(22-06-2010, 16:02)WiTaimre schrieb: Paulus spricht auf der letzten Reise der Missions-Reisen davon, dass er diesmal sein Nazirat in Jerusalem abschliessen will und tut es auch diesmal in Jerusalem.
Hallo WiT,
mit dieser Interpretation der Texte stehst Du nicht alleine.
Das Argument, es müsse so gewesen sein, weil es das Gesetz so verlangt, wird in diesem Zusammenhang oft verwendet.
Soviel ich weiß ist in den Texten des NTs nur dreimal vom "Nazirat" die Rede. Einmal - wenn man es so sehen will - indirekt in Lk 1,15 und zweimal in Apg 18,18 und 21,23.
Das Nasiräergesetz (Num 6, 1-21) bestimmt, dass das Ende des Gelübdes mit dem Scheren des Haupts am Eingang des Zeltes der Begegnung verbunden ist. Darüber hinaus hatten Opferhandlungen zu erfolgen, die nicht unerheblich ins Geld gingen.
In der Zeit des Tempels stand dieser für das Zelt der Begegnung. Wäre das Gesetz beachtet worden, hätte sich Paulus, um sein Gelübde zu beenden, nach Jerusalem begeben müssen.
So weit, so unklar.
Denn über Paulus erfährt man nur, dass er ein Gelübde hatte und sich sein Haupt in Kenchreä scheren ließ (Apg 18,18).
In Apg 21,23f. wird dann mitgeteilt, dass ihm in Jerusalem aufgetragen wurde, er möge die Opferkosten für vier Männer, die ein Gelübde getan hatten, tragen, damit sich diese das Haupt scheren lassen (können). Findige Exegeten meinen, Paulus hätte seine Opfer, die in Kenchreä fällig gewesen wären, bei dieser Gelegenheit im Jerusalemer Tempel nacherbracht.
Interessant ist, dass in den von Paulus verfassten Texten, von dem allem nichts steht. Entweder hat er sein Gelübde (und das Gelübde jener, für deren Opferkosten er aufzukommen hatte) für nicht wichtig genug genommen, um darüber zu berichten (was unwahrscheinlich ist), oder die Story ist von Lukas erfunden worden, um Paulus für Judenchristen in ein besseres Licht zu rücken (was ich für eher zutreffend halte).
MfG B.