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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-07-2020, 04:04 von Ulan.)
(27-07-2020, 22:51)Sinai schrieb: (27-07-2020, 15:20)Ulan schrieb: Als die Lukas- oder Johannestexte geschrieben wurden, war schon lange klar, dass sich diese Erwartung nicht erfuellt hatte.
Somit geht Deine Vermutung ins Leere, dass zu Lebzeiten der Apostel ein Paradigmenwechsel stattgefunden hätte
Nein, das ist schon in den Briefen des Paulus nachzulesen. Der erste Tessalonicher-Brief hat noch die absolute Naherwartung - dieser Brief gilt als der aelteste Paulusbrief - in spaeteren Briefen verwendet Paulus dann viel Zeit aufs Vertroesten in wine ungewisse Zukunft. weil seine Schaefchen merkten, dass das Reich Gottes wohl noch, anders als versprochen, etwas auf sich warten liess. Abgeschlossen ist der Prozess dann in den Paulusbriefen, die im 2. Jhdt. geschrieben wurden.
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28-07-2020, 21:50
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-07-2020, 21:52 von Sinai.)
Meine Argumentation in Beitrag #309 bezog sich auf den Jahrtausendwechsel
(27-07-2020, 22:51)Sinai schrieb: (27-07-2020, 15:20)Ulan schrieb: Als die Lukas- oder Johannestexte geschrieben wurden, war schon lange klar, dass sich diese Erwartung nicht erfuellt hatte.
Das ist Deine Vermutung - aber noch Jahrhunderte später erwarteten viele Christen den Weltuntergang
Zu Silvester 999 / 1000 brach vielerorts Panik aus
( . . . )
Somit geht Deine Vermutung ins Leere, dass zu Lebzeiten der Apostel ein Paradigmenwechsel stattgefunden hätte
Das heißt, ich argumentierte historisch
Die Erwartung des Reiches Gottes ist offenbar beständig und besteht auch heute, und zur Zeit der Apostel und der Urchristen bestand sie wohl auch.
Christen beten ja das Vaterunser "Dein Reich komme"
Dies ist das zentrale Gebet der Christen !
Nie hätte da zu Lebzeiten der Apostel ein Paradigmenwechsel stattgefunden
Alle Vermutungen hier sind wertlos - und auch heute eignet sich das Thema "Reich Gottes" nicht für Diskussionen
Das ist eine innere Angelegenheit der Gläubigen - und da dürfte jeder eine andere persönliche Vorstellung haben
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-07-2020, 21:57 von Ulan.)
(28-07-2020, 21:50)Sinai schrieb: Das heißt, ich argumentierte historisch
Ja, aber in einer Weise, die das diskutierte Thema nicht tangierte, bzw. zeigt, dass die Deutung der Prophezeiungen dauernd angepasst werden; also genau so, wie ich das dargestellt hatte.
Fuer das 2. Jhdt. habe ich gerade gestern die Epistula Apostolorum angefuehrt, wo auch die ("zweite") Wiederkunft Christi angekuendigt wurde, und zwar sogar mit relativ genauem Datum. Natuerlich von allen Aposteln unterzeichnet.
Das ist halt die Gefahr, wenn unsere "Propheten" zu spezifisch werden; dann werden sie recht einfach durch die Geschichte widerlegt. Aber wie bei den angeblichen Prophezeiungen Jesu in den kanonischen Evangelien, wird solches Versagen gerne "wegerklaert", weil er angeblich etwas ganz anderes gemeint hatte, als er gesagt hatte.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-07-2020, 22:00 von Sinai.)
(28-07-2020, 21:55)Ulan schrieb: Fuer das 2. Jhdt. habe ich gerade gestern die Epistula Apostolorum angefuehrt, wo auch die ("zweite") Wiederkunft Christi angekuendigt wurde, und zwar sogar mit relativ genauem Datum. Natuerlich von allen Aposteln unterzeichnet.
Wer weiß, ob im 2. Jhdt. nach Christi noch alle Apostel lebten
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Natuerlich nicht. Texte irgendwelchen Leuten zuzuschreiben, die nicht mehr lebten, war damals ueblich. Ist ja mit den kanonischen Texten auch nicht anders.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-07-2020, 22:29 von Sinai.)
(28-07-2020, 22:12)Ulan schrieb: Texte irgendwelchen Leuten zuzuschreiben, die nicht mehr lebten, war damals ueblich. Ist ja mit den kanonischen Texten auch nicht anders.
Die Evangelien kann man nicht mit diesem apokryphen Text aus Äthiopien vergleichen
Hallo 'Ulan' - Ich fürchte, die Frage nach dem Reich Gottes wirst Du nicht beantworten können.
Schon die Apostel wollten näheres darüber wissen - das ist eines der großen Rätsel des Glaubens.
In Wahrheit völlig unbeantwortbar - die Bibel schweigt sich da fast völlig aus - und sehr viele Vorstellungen der Menschen sind SPEKULATION
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-07-2020, 23:06 von Ulan.)
(28-07-2020, 22:28):Sinai schrieb: Die Evangelien kann man nicht mit diesem apokryphen Text aus Äthiopien vergleichen
Natuerlich kann man das. Und Deine staendige Leier mit "apokryphen Texten aus Aethiopien" hatten wir doch schon das letzte Mal als Unfug entlarvt, als Du das im Zusammenhang mit einem anderen Text brachtest (einem in der athiopischen Kirche kanonischen Bibeltext): das ist kein aethiopischer Text. Er ist lediglich auf Aethiopisch am besten erhalten. Daneben gibt's noch koptische und lateinische Versionen, aber halt nicht vollstaendig. Das griechische Original ging verloren.
Die Kanonfrage wurde erst Jahrhunderte spaeter entschieden. Da Kanondiskussionen erst nach dem in der Epistula vorhergesagten Wiederkunftsdatum Christi einsetzten, ist klar, warum die Epistula dann nicht mehr fuer den Kanon infrage kam. Allerdings wurden bei alten Bibeln alle moeglichen Texte im NT inkludiert, z.B. Der Hirt des Hermas, der Barnabas-Brief, 1. und 2. Clemensbrief oder die Psalmen Salomos.
Was die Threadfrage angeht: tja, da hast Du wohl recht. Das "Reich Gottes" kann wohl jeder fuer sich definieren, wie es ihm gefaellt.
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(28-07-2020, 22:12)Ulan schrieb: Natuerlich nicht. Texte irgendwelchen Leuten zuzuschreiben, die nicht mehr lebten, war damals ueblich. Ist ja mit den kanonischen Texten auch nicht anders.
Hallo Ulan!
Nur mal eine grundsätzliche Frage:
Ist deiner Meinung nach an irgendeinem Text in der Bibel bzw im Neuen Testament etwas Wahres dran und gegebenenfalls in welchen Texten und was ist das Wahre?
Gab es damals eine Logienquelle, was ja viele behaupten?
Desweiteren würde mich mal interessieren, woher du dein Wissen hast. Ist das beruflich bedingt, oder Hobby und was machst du gegebenenfalls beruflich?
Viele Grüße
Herbert
.
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Hatten wir die Diskussion nicht schon mal? Persoenlich habe ich mich eigentlich immer mit Religion beschaeftigt (im Prinzip mit allen Weltreligionen); allerdings hat das schon in meinen spaeteren Jugendjahren dazu gefuehrt, dass ich zumindest nicht mehr glaeubig bin, falls das Teil der Frage war. Meine spaetere Beschaeftigung damit, wie sich erfolgreiche und weniger erfolgreiche Religionen in geschichtlich etwas besser dokumentierter Zeit gebildet haben (z.B. LDS, Scientology, etc.), hat mich in dieser Ansicht weiter gefestigt.
Ich habe aber in den letzten Jahren sehr viele Lehrbuecher gelesen, die von Theologen in ihrer Ausbildung zum Pastor verwendet werden, und weitere Fachliteratur. Wenn's nur ein Buch zum Neuen Testament sein soll, empfehle ich die "Einleitung in das Neue Testament" von Udo Schnelle. Peter Pilhofer's "Das Neue Testament und seine Welt" ist ein wenig eigenwilliger, aber auch sehr lesenswert. Fuer das Alte Testament kenne ich den Zenger am besten. Fuer beide Teile der Bibel gibt's in der Reihe C.H.Beck Wissen auch kurze Einleitungen von Gerd Theissen (NT) und Christoph Levin (AT). Was die Entstehungsgeschichte angeht, so nehme ich unter anderem Gerd Theissens "Die Entstehung des neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem" oder Konrad Schmid's "Literaturgeschichte des Alten Testaments" zur Hand. Ich habe aber noch Dutzende andere Werke gelesen, die aufzuzaehlen hier den Rahmen sprengen wuerde. Was in neulichen Diskussionen aufkam, war unter anderem Jan Assmanns "Exodus" oder Thomas Römers "Die Erfindung Gottes". Das sind also alles Autoren vom Fach. Wie auch immer, ich habe zumindest eine recht gute Idee, wie die theologischen Fakultaeten die Texte heutzutage beurteilen. Daneben ist ein Blick in das Umfeld zu empfehlen, also Patristik, und auch wie Literatur in der Antike allgemein, also auch ausserhalb des christlichen Bereiches, behandelt wurde.
Von der Ausbildung her bin ich Naturwissenschaftler, also Biochemiker, auch wenn meine Taetigkeit dann ziemlich in die Richtung Biophysik ging.
Was ist "wahr" an Bibeltexten? Das ist sehr unterschiedlich und haengt auch davon ab, welche Art von Wahrheiten man sucht. Auch die Texte des AT sind kulturhistorisch sehr wertvoll, und in manchen Texten bekommt man gute gesellschaftliche Einblicke. Was Jesus angeht, wer weiss das schon. Die Annahme, dass er ein juedischer Prediger war, der wohl so eine Art Schule um sich scharte, erscheint mir am Wahrscheinlichten. Seine Lehren sind ja hauptsaechlich auf der Linie Hillels, mit ein bisschen Schammai eingestreut. Wenn man das Lukas-Evangelium woertlich nimmt, hat er dann irgendwann angefangen, zu agieren, um eine prophezeite Sequenz von Ereignissen auszuloesen, die zum Sieg Gottes ueber Israels Feinde fuehren wuerde (Lukas macht klar, dass er teilweise gegen seinen eigenen Willen handelte, um dieses Ziel zu erreichen). Nur, ganz abwegig ist auch eine Deutung nicht, die sich aus dem Markus-Evangelium ergibt, das, wenn es tatsaechlich das Ursprungsevangelium gewesen sein sollte (oder eine Bearbeitung davon), auch allegorisch gelesen werden kann, was der Historizitaet dann den Rest geben wuerde. Das ist aber eine These, die nur von sehr wenigen Leuten vertreten wird.
Und dann haben wir natuerlich die Paulusbriefe, von denen zumindest einige generell als echt angesehen werden und einen schoenen Blick auf das fruehe Christentum erlauben, bzw. einen bestimmten Teil davon. Paulus wirkt generell psychologisch sehr lebensecht, anders als der Jesus der Evangelien. Die Apostelgeschichte, die katholischen Briefe und die Pastoralbriefe halte ich weitgehend fuer theologische Zweckliteratur, die dazu geschrieben wurde, Richtungskaempfe fuer einen bestimmten Fluegel des Christentums zu entscheiden. Eine aehnliche Entwicklung ist in den spaeteren Evangelien zu beobachten. Das Lukas-Evangelium ist dabei eventuell eine spaete Ueberarbeitung des Evangeliums des Markion, wobei auch andere NT-Texte zu dem Zeitpunkt weiter ueberarbeitet wurden - oder sogar erstmals verfasst.
Und das ist jetzt alles viel zu lang und hat mit dem Thema herzlich wenig zu tun. Ich denke, ich verschiebe das spaeter irgendwo anders hin.
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29-07-2020, 07:35
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29-07-2020, 07:39 von Herbert.)
Vielen Dank für deine umfangreichen Ausführungen, Ulan.
Nein, eine solche Diskussion hatten wir nach meiner Erinnerung bisher noch nicht.
Wie ich schon mehrfach schrieb, habe ich nach meinem Kirchenaustritt vor über 30 Jahren angefangen in der Bibel zu lesen, um Klarheit zu erlangen, ob man die Dinge die dort stehen, ernst nehmen kann oder nicht. Sekundärliteratur zur Bibel habe ich bisher kaum gelesen. Denn ich wollte unbeeinflusst von Meinungen anderer an die Bibel herangehen.
Zu 100% sicher bin ich mir dazu bisher (noch) nicht geworden. Es gibt aus meiner Sicht etliche Ungereimtheiten aber auch Ausführungen, die mich sehr nachdenklich machen und dazu führen, dass ich zumindest die Gebote ernst nehme und einzuhalten versuche.
Viele Grüße
Herbert
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Auf meine Frage nach der Existenz einer Logienquelle bist du nicht eingegangen. Ich fand dazu folgendes im Internet:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Logienquelle_Q
"Den beiden jüngeren Evangelien, dem Matthäus- (80er) und dem Lukasevangelium (70er Jahre), soll das Markusevangelium (60er Jahre) und die Logienquelle vorgelegen haben".
Dieser Theorie zufolge gab es schon viel früher schriftliche Evangelien als bisher behauptet.
Aber vielleicht sollte hierzu wirklich ein extra Thread aufgemacht werden.
Viele Grüße
Herbert
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Markus und Q sind übereinstimmend anerkannte Bezüge der Bibelwissenschaft; das ist nicht neu. Es gibt mehrere Grafiken, die die Verflechtungen der Quellen, außer Paulus, darstellen. Einfach "Quelle Q Bibel" googeln, und dir springt eine reiche Auswahl (außer Wiki) entgegen.
MfG
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Danke für den Hinweis, Davut.
Viele Grüße
Herbert
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29-07-2020, 14:04 von Ulan.)
(29-07-2020, 08:11)Herbert schrieb: Dieser Theorie zufolge gab es schon viel früher schriftliche Evangelien als bisher behauptet.
Nein. Da das Markus-Evangelium als das aelteste der kanonischen Evangelien angenommen wird und die andere Quelle darstellt, die in der Q-Hypothese als Hauptanteil von Matthaeus- und Lukasevangelium darstellt, verschiebt das keineswegs die geltende Zeitlinie. Diese Hypothese ist ja auch das am breitesten akzeptierte Modell zur Entstehung der beiden spaeteren synoptischen Evangelien. Da gehen dann Zahlen ein, wie, dass das Matthaeusevangelium 94% aller Verse des Markus-Evangeliums enthaelt. Fruehere Texte sind ebenfalls hypothetischer Natur. Was oft als Vorlaeufergeschichte angenommen wird, ist die Passionsgeschichte, die fuer sich eine gewisse Einheit darstellt.
Es gibt aber durchaus Modelle, die ohne Q auskommen und in letzter Zeit wieder etwas mehr Traktion gewinnen, wobei sie gleichzeitig ein paar kleinere Probleme der Q-Hypothese ausraeumen. Und ohne irgendeinen Manuskriptfund wird das letztlich immer eine Hypothese bleiben, auch wenn sie durch viele Evidenzen gestuetzt wird.
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Alles nicht so verwunderlich wenn man versteht, dass jedes menschliche Gehirn eine eigene Erlebnis und Ideenwelt ist.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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