03-08-2010, 09:53
(03-08-2010, 09:08)Ebru schrieb: Um Menschen überhaupt in die günstige Lage zu versetzen, am Leben (wieder) teilzuhaben, braucht es diese hilfreichen Menschen, wie das Beispiel Mutter Teresas in Kalkutta zeigt
nun, genau das hat afaik mutter teresa nicht geleistet
Zitat:Wir wissen immer sehr genau, was andere tun sollen. Aber was tun denn wir?
ich spende geld. an organisationen, bei denen ich mir relativ sicher sein kann, daß ihre tätigkeit vor ort auf dauerhafte wirkung angelegt ist (z.b. hilft meine spende dabei, daß kinder schulbildung erhalten, anstatt arbeiten zu müssen). sterbende auf der straße aufzulesen, ohne echte medizinische betreuung unter christlicher zwangsbeschallung notdürftig hochzupäppeln und dann wieder zum sterben auf die straße zurückzulegen - das ist in meinen augen keine hilfe, sondern höchstens selbstbefriedigung ("was bin ich doch für ein edler mensch") und mir keinen spendeneuro wert
Zitat:Die Kritik finde ich überzogen und ungerechtfertigt
inwiefern?
weil sie sachlich falsch ist (dann bitte argumente) oder weil eine mutter teresa nicht kritisiert werden darf?
Zitat:Sie hat das Ihre getan und Vergleiche eignen sich nicht, um das Lebenswerk eines Menschen als das zu begreifen, was es ist oder war
sondern was?
mediale aufmerksamkeit und der von den massenmedien aufgesetzte heiligenschein?
Zitat:Mutter Teresa war da, wo es mangelte und packte an, was sich vor ihren Augen an Aufgaben auftat. Auf das kommt es an
vielleicht haben wir ja unterschiedliche informationen. kannst du mal näher beschreiben, was du von ihrer arbeit weißt?
da der von mir angesprochene vorort-bericht von else buschheuer anscheinend nicht angeklickt werden kann, zitiere ich auszugsweise (wenn ich wüßte, wie hier dateianhänge an pns oder e-mails gehängt werden können, könnte ich das pdf versenden):
Ich bin für die Morgenschicht bei den Frauen eingeteilt, sechsmal die Woche von 8 bis 12 Uhr. Sie beginnt mit einem gemeinsamen Minigottesdienst (Herunterleiern von englischsprachigen Erweckungsliedern und -gebeten). Dann folgt das Austeilen des Frühstücks (Toast, Banane, hartes Ei, Klops aus süßem Reismehl) und das Füttern einzelner Patienten. Anschließend wäscht man, auf dem Boden vor Schüsseln mit kaltem Wasser hockend, das Blechgeschirr ab. Dann werden die Patientinnen in den Waschraum geschleppt. Wer das nicht übers Herz bringt, kann mit Händen und Füßen im Nebenraum die Wäsche waschen. Zwischen 10 und 11 werden die Medikamente ausgegeben (ein von kichernden Novizinnen absolviertes Ratespiel: Ist zum Beispiel Paracetamol alle, gibt es halt was anderes mit P), die Patientinnen werden massiert (sofern der Praktikant in eigenes Öl investiert hat) und auf den Topf gesetzt. Nachher wird Mittagessen ausgeteilt (Reis mit irgendwas) und das Blechgeschirr abgewaschen.
Wir tragen Schürzen von zweifelhafter Sauberkeit, Gummihandschuhe (nur ein Paar pro Schicht, wie uns ein Pappschild belehrt), Vorsichtige auch Mundschutz (wenn vorhanden)
...
Eine der Frauen sitzt tremolierend auf einem Plastikstuhl, ein Spuckefaden läuft aus ihrem Mund bis zum Boden.
Warum macht keiner was?, denke ich. Warum hab ich nix Anständiges gelernt, Krankenschwester, Altenpflege, Medizin? Bin ich Praktikantin, oder bin ich Darstellerin einer Praktikantin? Warum werden den Hindufrauen die langen Haare abrasiert, die doch ihr Schmuck und Stolz sind? Warum zieht man ihnen Engelshemdchen an, sodass die sonst stets Bedeckten halb nackt, hilflos den Blicken von Praktikanten und Besuchern ausgesetzt sind? Warum werden keine Waschmaschinen gekauft? Warum gibt es keine Mundhygiene? Auf alle Fragen höre ich Antworten, die mich vorübergehend beruhigen. Die Haare werden angeblich abrasiert, weil sie verdreckt sind und verlaust, weil die Kopfhaut oft von Krätze befallen ist, offene Wunden hat, nässt und eitert. Unterwäsche oder Zahnbürsten seien die Patientinnen nicht gewohnt. Waschmaschinen wollte Mutter Teresa nie. Immerhin hätten die Frauen ein Bett, etwas zu essen, Zuwendung
...
Baby hat Leberkrebs und große Schmerzen. Einmal wirft sie mir wie in Zeitlupe eine Kusshand zu. Einmal ist sie untröstlich. Ich bitte eine Novizin um Übersetzung. Baby vermisst ihren Hund. Als ich am nächsten Tag Babys Bett leer finde, weiß keiner, wo sie ist. Neue Praktikanten, neue Novizinnen (sie durchlaufen turnusmäßig alle Häuser). Schließlich finde ich eine indische Hilfsarbeiterin, die behauptet, Baby sei nach Hause entlassen worden. Nach Hause? oviel ich weiß, werden "family cases" gar nicht hier aufgenommen. Der Zweifel nagt an mir. Babys Bett wird sofort neu belegt.
Nilima, eine rundliche, vierzigjährige Frau, besteht darauf, mein blechernes Marienmedaillon zu küssen und sich zu bekreuzigen, ehe ich sie massiere. Tut sie katholisch? Denkt sie, ich sei katholisch? Ist sie hier bekehrt worden? Nilima hatte einen Schlaganfall und ist halbseitig gelähmt. Viermal schon haben die Nonnen versucht, sie zurückzubringen zu ihrem Mann. Aber der hat bereits eine neue Frau
...
Kajul, eine finstere, gebrechliche Frau, kann eine einzige Praktikantin ganztags beschäftigen. Sie ruft ständig, klagt, hat Wünsche. Mal soll der Ventilator aus. Mal will sie auf den Topf, dann hat sie Durst, dann ist die Windel voll. Neben ihrer Pritsche ist ein Spucknapf mit weißgelblichem Schleim. Erst nach Wochen erfahren wir eher beiläufig - die australische Krankenschwester, die Kajul täglich Injektionen gibt, inbegriffen - dass Kajul HIV-positiv ist
...
Fünf Entlassungen erlebe ich in den nächsten Wochen. Aber wohin humpeln und kriechen und rutschen die Frauen mit ihren kahl geschorenen Köpfen, halb gelähmt, ohne Familie, ohne Zuhause, ohne Ausbildung, ohne einen Pfennig Geld? "Wir brauchen die Betten", sagt die stets lächelnde Chefnonne Georgina. "Wenn sie dann wieder krank auf der Straße gefunden werden, kommen sie zurück."
...
Ich habe es aufgegeben, Neuerungsvorschläge zu machen, etwa für Namensschilder statt Nummern über dem Bett oder eine Patientenkartei mit Fotos, sodass es nicht mehr wie bislang zu fatalen Verwechslungen kommt. Diese Idee hätten schon viele gehabt, ist die lapidare Antwort. Macht sie das schon wertlos? Es gibt keine Änderungen, fertig. Der Praktikant fügt sich, oder er geht. Wann immer ich meine Skrupel mit anderen teilen will, verstummen sie. Immer öfter dreht sich mir der Magen um, zum Beispiel wenn Gummihandschuhe "recycelt" werden. Ich kaufe eine eigene Schürze, die ich täglich im Hotel wasche und trockne. Ich kaufe abgepackte Gummihandschuhe. Kaufe ein Taschenmesser und mache es mir zur Gewohnheit, Handschuhe und Mundschutz nach Benutzung zu zerschneiden. Ich kaufe Öl, mit dem ich die Patientinnen massiere. Ich wasche und desinfiziere meine Hände ständig. Mehr geht nicht. Oft sind nicht genug Handtücher, Laken, Decken, Windeln da. Waschlappen gibt's nur vier für über vierzig Frauen. Man darf nicht zimperlich sein im Kalighat.
"Teresa, wo sind deine Millionen?", fragte einst der Stern. Ich frag michdas langsam auch, zumal täglich dicke Amis dicke Spendenschecks abgeben. Wo fließen die Spenden hin?
usw.
sorry, da hab ich weder ehrfurcht noch besonderen respekt
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)

