27-06-2010, 05:44
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 27-06-2010, 06:13 von Hikikomori.)
(26-06-2010, 22:18)indymaya schrieb:(25-06-2010, 20:02)Hikikomori schrieb: Ich selbst stehe hier auf zwei Seiten, einerseits halte ich von Führerfiguren wenig, selbst wenn es sich nicht um Persönlichkeiten sondern um Konzepte handelt, eine Mitgliedschaft in einer Partei ist für mich beispielsweise undenkbar, und ich nehme keine Befehle entgegen, höchstens Bitten. Mir etwas zu befehlen ist der einfachste Weg mich zum Nachdenken zu bringen und die Gefahr daß ich im Zweifel erst einmal auf stur schalte ist recht hoch, weshalb eine Karriere beim Militär für mich ebenso undenkbar ist.
Meine Zeit beim Wehrdienst, den ich absolvieren mußte weil der Zivildienst zu lange gedauert hätte und das finanziell schwierig geworden wäre, habe ich gehasst, Aber beobachten kann man es auch heute noch, die Neigung sich Führerpersönlichkeiten unterzuordnen und dann einfach mitzuschwimmen ist mit den Nazis nicht untergegangen, die gibt es meiner Ansicht auch heute noch.
Das hätte ich gerne gesehen, wenn der Kompaniechef brüllt:"Stillgestanden!" und Du dann sagst :"Erst bitte bitte sagen!"
Aus finanziellen Gründen werden viele zum potenziellen Mörder und viele zum Mörder. So verstehe ich auch, das Du das "du sollst nicht töten" nich für den relevantesten Teil des Gebotes der Nächstenliebe hälst.
Dieses Gebot war "monchalant", als man im 3. Reich aus Nächstenliebe den Wehrdienst verweigerte und dafür hingerichtet wurde.
Aber das ordnest Du ja "salopp" anders ein.
Aus dieser Gesinnung heraus, kommt auch sicher der Vergleich Jesu mit einem kommunistischen Spion.
Interessant, ich lehne Deine Argumentation ab, und Du wirst persönlich und stellst mich kurzerhand in eine (moralische) Reihe mit (den allesamt doch moralisch zutiefst verachtenswerten) Mitläufern im 3ten Reich und stilisierst Dich selbst oder zumindest die amorphe Gruppe der "Gläubigen" als moralisch gleichwertig mit (allesamt tapferen und aufrechten) Menschen die ihr Leben gaben als sie sich Hitlers Willen widersetzten, natürlich allein um der Nächstenliebe willen.
Das läßt tief blicken, und da sieht es bei den wenigsten Menschen besonders blütenweiß aus, da bilde ich keine Ausnahme und Du auch nicht wie es scheint. Zumindest bin ich mir aber dessen bewußt.
Nun, sehen wir uns Deine Ansichten, oder besser Deine Postulate und Beleidigungsversuche mal aus der Nähe an, in Farbe und nicht in Schwarz-Weiß.
Zuerst zum halbseidenen Vorwurf, ich wäre durch meine Entscheidung zum Wehrdienst moralisch minderwertig, vor allem durch die finanzielle Motivation zum potenziellen Mörder geworden.
Zuvörderst, man kann nicht zum potenziellen Mörder werden, entweder man ist ein Mörder oder man ist ein potenzieller Mörder.
Richtig, auch Du bist streng betrachtet ein potenzieller Mörder, jeder Mensch ist das. Das bedeutet das Wort "potenziell" in diesem Kontext, im Bereich des Möglichen liegend, aber noch nicht geschehen.
Die wenigsten werden je zum wirklichen Straftäter, sei es weil die Motivation fehlt, ihr Charakter stark genug ist um trotz einem starken Motiv, zum Beispiel der Verlust eines nahen Angehörigen durch ein absichtliche oder grob fahrlässige Tat eines Dritten oder eine unmittelbare Lebensgefahr für sich oder einem nahestehende Personen, nicht zu töten. Ich würde zwar jemanden der aus Notwehr oder Nothilfe heraus jemanden tötet nicht als Mörder bezeichnen, aber ich kann mir vorstellen daß man das durchaus auch anders sehen kann, vor allem wenn man gerne einfachen Regeln folgt anstatt selbst zu denken und zu akzeptieren daß es nicht nur richtig und falsch, gut und böse gibt.
Insofern halte ich Deinen implizierten Vorwurf, jeder Mensch der, zumal aus finanziellen Motiven, den Wehrdienst ableistet sei schon ein halber Mörder und damit verachtenswert für leichtfertig abwertend gegenüber vielen Menschen, anmaßend und zudem sogar schlicht falsch.
Ich hätte in der Tat jeden Befehl auf einen Menschen zu schießen, ohne unmittelbare Gefahr für mein eigenes Leben oder das anderer, verweigert.
Und damit wäre ich wohl nicht ganz alleine gewesen wenn ich mir in Erinnerung rufe wievielen extrem unwohl dabei war eine gelade Waffe zu tragen. Ich habe mit meinen Kameraden viele Gespräche geführt, zumal als wir an der Grenze eingesetzt waren und mit voll geladenem Magazin illegale Einwanderer aufgreifen sollten. Viele hielten die Waffe für unnötig, eher gefährlich für uns als für sonst jemandem, weil kaum einer es fertig gebracht hätte zu schießen, selbst wenn ein unbewaffneter Einwanderer wahnsinnig genug gewesen wäre uns gegenüber ernsthaft handgreiflich zu werden.
Es ist zwar noch schwerer zu sagen was andere tun und nicht tun würden wenn dies und das geschieht als das bei einem selbst schon der Fall ist, aber ich wage einfach mal zu behaupten daß nahezu jeder Wehrdienstleistende einen unzulässigen Schießbefehl ohne Not verweigert hätte. Auch wenn manches Gehorsamkeitsexperiment einem da zu denken gibt.
Es ist einfach von Anfang an klar daß der Militärdienst hierzulande nichts weiter bedeutet als eine tierisch nervtötende und idiotische Sportwoche mit jeder Menge Waffenspazierentragen im Freien, die zudem noch ein paar Wochen zuviel dauert. Mehr ist es im Prinzip nicht, und aus der Entscheidung für oder wider diesen Ringelpietz im Freien mit Brüllaffenkulisse moralische Implikationen zu ziehen finde ich äußerst gewagt. Zudem sind einen Befehl zu geben und einen zu erhalten zwei paar Schuhe. Ein gegebener Befehl muß vom Empfänger erst einmal als absolut zwingend und unabdingbar zu befolgen verstanden werden, ansonsten ist es ähnlich wie einem Hund nachdem er sich gesetzt hat "Sitz" zu befehlen. Wie stark die Befehlsgewalt über jemanden ist zeigt sich aber erst dann wenn etwas befohlen wird bei dem der Empfänger des Befehls einen sehr hohen Grad an Widerwillen empfindet. Und dazu braucht man schon einen echten Krieg, dann erst würde die Werte jedes einzelnen und die Befehlsgewalt die ein geringeschätzter Kommandant wirklich über seine fast allesamt 18jährigen Grundwehrdiener hat zeigen, zumal dann auch die potentiellen Strafen die auf direkte oder indirekte Verweigerung von Befehlen ausgesprochen werden können ernstzunehmende Dimensionen annehmen. Vorher lehnt sich ein unzumutbar empfunderer Befehl beim Wehrdienst genauso leicht ab wie ein ebensolcher bei der Arbeit. Wenn der Chef da etwas absurdes und als verachtenswert empfundenes verlangt oder sonst etwas was man absolut nicht tun will verweigert man sich auch und akzeptiert die Konsequenzen als das kleinere Übel.
Ich war weiterhin schon 23 oder 24 als ich meinen Wehrdienst ableistete und habe Grundkenntnisse in Psychologie, und war damit wenig beeinflußbar oder beeindruckbar durch die Vorgehensweise mit der man von Seiten von Vorgesetzten konfrontiert wird. Gruppenstrafen, der plötzliche Wechsel in der Tonart(anfangs sind sie noch sehr freundlich, nach ca. 2 Wochen machen sie einen Tag aus ab dem plötzlich rumgebrüllt wird), Exerzierübungen, undundund.
All das und mehr sind lächerlich durchsichtige Versuche, selbst für die meisten 18jährigen ohne Interesse in der psychologischen Seite des Militärs. Ich kann Dir versichern, die meisten haben die Vorgesetzten belächelt und bei jeder Demonstration ihrer oft frappierenden Unzulänglichkeiten geringer und geringer geschätzt. Von Kadavergehorsam wie im 3ten Reich sind heutige Wehrdienstleistende zumindest hierzulande Lichtjahre entfernt, was Du wissen würdest wenn Du durch eigene Erfahrung Ahnung davon hättest wovon Du sprichst anstatt persönliche Ressentiments zu pflegen.
Was das achso eigennützige Motiv Mammon angeht, ich hatte damals und habe noch eine psychisch kranke Mutter die ich versorgen muß(daher auch mein Interesse an Psychologie und Psychiatrie). Ich selbst habe kein Interesse an Geld, mein PC stellt so ziemlich das Teuerste dar das ich besitze, ich habe weder ein Auto noch besitze ich eine eigene Wohnung oder gar Haus. Ich brauche sehr wenig, ich lese gern, darüber hinaus bin ich ein sehr genügsamer Mensch ohne den Ehrgeiz oder das Bedürfniss nach besonderem Luxus. Etwas das meiner Erfahrung nach viel mehr Menschen zu eigen ist als man glauben möchte wenn man sich unsere konsumorientierte Gesellschaft aus der Ferne ansieht. Insofern ringt mir Dein, nennen wir es höflicherweise "unterschwelliger" Vorwurf der moralischen Käuflichkeit und Minderwertigkeit gerade mal ein müdes Grinsen ab.
Man sollte vorsichtig damit sein Menschen aus der Ferne zu beurteilen, zumal in einem Internetforum in dem man sich ohne Schwierigkeiten so geben kann wie man gerne gesehen werden möchte(warum auch immer das erstrebenswert sein soll).
Es ist ausserdem nicht wirklich klug jemandem moralische Abgründe vorzuwerfen während man ihn mit Dreck bewirft, das hat ein bißchen den Ruch von Heuchelei. Es werden immer beide dreckig, vor allem dann wenn man glaubt auf dem hohen Ross erwischen einen die Spritzer nicht.
Und zuletzt, ja, den Wehrdienst im 3ten Reich zu verweigern ist selbst ohne Ansicht der Person und der grundlegenden Motivation zuallererst einmal etwas äusserst bewundernswertes. Allerdings wäre ich vorsichtig jeden Wehrdienstverweigerer gleich in den Rang eines (kleinen) Heiligen der Nächstenliebe zu erheben, oder jeden der damals in der Wehrmacht Dienst tat zum Verbrecher und moralisch Entarteten.
Einerseits bin ich überheblich genug um so bescheiden zu sein und mir kein generelles, und oft nicht einmal ein spezielles Urteil anzumaßen. Ich wage nicht mich hinzustellen und mir sicher zu sein wie ich damals, sei es hypothetisch so wie ich jetzt bin zurückversetzt in diese Zeit oder gar aufgewachsen in der damaligen Zeit reagiert hätte. Es ist allzu leicht sich die Sicherheit die unsere heutige Zeit, zumindest in weiten Teilen Europas, bietet zum Anlaß zu nehmen und sich moralisch überlegen zu fühlen, sich sicher zu sein wie man sich verhalten und wer man wohl gewesen oder geworden wäre unter dem Einfluß dieser Zeit.
Aber eines ist sicher, die implizierte Behauptung Deinerseits, jeder der damals den Dienst an der Waffe verweigerte und dafür Gefahr für sein Leben in Kauf nahm hätte dies aus Nächstenliebe getan ist genauso absurd wie die Vorstellung jeder Deutsche wäre im 2ten Weltkrieg zum Monster mutiert. Es gab sicher Menschen für die im Vordergrund stand daß sie niemandem ein Leid antun wollten, zumal Hitlers Wehrmacht ja seit 1939 einen Angriffskrieg nach dem anderen führte und nicht nur eine Verteidigungsstreitmacht im eigenen Land war wie viele heutige Armeen in Europa. Aber in der Tat dürften nicht wenige Menschen die damals den Wehrdienst verweigerten, vor allem Zeugen Jehovas und ähnliche fanatische Gläubige, dies nicht zuletzt auch aus eigennützigen Motiven getan haben. Schließlich stand nach ihrem Glauben ihr Seelenheil und ihr Platz im Jenseits auf dem Spiel, für jemanden der das Leben "danach" als ungleich wichtiger weil ewig einschätzt ein nicht zu unterschätzendes und sehr egoistisches Motiv. Das macht die Entscheidung zwar nicht wertlos, schon allein da kein Mensch und fast keine menschliche Entscheidung aus reinem Altruismus getroffen wird, aber mindert den moralischen Heiligenschein den Du diesen Menschen einfach generell zugestehst doch erheblich in meinen Augen.
Wieviele Menschen haben nicht aus finanziellen Motiven gemordet sondern aus Selbstgerechtigkeit heraus, dem Glauben an die eigene moralische, geistige, ethnische oder religiöse Überlegenheit die einem das Recht dazu gäbe. Und wie oft sie als Katalysator und Deckmäntelchen für niedere Motive wie Habsucht diente.
Wie ich das sehe ist Dein, hauptsächlich herabwürdigend persönlicher Beitrag nicht dazu geeignet Deinen Standpunkt nicht zu töten wäre das wichtigste am Konzept der Nächstenliebe zu untermauern. Es unterstreicht eher auf welches der beiden Worte Du selbst die Emphasis bei Nächstenliebe zu legen scheinst, nämlich auf das erste. Aber keine Sorge, das ist nur allzu menschlich und liegt die ganze Jahreszeit über im Trend.
Wenn Du es noch einmal versuchen und mir ohne persönliches Blendfeuer erklären möchtest wieso nicht zu töten das allerwichtigste an Nächstenliebe ist anstatt das absolute Minimum, bitte. Ich würde gerne eine vernünftige und stringentere Argumentation lesen die mir verdeutlicht wieso Deine Ansicht richtig sein soll und meine falsch.
Oder wir fahren mit der Schlammschlacht von hohen Rössern fort und Du legst Dir meine von Deiner Ansicht abweichende Meinung als Resultat meiner moralischen Minderwertigkeit zurecht anstatt sie auf mangelnde Argumentation zurückzuführen oder gar einen möglichen Irrtum Deinerseits in Betracht zu ziehen. Ganz davon zu schweigen sie einfach als gleichberechtigte aber eben fremde Meinung zu akzeptieren.
Wie Du möchtest.

