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Existentialismus nach Jean Paul Sartre (atheistisches Weltbild)
#1
Mir fällt immer wieder auf wie problematisch es ist vom Atheismus zu sprechen. Schließlich bezeichnet das Wort eigentlich nur die Abwesenheit des Glaubens an jedweden Gott.
Ich war schon in so manchem Religionsforum unterwegs und stellte immer wieder fest, dass Atheisten dort gerne dieser Definition treu blieben. Sie argumentierten gegen Religion, stellten aber keinen alternativen Inhalt vor.

Wo liegt nun überhaupt das Problem dabei? Sollen sie doch gegen Religion sein, verbietet ihnen ja niemand.

Nun, wenn Atheisten gegen Religion argumentieren, dann treffen sie ja auch Aussagen. Aussagen, die oft nicht separat voneinander stehen sondern zusammenhängen. Aus ihrem Zusammenhang lässt sich nach einer längeren Diskussion sehr wohl eine Art Weltbild ableiten. Etwas anderes ist ein Weltbild ja nicht als eine Menge von Aussagen, die irgendwie zusammenhängen. Fragt man den Atheisten nun nach diesem Weltbild, so gibt er selten Antwort. Woran das liegt, weiß ich nicht. Vielleicht ist das für sie ein zu intimes Thema oder sie haben Angst selbst ein Weltbild zu vertreten, dass nicht über jeden Zweifel erhaben ist.

Jedenfalls gibt es durchaus atheistische Weltbilder, die als zusammenhängendes System konstruiert sind und nicht nur aus vereinzelten Aussagen bestehen. Eines davon möchte ich hier gerne vorstellen und diskutieren: den Existentialismus nach Jean Paul Sartre.

Sartre war ein populärer Philosoph des 20. Jahrhundert. Nicht nur seine theoretischen Überlegungen, auch sein politisches Engagement erlangte Weltruhm. Außerdem war er so etwas wie eine Stilikone. Jazz im Keller, ein schwarzer Rollkragenpulli, Gauloises oder Gitanes rauchen und die Idee einer offenen Beziehung, die er mit Simone de Beauvoir führte, - das ist Sartre.

Grundzüge seines Denkens beschreibt Sartre in seinem bekannten Essay "Der Existentialismus ist ein Humanismus" auf den sich meine Zusammenfassung beruft.

Um Freiheit und Verantwortung geht es und um provokante Thesen, die die Menschen seiner Zeit oft befremdeten und die noch öfter missverstanden wurden. "Es gibt keinen Gott", sagt Sartre, "und es ist sehr unangenehm, dass es keinen Gott gibt." Denn dadurch, dass er fehlt, seien wir Menschen selbst für die Entscheidungen verantwortlich, die wir treffen.

Wie jetzt? Verantwortung?

"Ja", sagt Sartre, "schließlich sagt uns niemand, was gut und was schlecht ist, wir müssen das selbst bestimmen." Wir seien sozusagen ins Leben geworfen und jetzt müssten wir uns hier zurecht finden. Wir seien gezwungen hier zu leben und zu arbeiten. Die Zeit schreitet voran und wir müssen etwas tun, können uns nicht verstecken.

Wir und niemand sonst entscheiden, was wir tun. Absolute Freiheit. Wir und niemand sonst haben die Tat vollbracht und entschieden, dass sie gut ist. Denn wir können uns nicht für etwas entscheiden, von dem wir nicht denken, dass es in unserer Situation das Gute ist. Gerade dadurch, dass wir uns dafür entscheiden, befinden wir es für gut. Für das, was wir getan haben, und somit für das, was wir sind ("der Mensch ist die Summe seiner Taten"), sind wir verantwortlich. Absolut verantwortlich.

"Der Mensch ist Angst", meint Sartre. Denn seine Entscheidungen trifft er absolut frei und er ist für sie absolut verantwortlich. Nie wird er wissen können, ob das, was er vorhat, wirklich gut ist. Nie kann er wissen, ob es gelingen wird. Und doch hängt von seiner Entscheidung seine Zukunft und die Zukunft anderer ab. Angst sei da durchaus angebracht.

Sartre erklärt seine Überlegung unter anderem mit einer Interpretation einer Bibelstelle.
Als Abraham von Gott den Befehl erhalten hat seinen Sohn Isaak zu opfern, da konnte Abraham nicht wissen: Ist das wirklich Gott, der da spricht? Und bin ich wirklich Abraham?
Abraham musste sich entscheiden. Von seiner Entscheidung hing das Leben seines Sohnes und, wie sich später herausstellte, die Zukunft eines ganzen Volkes ab. Sicher hat sich Abraham die Entscheidung nicht leicht gemacht. Sicher hatte er Angst. Wenn Sartre sagt, der Mensch sei Angst, dann meint er die Angst Abrahams.
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Existentialismus nach Jean Paul Sartre (atheistisches Weltbild) - von Heinrich - 13-11-2009, 21:57
RE: Existentialismus nach Jean Paul Sartre - von Heinrich - 13-11-2009, 23:16
RE: Existentialismus nach Jean Paul Sartre - von Heinrich - 13-11-2009, 23:41
RE: Existentialismus nach Jean Paul Sartre - von Heinrich - 13-11-2009, 23:59
RE: Existentialismus nach Jean Paul Sartre - von Heinrich - 14-11-2009, 16:09
RE: Existentialismus nach Jean Paul Sartre - von Heinrich - 14-11-2009, 16:26
RE: Existentialismus nach Jean Paul Sartre - von Heinrich - 14-11-2009, 17:20
Zusammenfassung - von Heinrich - 15-11-2009, 14:42

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