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Das Bild von Jahwe
#4
(16-02-2017, 23:24)Ulan schrieb: Hat eigentlich irgendjemand schon mal den Vorschlag gemacht, dass die Vorstellung der Bilderlosigkeit des Jahwe eventuell auch erst in Babylon entwickelt wurde?

Dazu noch eine Anmerkung:

Von vielen Fachgelehrten werden die Anfänge der biblischen Geschichtsschreibung in die spätvorexilische Zeit verortet. In der Exilzeit seien die Texte dann theologisch überarbeitet und um wichtige, gemeinschaftsbildende Inhalte (zB um die Wanderungen der Vorväter ins Gelobte Land) ergänzt worden, wird argumentiert. Darüber hinaus wird eingeräumt, dass die Texte nachexilisch einer Redaktion unterzogen wurden.

Dass die Entwicklung zum Monotheismus und zur Bildlosigkeit Gottes schon vor der Exilzeit abgeschlossen war, wie es der Pentateuch scheinen lassen will, daran wird von konservativen Theologen nicht gerüttelt. Kritische Theologen hingegen hinterfragen die geschilderten Sachverhalte immer öfter.

Der kanadische Alttestamentler John Van Seter zB vertritt die Meinung, dass das Alte Testament nahezu vollständig während der Exilzeit entstanden ist. Als wichtiges Argument führt er an, dass man, wenn man die griechische mit der biblischen Geschichtsschreibung vergleicht, feststellen wird, dass dieselbe Gattung vorliegt, dieselbe Art von Prosageschichtsschreibung, wie man sie in der klassischen und hellenistischen Zeit in Griechenland vorfindet. Altorientalische Textelemente seien nicht vorhanden.

Das Argument hat Gewicht, doch müsste man, wenn man es aufgreift, nicht noch einen Schritt weitergehen und die persische oder gar die hellenistische Zeit für die Entstehung des Pentateuch erwägen?

Dazu meint der Alttestamentler Nils Peter Lemche, der dazu neigt, das Entstehen des Pentateuchs in der nachexilischen (persischen und hellenistischen) Zeit zu vermuten:

Zitat:Doch könnte man gegen diese Spätdatierung einwenden, dass die nachexilische Periode mit den Themen des Pentateuch nicht viel gemein hat. Warum hätte man damals von Wanderungen zwischen Babylonien und Palästina sprechen sollen, wo doch die Exulanten längst zurückgekehrt waren? Die Antwort auf diesen Einwand geben uns die tatsächlichen geschichtlichen Ereignisse am Ende des sogenannten babylonischen Exils. Es ist nämlich klar, dass der Abschluss dieser Epoche nicht durch eine Massenbewegung von Babylon nach Judäa geprägt war. Zwar entschlossen sich viele Judäer - oder vielleicht besser Juden -, in die Heimat zurückzukehren. Die Hauptmasse der Nachkommen der Judäer aber, die am Anfang des 6. Jahrhunderts von Palästina nach Mesopotamien verschleppt worden waren, zog es vor, dort zu bleiben. Zu einer massenhaften Heimkehr der Juden nach Palästina kam es wohl im Altertum nie; erst das 20. Jahrhundert n.Chr. hat die vollständige Auflösung der Babylonischen Diaspora mit sich gebracht.
[…]
Müssten wir uns vielleicht den Pentateuch eher als "Diasporaliteratur" vorstellen, die ausgearbeitet wurde, um die Ansprüche der Diasporajuden auf Anteil am eigenen Volk und Vaterland zu legitimieren? Denn es konnte für jüdische Bewohner Judäas merkwürdig aussehen, dass Menschen, die nicht selbst bereit waren, in ihr Vaterland umzusiedeln, noch zu den echten Juden gezählt werden wollten. Endlich wären durch eine Datierung des Pentateuch ins 5., 4. oder sogar 3. Jahrhundert die Anknüpfungspunkte zwischen der alttestamentlichen und der griechischen Geschichtsschreibung unendlich viel einfacher zu erklären.
[…]
Wenn trotzdem immer weiter nach einem geschichtlichen Kern der Erzählungen gesucht wird, diese aber einen solchen nicht aufweisen, letztlich auch gar nicht bieten wollen, dann legt sich die Vermutung nahe, dass die Ursache in der Lebensauffassung des modernen Menschen liegt. […] In der vorromantischen Zeit wurden wohl auch schon Geschichten geschrieben, die von Erlebnissen eines Volkes in früherer Zeit erzählten. Doch handelte es sich noch nicht um wissenschaftliche Geschichtsdarstellungen, sondern um Chroniken, welche die Heldentaten der Vorväter den Lesern mehr oder wenig systematisch vor Augen führen wollten.


N. P. Lemche: Biblische Enzyklopädie, Band I, Die Vorgeschichte Israels. Verl. Kohlhammer 1996, S. 219ff..
MfG B.
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