07-07-2010, 11:06
Zitat:25-06-2010, 23:17 Beitrag: #309
Ekkard
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RE: Christianentum
Hallo Volker,
kleine Anmerkung:
ich will Gott gar nicht "begreifen", weil ich dies für ein unmögliches Unterfangen halte. Das wäre so unmöglich, wie die Motiver aller Menschen und aller Tiere, ja die Entwicklung der ganzen Biospäre "begreifen" zu wollen. Es geht doch viel schlichter darum, unter dem übergreifenden Konzept eines Heiligen die sozialen Angelegenheiten unserer Spezies überzeugend zu regeln.
Das "Heilige" kann eine vernunftbetonte Philosophie ("Wertekanon") sein oder eine Tradition mit eingeschliffenen Mythen, die implizit sagen, was das Rechte ist.
In der Sache (369) postulierst du die Gewissensentscheidung im Einzelfall. Das bedeutet einmal mehr, die Abkehr von allgemeinen Regeln in Grenzfällen des Lebens. Im Grunde ist dies eine Frage, die nicht nur das Christianentum betrifft, sondern die notwendige Kritik an der staatlichen Regelungswut, die meint, jedes Risiko (des Mordens) ausschließen zu können. Hier geht es nicht um Gott sondern um den Staat!
Lieber Ekkard,
zunächst danke, daß Du mir geantwortet hast.
Du schreibst, daß Du Gott gar nicht begreifen willst, weil Du das für ein unmögliches Unterfangen hälst.
Auch ich habe die größten Zweifel, daß ich Gott je begreifen kann, aber ich versuche es doch wenigstens.
Ja, ich bin sogar dicht bei Dir, indem ich empfinde, daß unser menschenzentriertes Denken Schloß und Riegel für unseren Hochmut ist, Gott begreifen zu wollen.
Eine Biene ist entsetzt, daß ein Bär ihr Haus zerstört, nur um süßen Honig schlecken zu können. Sie kann das nicht "begreifen". Diese Biene, das bin ich, hoffnungslos gefangen in meinem Bienendasein, aber doch bewehrt mit einem Stachel, der das Phänomen unseres Daseins aufspießen, erklären, begreifen will.
Wenn es so unmöglich wäre, Gott zu begreifen, warum hat er denn dieses unwiderstehliche Verlangen in mich gesenkt ?
Warum soll die Unmöglichkeit, die Motive aller Wesen der Natur zu begreifen, ein Argument gegen mein Verlangen sein ? Ich will doch nur die Motive eines einzelnen Wesens begreifen und ertasten, das ich am besten zu kennen glaube, nämlich mich.
Dein nächster Satz macht mich ratlos. Du sagst, es geht darum, unter dem übergreifenden Konzept eines Heiligen, die sozialen Angelegenheiten unserer Spezies überzeugend zu regeln.
So habe ich das noch nie gesehen. Vor allem weiß ich nicht, was ein Heiliger ist. Jesus ? Ein Jahrtausendgenie, gewiß, aber sonst ein Mensch, wie wir alle, wie Du und ich.
Was ist ein übergreifendes Konzept ?
Wenn Du damit das Weltethos von Prof. Hans Küng meinst, habe ich Dich verstanden.
Die sozialen Angelegenheiten unserer Spezies ? Das Wort Angelegenheit zieht mir die Schuhe aus. Wenn es um Leben und Tod geht (These 369) , dann ist das Wort Angelegenheit am falschen Platz.
Was heißt, wir regeln die sozialen Angelegenheiten unserer Spezies ? Kann man das übersetzen mit, wir rotten jeden Tag mehrere Dutzend gottgegebene Spezies der Natur aus ?
Was ist eine vernunftbetonte Philosophie ? Diese neuste Erfindung Gottes, kaum Hunderttausend Jahre alt, die wir Verstand, Ratio oder Vernunft nennen, jagt mir Angst ein, weil sie sich hochmütig über des Millionen Jahre alte Gefühl rechthaberisch erhebt.
Was heißt eine Tradition eingeschliffener Mythen, die sagen, was das Rechte ist ?
Tradition ? Eingeschliffen ? Mythen ? Das Rechte ? Das Rechte wovon ?
Das rechte Gesetz, daß die These 369 soeben als untauglich verworfen hat ?
Die Abkehr von staatlicher Regelungswut , ja , da stimme ich Dir voll zu. Aber da geht es Deiner Meinung nach nicht um Gott, sondern um den Staat.
Aslo doch, liebe Religion, husch ins Ghetto.
Wie will man das eigentlich trennen, Staat und Religion ? Der Begriff Staat genauso nebelhaft, die der Begriff Religion. Der angeblich so vernunfbegabte Verstand operiert hier mit Begriffen, die er nicht versteht, nicht verstehen kann, weil er das Gefühl ausgeschaltet hat.
Nein, ich bleibe dabei, die Zeit , in der der Religion ein Ghetto zugewiesen wurde, ist vorbei.
Trotzdem danke.
Gruß Volker