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Religion in Taiwan
#7
@Bion: Vielen Dank! Das mit den Lexikon-Beitraegen muss ich mir noch durch den Kopf gehen lassen, da mein Wissen diesbezueglich doch noch reichlich oberflaechlich ist. Es freut mich aber, dass meine Beitraege anscheinend nicht voellig daneben aussehen.
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Anmerken wollte ich noch, dass die meisten Schulen des Chan(=Zen)-Buddhismus mehr wert auf die praktische Uebung, z.B. die Meditation, legen als auf das Studium von Schriften; dies macht es Laien einfacher, hier Zugang zu finden. Der Fo Guang Shan-Orden mischt die Chan-Lehre zusaetzlich noch mit der des "Reinen Land" oder Amithaba-Buddhismus, die es auch einfachen Leuten ermoeglichen soll, Erleuchtung zu erlangen. Hierbei wird die Meditation oft nur auf das wiederholte Aussprechen des Namens "Amithaba" reduziert, um den Geist zu leeren. Ausserdem spielt hier ausnahmsweise auch der Glaube, also das Vertrauen auf die Kraft des Amithaba, als Weg zur Erleuchtung eine Rolle, was ansonsten im Buddhismus eher ungewoehnlich ist.

Eine Betrachtung der religioesen Landschaft Taiwans waere unvollstaendig, wenn man nicht auch die synkretistischen Erloesungssekten ansprechen wuerde, die es schon seit Jahrhunderten gibt. Diese hatten eine Haupt-Bluetezeit waehrend des japanisch-chinesischen Kriegs auf dem Festland, als das Beduerfnis nach Erloesung anscheinend besonders gross war. Anschliessend waren sie sowohl in der Volksrepublik als auch in der Republik China verboten, was aber ihrer Beliebtheit wenig Abbruch tat. Das Verbot bestand aus verschiedenen Gruenden, wie mangelnder Kontrollmoeglichkeit, dem Kampf gegen Aberglaube und in Taiwan auch aktivem Lobbyismus seitens der buddhistischen Verbaende. Diese drangen noch 1983 erfolgreich auf eine Verlaengerung des Verbots, was zeigt, dass man den Synkretismus in taiwanesischen Religionsvorstellungen und Kulten keinesfalls mit religioeser Toleranz verwechseln sollte; dem ist garantiert nicht so. Die mangelnde Kontrollmoeglichkeit mit Versammlungen meist in Privathaeusern oder -wohnungen fuehrte aber immer dazu, dass das Verbot weitgehendst wirkungslos blieb.

Es gibt sehr viele dieser Sekten, und sie entstehen auch heute noch, unter dem Schutz der Religionsfreiheit, immer wieder neu. Als Beispiel will ich die im Zensus von 2005 mit 3,5% der Bevoelkerung groesste Sekte nennen, Yi Guan Dao, was so etwas wie "der konsistente Weg" heisst. Der Ursprung dieser Sekte liegt in der chinesischen Volksreligion, wobei die Lehre maternalistische und salvatorische Zuege zeigt. Die hoechste Goettin des Universums ist die weiter oben als Goettin des Daoismus schon genannte Xiwangmu oder Koeniginmutter des Westens, die den Dao schon zum Ende gegangen und unsterblich geworden ist. Der Yi Guan Dao geht hier einen Schritt weiter und sieht sie als Wusheng Laomu, die "ewige altehrwuerdige Mutter", die urspruengliche Energie des Universums, aus der alles entstand, und die als Flamme verehrt wird. Sie ist die Verkoerperung des Dao. Verehrt werden verschiedene Goetter, die oben schon genannt wurden, mit dem Buddha Maitreya im Zentrum. Da die Mutter traurig darueber ist, ihre Kinder (die Menschen) an den Zyklus der materiellen Welt verloren zu haben, schickt sie die Buddhas zu unserer Erloesung. Der Dipamkara-Buddha und Gautama Buddha wurden schon geschickt, waehrend Maitreya fuer die Erloesung der Menschheit in der baldigen Zukunft zustaendig ist. Hier werden also daoistische und buddhistische Elemente zusammen mit eigenen Vorstellungen vermischt. Die Sekte scheint auch in Oesterreich aktiv zu sein.

Besucht habe ich selbst nur eine Abspaltung des Yi Guan Dao, den Mile Da Dao, der "grosse Weg des Maitreya", der im Zensus von 2005 mit 1,1% der Bevoelkerung zu Buche schlug. Die haben auch ein neues Mega-Domizil am Emei-See bei Hsinchu erbaut, das sogenannte "Nature Loving Wonderland" (Fotos siehe wieder bei Josh Ellis *http://www.goteamjosh.com/blog/naturelovingwonderland). Dort gibt es einen 75 Meter hohen Bronze-Mi Le Fo (lachenden Buddha) als Maitreya zu bewundern, plus ein riesiges Gebaeude als Zentrum, wo man allerdings nicht photographieren darf und wo einen freundlich laechelndes Personal an jeder Ecke in die Schranken weist. Sie werben fuer Voelkerverstaendigung, Akzeptanz aller Religionen, Umweltschutz und was man sich sonst noch so als hehre Ziele vorstellen kann, wobei der eigentliche religioese Inhalt aber seltsam wolkig bleibt. Vielleicht tue ich ihnen Unrecht, aber die Kombination von Rettung der Menschheit, Protz und Heimlichtuerei macht mich zumindest skeptisch. Wie auch immer, die Sekte waechst.

Daneben gibt es noch unzaehlige weitere Sekten. Manche davon sind auch politisch einflussreich, wie der neue Weixinismus (Heilige Kirche des Herzens allein), der, obwohl es sich um eine taiwanesische Sekte handelt, selbst von der Volksrepublik China gefoerdert wird, da er sich fuer die Vereinigung Taiwans mit China einsetzt. Die Sekte fusst auf einer mythologisierten Geschichte Chinas und institutionalisiert die Volksreligion, aber die Vermischung mit der Politik hinterlaesst ein leichtes Unbehagen.

Alle diese Religionsgruppen stehen in reger Konkurrenz, und wie schon angemerkt, ist es mit religioeser Toleranz nicht unbedingt so weit her, wie man sich das eventuell vorstellt. Z.B. war der Dalai-Lama schon drei Mal in Taiwan, um fuer den tibetischen Buddhismus zu werben, und auch dieser hat eine ganze Reihe Anhaenger im Lande gefunden. Allerdings habe ich selbst Plakate gesehen, die in Chinesisch und Englisch klar machten "Tibetischer Buddhismus ist kein Buddhismus. Die Anhaenger des tibetischen Buddhismus sind keine Buddhisten". Religioese Kleinkriege und Richtungsstreitigkeiten gibt es also ueberall.

Ich denke, damit kommt mein Ueberblick ueber Religion in Taiwan zum Abschluss. Fuer Fragen stehe ich natuerlich zur Verfuegung, und Anmerkungen sind gerne gesehen.
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Religion in Taiwan - von Ulan - 22-03-2017, 17:22
RE: Religion in Taiwan - von Ulan - 22-03-2017, 20:09
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