Witch of Hope schrieb:… und bei manchen Stämmen auch in Form von Polyandrie (eine Frau heiratet mehrere Männer). (aus: ://www.huda.de/zeitschrift/aktuelleausgaben/50121195ea0714501.html
Eine solche Behauptung kann man bestenfalls als Verkürzung des tatsächlichen Sachverhalts bewerten:
Es gab der arabischen Gesellschaft vorislamischer Zeit keine Form ehelichen Zusammenlebens, die die Bezeichnung "Polyandrie" rechtfertigen würde.
Was jenen, die solches behaupten, offenbar vor Augen gewesen war, ist der Umstand, dass es in der vorislamisch-arabischen Stammesgesellschaft eine eigenartige Form befristeten eheähnlichen Zusammenlebens gegeben hat, an das die Zeitehe des zwölferschiitischen Gesellschaftsrechts heute noch erinnert.
Nicht jeder heiratswillige Mann konnte in den "Besitz" einer Frau gelangen. In der Regel musste er sich an einen männlichen Verwandten der Auserwählten wenden und den Preis (al-mahr) aushandeln. Der Kaufpreis fiel nicht der Braut zu, sondern der Sippe, von der sie veräußert wurde.
Daneben konnten Ehefrauen auch noch auf Raubzügen gewonnen werden.
Der Status der Ehefrau unterschied sich in der Regel kaum von dem einer Sklavin. Die Frau war Teil des Eigentums des Mannes geworden. Der einzige Unterschied zu einer Sklavin bestand darin, dass die Ehefrau nicht weiterverkauft werden durfte.
Die zweite Form des legalen Zusammenlebens von Mann und Frau war die des "gekauften Geschlechtsverkehrs". In einem solchen Fall wurde von der Sippe der Frau mit dem Bewerber ein zeitbegrenztes Zusammenleben ausgehandelt. Der "Mietpreis" (aș-șadāq) dürfte Eigentum der Frau gewesen sein. Die Frau verblieb aber in ihrer Sippengemeinschaft. Beim gekauften Geschlechtsverkehr behielt die Frau (oder besser gesagt: die Sippe der Frau) dem "Ehemann auf Zeit" gegenüber die überlegene Position. Sie (bzw. die Sippe der Frau) konnte die Beziehung beenden, wenn sie wollte.
Es gab offenbar auch starke Frauenpersönlichkeiten, die sich die Männer, denen sie sich hingeben wollten, selbst aussuchten und fallweise auch mehrere Beziehungen zu Männern gleichzeitig unterhielten.
Solche gesellschaftliche Ausnahmeerscheinungen können für die Behauptung, in vorislamischer Zeit wäre in manchen Stämmen Polyandrie die Regel gewesen, als Beleg nicht dienen.
Übrigens:
Auch die Ehe von Mohammed mit Khadidja dürfte vom beschriebenen Typus gewesen sein. Auch sie dürfte offensichtlich das Recht beansprucht haben, über ihre Beziehung selbst zu entscheiden.
Quelle:
William Robertson Smith: Kinship and Marriage in Early Arabia
MfG B.

