum Pilgern im Buddhismus kann man sagen, dass im Zen-Buddhismus
jedes Mal beim ZaZen gepilgert werden kann. Nennt sich Kinhin.

() Tao-Ho
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#30
Hm, naja - eigentlich bezeichnet man kinhin als 'Meditation im Gehen' -
ob man das so taxfrei mit 'Pilgern' übersetzen kann... Eusa_think
Kann ich 10 Minuten lang im Kreis pilgern?
() qilin
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