15-06-2010, 13:54
(15-06-2010, 12:43)franzi schrieb: Ich kenne die Rolle der Kirche während des 3. Reichs.
Aber ich habe Schwierigkeiten die Bedeutung des Widerstandes für die Kirche heute herauszufinden
die dürfte wohl für verschiedene kirchen unterschiedlich sein
die protestanten sind einerseits stolz auf ihre "bekennende kirche", andererseits voll der scham über ihre "deutschen christen". die rolle des protestantismus im dritten reich ist also eher eine der extreme - hie totales mitläufertum, da entschlossener widerstand. sie gibt also raum sowohl für identifikation wie auch verantwortung aus der erinnerung im sinne eines "nie wieder!"
die katholiken heute neigen aus meiner sicht dazu, einzelne katholische widerständler (die damals nicht gerade von der organisierten rkk unterstützt wurden) heute für die kirche als gesamtes zu vereinnahmen und so nachträglich ein positiveres image zu beanspruchen, als es den fakten angemessen wäre
so wird etwa auch edith stein als katholische märtyrerin vereinnahmt, obwohl der grund für ihren tod im kz nicht in ihrem rk glauben, sondern ihrer ethnisch-jüdischen abstammung lag (auch wenn manche den grund für die härte der nazis gegenüber getauften juden der "provokation" durch einen niederländischen hirtenbrief gegen die judenverfolgung zuschreiben)
franz jägerstätter, mein 1943 wegen wehrdienstverweigerung hingerichteter und 2007 selig gesprochener engerer landsmann, wurde noch 1946 vom österreichischen klerus als gegensatz zu den "helden, die für volk und vaterland gekämpft haben", dargestellt. hirtenbrief des trierer bischofs bornewasser von1947(!): „Vaterlandsliebe bedeutet Treue. Wer die Treue bricht, ist ein Verräter.“
für die pazifistische identität der zeugen jehovas spielt sicher das schicksal der in den kzs umgekommenen "bibelforscher" eine wichtige rolle
aus meiner persönlichen sicht wird der widerstand der kirchen im dritten reich meist eher verklärt bzw. bedeutender dargestellt, als er damals wirklich ausfiel. nicht selten werden einzelpersonen, die damals durchaus nicht den beifall der kirchen fanden, heute gerne für die kirche vereinnahmt
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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