(16-08-2010, 13:23)petronius schrieb:Nichts anderes tue ich. Ich gehe von dem Handschriftenbefund aus, so wie er heute vorliegt. Man kann aber nicht ohne weiteres den heutigen Handschriftenbefund mit dem gleichsetzen, was im Original gestanden hat.(16-08-2010, 12:59)hgp schrieb: Vielleicht solltest du deine Erkenntnisse mal den Altphilologen mitteilen. Die sind seit ca. 250 Jahren der Meinung dass u.a. dies genau ihr Job ist:
de.wikipedia.org/wiki/Textkritik
ich habe keine erkenntnisse, ich habe eine meinung - und die ist geprägt durch naturwissenschaftliches arbeiten. da nämlich nimmt man den befund an, wie er sich präsentiert, um darauf aufzubauen und weitere fragen zu stellen
Der Fall der LXX ist dafür ein Beispiel. Bis ca. Mitte des 20.JH war allgemein als Tatsache anerkannt, dass die LXX von Anfang an "kyrios" anstatt "יהוה" enthielt. Alle damals bekannten HSS stammten aus der Zeit nach dem Jahre 150 und man rekonstruierte den ursprünglichen Text aus diesen. Aber im Laufe des 20.JH wurden dann ältere Manuskripte gefunden und -oh Wunder- die enthielten etwas ganz anderes als es die von dir vorgeschlagene Methode nahelegte, nämlich Tetragrammata statt des rekonstruierten "kyrios".
Mit deiner Methode hättest du vor 80 Jahren also exakt etwas falsches rekonstruiert, genauso wie alle Philologen das damals auch taten. Wenn du jetzt genau das gleiche mit dem NT machen willst, was damals bei der LXX zu einem Fehler führte, dann solltest du dir Gedanken machen, ob die Vorgehensweise wirklich so sinnvoll ist. Wir sind in Bezug auf das NT in der gleichen Lage wie vor 80 Jahren mit der LXX. Was du vorschlägst ist also nichts anderes als die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
(16-08-2010, 13:23)petronius schrieb: textkritisches arbeiten ist imho etwas anderes, als einen text zu verändern, weil man meint, er müsse "ursprünglich" anders gelautet habenWas meinst du mit "Text verändern"? Könntest du das etwas genauer erläutern?
(16-08-2010, 13:23)petronius schrieb:Zitat:Weißt du überhaupt, wie eine wissenschaftliche Textausgabe hergestellt wird?
nein. was ist denn eine "wissenschaftliche Textausgabe" überhaupt?
Eine wissenschaftliche Textausgabe ist eine wissenschaftliche Rekonstruktion eines Originaltextes aufgrund der vorhandenen Beweise, die eben nicht nur in vorhandenen Manuskripten bestehen.
(16-08-2010, 13:23)petronius schrieb: alle anderen übersetzungen außer eurer eigenen offenbar nicht, hab ich recht?Soll das witzig sein?
(16-08-2010, 11:43)petronius schrieb:Wie kommen denn deiner Meinung nach die nomina sacra in die Septuaginta, obwohl sie in keiner Abschrift vor dem JAhr 100 enthalten waren?Zitat:Wir wissen, dass das NT durch Abschreiber übermittelt wurde, die Anfang des 2.Jh. planvoll und koordiniert das Tetragrammaton aus der Bibel entfernten
nö, wissen wir nicht
(16-08-2010, 13:23)petronius schrieb: was soll uns das sagen dazu, daß dieselben auch die evangelien abgeschrieben haben, bzw. dabei dieselbe (verfälschende) vorgangsweise angewendet wurde?In der Hoffnung, dass ich deinen Satz korrekt verstehe (obwohl er irgendwie grammatisch nicht korrekt ist):
Wenn du versuchst, diese Frage zu beantworten, dann wirst du feststellen, dass man eine Antwort nur finden kann, wenn man ENTWEDER Teile der vorliegenden sicheren Befunde ignoriert bzw. negiert, ODER akzeptiert, dass christliche Abschreiber Anfang des 2.JH in der LXX "יהוה" durch "kyrios" ersetzt haben. Versuch es mal!
(16-08-2010, 13:23)petronius schrieb:"Weitgehend bekannt" in einem heidnischen Land wie dem römischen Reich??? Wohl kaum. [/quote]Zitat:Die Antwort auf deine Frage: Weil es keine andere realistische Möglichkeit gibt. Die Juden hörten damals auf, die Septuaginta (das griechische AT) zu verwenden und fertigten neue Übersetzungen an. Und außer den Christen hatte ja wohl kaum einer noch Interesse an der Bibel. Ergo bleiben nur christliche Abschreiber übrig. Und die schrieben natürlich auch das NT ab. Oder kennst du noch eine andere Gruppe, die man realistischerweise annehmen könnte?
ja. mir erscheint es sehr viel plausibler, daß die evangelien zur weiteren verbreitung abgeschrieben wurden, ohne daß deshalb dieselben schreiber sich auch mit dem at abmühten, von dem es doch schon kopien gegeben haben muß bzw. das als weitgehend bekannt vorausgesetzt werden konnte
Außerdem führt das zurück zur Frage, wer denn sonst die LXX abgeschrieben hat. Die Juden waren es nicht mehr, weil sie aufhörten, die LXX zu benutzen, u.a. aufgrund des Vorwurfs, dass die LXX verfälscht war und die Christen sie benutzten, um ihre Lehren damit zu rechtfertigen. Wenn also die Christen die LXX nicht abschrieben, wer bitte dann? Woher hatte die Kirche denn dann die LXX?
Die vorhandenen Kopien (die die Juden besaßen) waren Anfang des 2.JH aus folgenden Gründen für die Christen keine Option:
-Die Juden und jüdischen Gemeinden im römischen Reich wurden (mitsamt ihren Bibelmanuskripten) durch mehrere Kriege der Römer gegen die Juden dezimiert.
-Die Juden hörten auf, die LXX zu benutzen (und verschenkten sie NICHT an die Christen).
-Die Christen durften nicht mehr in die Synagogen, konnten dort also auch nicht mehr die vorhandenen Bibeln benutzen.
-Die Heidenchristen entwickelten eine starke Abneigung gegen die Juden
(16-08-2010, 11:43)petronius schrieb: warum muß überhaupt irgendwas "rekonstruiert" werden?Weil wir nicht mehr die Manuskripte zur Verfügung haben, die Paulus, Johannes und die anderen Schreiber anfertigten. Wir haben Abschriften von Abschriften mit unterschiedlichen Änderungen bzw. Fehlern und wir haben das Wissen, dass antike Abschreiber ihre Kopien veränderten[/quote]
dann wird man sinnvollerweise die verschieden fehlerhaften abschriften miteinander vergleichen. wenn sie alle denselben "fehler" enthalten, würde ich mal davon ausgehen, daß der eben schon im "original" enthalten war, anstatt ein von sämtlichen abschriften abweichendes "original" zu "rekonstruieren"[/quote]
Wie bereits gesagt, wenn du das vor 80 Jahren mit der LXX gemacht hättest, dann wärst du zu einem falschen Ergebnis gekommen, da Anfang des 2.JH hier ein Wechsel stattfand. Was sagt dir, dass du den gleichen Fehler nicht hier mit dem NT wiederholst? Beim NT ist nämlich der Stand der Überlieferung heute ähnlich wie bei der LXX vor 80 Jahren.
(16-08-2010, 13:23)petronius schrieb:Was hat das mit dem Buch zu tun? Das war eine Empfehlung für diejenigen, die etwas über Textkritik im allgemeinen lernen wollen. Die Frage mit dem Tetragrammaton im NT wird darin gar nicht besprochen.Zitat:Ein aufmerksamer Leser hätte festgestellt, dass ich dieses Buch als grundlegendes Standardwerk anführte, dass dem Leser mal einen Überblick vermittelt, wie Wissenschaftler den Text des NT rekonstruieren
das war aber gar nicht meine frage. mir gehts ja um diesen switch von "kyrios" zu "יהוה", den seltsamerweise außer euch zj niemand vornimmt
die von dir genannten offenbar auch nicht
Wenn du einen Wissenschaftler willst, der sich zu der Frage äußert (so ziemlich als einziger überhaupt), dann hat ein Prof G. Howard im März 1978 im "Biblical Archeology Review" (ab S.12 genau gesagt) etwas sehr ähnliches gesagt wie die NWÜ, nämlich dass ursprünglich im NT das Tetragrammaton vorkam, aber später von Heidenchristen durch ein abgekürztes "kyrios" ersetzt wurde. Weitere wissenschaftliche Abhandlungen zum Thema sind mir nicht bekannt.
Gruß
hgp
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