05-02-2005, 19:59
An der Uni Münster ist inzwischen die erste Professur für die Lehrerausbildung für den Islamunterricht eingerichtet worden:
Der Lehrer der Lehrer
Muhammad Kalisch bildet in Münster Studenten aus, die in Zukunft in Schulen Kindern und Jugendlichen Islamunterricht geben sollen
MÜNSTER, im Dezember. Wenn es um Worte geht, kann Muhammad Kalisch richtig kleinlich sein.
Er diskutiert über die Bedeutung bloßer Silben und widmet sich dem Zusammenspiel von Umlauten und Vokalen mit einer Ernsthaftigkeit wie andere Kollegen dem Thema Krieg und Frieden.
Die genaueste Lektüre des Korans ist für ihn wichtiger Bestandteil seines Glaubens.
Muhammad Kalisch ist Professor für Islamische Religionswissenschaft und Leiter des Centrums für religiöse Studien der Uni Münster.
In dieser Rolle ist er umstritten: Seine Kontakte zu fundamentalistischen Gruppen rücken ihn in die Nähe von Extremisten, andererseits ist er Hoffnungsträger eines Pilotprojektes der nordrhein-westfälischen Regierung. In vier Jahren sollen bei Kalisch die ersten Studenten einen neuen Aufbaustudiengang für Islamunterricht abschließen. Das Land spricht von einem Integrationsprojekt.
Der 38-Jährige, ehemals Privatdozent in Hamburg, erläutert seinen Studenten die verschiedenen Lesarten des Korans: afrikanische, iranische und türkische Lehrmeinungen. Und er hinterfragt die Unumstößlichkeit, nach der sie manche Gelehrte seit 1400 Jahren auslegen. Etwa, ob es noch zeitgemäß ist, dass Männer das Doppelte von dem erben, was Frauen bekommen: "Heute empfinden wir das als ungerecht, damals aber war der Mann alleiniger wirtschaftlicher Versorger und die Ehefrauen waren automatisch versorgt."
"Aufgeschlossen und tolerant"
Kalischs Lehrstuhl soll für die nordrhein-westfälische Landesregierung die Gewähr bieten, dass muslimischen Schülern keine Inhalte vermittelt werden, die nicht mit der Werteordnung des Grundgesetzes vereinbar sind.
Kalischs Studenten sollen nach ihrem Abschluss unter staatlicher Schulaufsicht muslimische Kinder unterrichten -
so wie evangelische oder katholische Schüler seit langem in den Schulen unterrichtet werden.
Mittwochs zwischen elf und eins geht es im Hörsaal zwei des Fürstenberghauses in Münster um Islamische Rechtsmethodik. Gut dreißig Studenten sind zur Vorlesung von Muhammad Kalisch gekommen. Er spricht schnell und streut immer wieder arabische Begriffe ein. Verständnisschwierigkeiten dürfte es deshalb keine geben. Die meisten seiner Zuhörer sind Fortgeschrittene: interessierte Muslime oder Islamwissenschaftler, die den Koran in der Originalsprache lesen. Zwei, drei der Studentinnen tragen Kopftücher. Sie fallen in dieser Veranstaltung aber auch nicht mehr auf als die Studentin mit den pink gefärbten Haaren unter der lila Schirmmütze. "Er ist aufgeschlossen und tolerant", sagt ein Palästinenser über seinen Professor....
Die Vorwürfe extremistischer Einflussnahme auf seine Arbeit bringen Kalisch manchmal in die Defensive. Gleichwohl kann er sich gegen solche Anschuldigungen durch geschickte Wahl seiner Worte wehren, sehr gut sogar, das hat er in seinem früheren Beruf als Rechtsanwalt gelernt.
Kalisch macht auch wortreich klar, warum Frauen sich naturgemäß um Haus und Nachwuchs zu kümmern haben: "Wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten, lässt sich dies mit ihrem Erziehungsauftrag nicht vernünftig vereinbaren.
Außerdem: Auch wenn ich einen guten Draht zu meinen Kindern habe, meine Frau hat einfach einen besseren."
Er kann aber auch genauso schnell erklären, warum sich die Landesregierung über die Ausrichtung seiner Lehre keine Sorgen zu machen brauche.
"Sie können davon ausgehen, dass für den ersten Lehrstuhl dieser Art keine blauäugige Wahl getroffen wurde."
Den Eindruck eines Dogmatikers will Muhammad Kalisch vermeiden, den eines selbstbewussten Lehrers ganz sicher nicht.
Vollständiger Text:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeit...unkt/0011/
Der Lehrer der Lehrer
Muhammad Kalisch bildet in Münster Studenten aus, die in Zukunft in Schulen Kindern und Jugendlichen Islamunterricht geben sollen
MÜNSTER, im Dezember. Wenn es um Worte geht, kann Muhammad Kalisch richtig kleinlich sein.
Er diskutiert über die Bedeutung bloßer Silben und widmet sich dem Zusammenspiel von Umlauten und Vokalen mit einer Ernsthaftigkeit wie andere Kollegen dem Thema Krieg und Frieden.
Die genaueste Lektüre des Korans ist für ihn wichtiger Bestandteil seines Glaubens.
Muhammad Kalisch ist Professor für Islamische Religionswissenschaft und Leiter des Centrums für religiöse Studien der Uni Münster.
In dieser Rolle ist er umstritten: Seine Kontakte zu fundamentalistischen Gruppen rücken ihn in die Nähe von Extremisten, andererseits ist er Hoffnungsträger eines Pilotprojektes der nordrhein-westfälischen Regierung. In vier Jahren sollen bei Kalisch die ersten Studenten einen neuen Aufbaustudiengang für Islamunterricht abschließen. Das Land spricht von einem Integrationsprojekt.
Der 38-Jährige, ehemals Privatdozent in Hamburg, erläutert seinen Studenten die verschiedenen Lesarten des Korans: afrikanische, iranische und türkische Lehrmeinungen. Und er hinterfragt die Unumstößlichkeit, nach der sie manche Gelehrte seit 1400 Jahren auslegen. Etwa, ob es noch zeitgemäß ist, dass Männer das Doppelte von dem erben, was Frauen bekommen: "Heute empfinden wir das als ungerecht, damals aber war der Mann alleiniger wirtschaftlicher Versorger und die Ehefrauen waren automatisch versorgt."
"Aufgeschlossen und tolerant"
Kalischs Lehrstuhl soll für die nordrhein-westfälische Landesregierung die Gewähr bieten, dass muslimischen Schülern keine Inhalte vermittelt werden, die nicht mit der Werteordnung des Grundgesetzes vereinbar sind.
Kalischs Studenten sollen nach ihrem Abschluss unter staatlicher Schulaufsicht muslimische Kinder unterrichten -
so wie evangelische oder katholische Schüler seit langem in den Schulen unterrichtet werden.
Mittwochs zwischen elf und eins geht es im Hörsaal zwei des Fürstenberghauses in Münster um Islamische Rechtsmethodik. Gut dreißig Studenten sind zur Vorlesung von Muhammad Kalisch gekommen. Er spricht schnell und streut immer wieder arabische Begriffe ein. Verständnisschwierigkeiten dürfte es deshalb keine geben. Die meisten seiner Zuhörer sind Fortgeschrittene: interessierte Muslime oder Islamwissenschaftler, die den Koran in der Originalsprache lesen. Zwei, drei der Studentinnen tragen Kopftücher. Sie fallen in dieser Veranstaltung aber auch nicht mehr auf als die Studentin mit den pink gefärbten Haaren unter der lila Schirmmütze. "Er ist aufgeschlossen und tolerant", sagt ein Palästinenser über seinen Professor....
Die Vorwürfe extremistischer Einflussnahme auf seine Arbeit bringen Kalisch manchmal in die Defensive. Gleichwohl kann er sich gegen solche Anschuldigungen durch geschickte Wahl seiner Worte wehren, sehr gut sogar, das hat er in seinem früheren Beruf als Rechtsanwalt gelernt.
Kalisch macht auch wortreich klar, warum Frauen sich naturgemäß um Haus und Nachwuchs zu kümmern haben: "Wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten, lässt sich dies mit ihrem Erziehungsauftrag nicht vernünftig vereinbaren.
Außerdem: Auch wenn ich einen guten Draht zu meinen Kindern habe, meine Frau hat einfach einen besseren."
Er kann aber auch genauso schnell erklären, warum sich die Landesregierung über die Ausrichtung seiner Lehre keine Sorgen zu machen brauche.
"Sie können davon ausgehen, dass für den ersten Lehrstuhl dieser Art keine blauäugige Wahl getroffen wurde."
Den Eindruck eines Dogmatikers will Muhammad Kalisch vermeiden, den eines selbstbewussten Lehrers ganz sicher nicht.
Vollständiger Text:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeit...unkt/0011/
"Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche!" (Gustav Mahler nach Thomas Morus)