01-05-2010, 01:46 
		
	
	Zitat:26-04-2010, 12:28 Beitrag: #276
Romero
hellenistisch Denkender
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Registriert seit: Jul 2009
RE: Christianentum
Auch wenn ich deine These nicht ganz verstehe, finde ich doch, dass sie für meinen Geschmack "besser" Formuliert ist, als vorher.
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"Wie? ist der Mensch nur ein Fehlgriff Gottes? Oder Gott nur ein Fehlgriff des Menschen?" - Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung
Lieber Romero,
danke, daß Du mir durch Deine Kritik geholfen hast, die Formulierung aller, ich sage aller christianischen Thesen zu verbessern.
Nun zu der These 363. Du sagst, daß Du sie nicht ganz verstehst. Würdest Du es komisch finden, wenn ich Dir sagte, daß auch ich sie nicht ganz verstehe ? These 363 ist eine gefühlte These, die sich mein Verstand erst mühsam erarbeiten muß. Glaubst Du mir, wenn ich sage, nirgends wird so viel gelogen, wie in der Beziehung zwischen Mann und Frau ? Dahinter muß nicht eine böse Absicht stecken, sondern vielleicht Selbstschutz oder gar Liebe oder vielleicht auch Mitleid. Richard David Precht sagte einmal, eine Frau hätte ihm gesagt, daß ihr Mann der festen Überzeugung ist, daß sie ihn liebe. "Aber schauen sie nur, wie hilflos und verloren er da steht, ich kann gar nicht anders, als ihn in diesem Glauben zu lassen." Sicher nicht die schlechteste Variante einer Liebe.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß zwischen Mann und Frau Welten liegen, die zu überbrücken unendlich schwer ist, was uns nicht daran hindert, es leicht zu nehmen. Ebenso tief bin ich davon überzeugt, daß zwischen Sexualität und Verstand Welten liegen, die einander berühren, aber nicht ergründen können. Die Sexualität ist ein Urerlebnis aus den fernsten Tagen unserer Evolution, unser Verstand ein kürzlich gefundenes Instrument der Selbstanalyse der Natur.
Für mich ist es ein Wunder, daß der Verstand es überhaupt fertig bringt, etwas über Gefühle und Sexualität auszusagen. Wer sagt, daß in der Sexualität Wahrheit und Lüge glasklar unterschieden werden können, hat wenig Ahnung vom Leben. Die These 363 hat nichts mit sexuellem Mißbrauch zu tun, das Thema wurde bereits in der These 362 angesprochen.
Nimm doch einfach den Fall, daß zwei Menschen sich kennen lernen, sich zueinander hingezogen fühlen. Willst Du behaupten, es wäre glasklar, wer wen zu sich zieht, wer wen verführt ? Genau das meint die These 363 mit dem hauchdünnen durchsichtigen Schleier, der an den beteiligten Körpern klebt. Wenn diese seelische und körperliche Liebe, oh Wunder, in einer Ehe endet und diese Ehe nicht wie bei über 60 Prozent der Ehen vor dem Scheidungsrichter endet, dann brauchen wir die erfahrenen professionellen Fachleute nicht, die uns erklären können, warum wir bei der schönsten und natürlichsten Sache der Welt gescheitert sind.
Wie armselig ist eine Religion, in der dieses Thema nicht ausführlich und professionell behandelt wird. Und nicht vergessen, wie arm fühlt sich das Christianentum, daß es die, in dieser Sache nur bedingt fähige Sprache bemühen muß, um gefühlte Wahrheiten zu erklären.
Die Zeit, in der der Religion ein Ghetto zugewiesen wird, ist vorbei.
Volker

