05-02-2010, 18:26
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05-02-2010, 18:41 von Hikikomori.)
(05-02-2010, 14:28)Gundi schrieb: Hallo Hikikomori,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich werde mal versuchen einige Punkte aufzugreifen.
Du verweist auf die unterschiedlichen Fragen "Warum sind wir spirituell?" und "Gibt es einen Gott?". Genau hier sehe ich das eigentliche Problem Feuerbachs. Die Frage ob es einen Gott gibt wird von ihm eigentlich gar nicht gestellt. Er geht von seiner Nichtexistenz aus um darauf aufbauend zu fragen "Warum schaffen wir uns einen Gott?". Ich denke wenn wir von der Nichtexistenz Gottes ausgehen, sind diese Überlegungen durchaus sinnvoll. Würden wir aber von der Existenz Gottes ausgehen wären sie seltsam.
Du meinst Feuerbach rennt bei dir offene Türen ein, dass der Mensch dem Menschen selbst näher sein sollte Gott. Wenn ich mir aber unsere Welt anschaue habe ich nicht das Gefühl dass Atheisten menschlicher wären oder ein besseres Verhältnis zu anderen Menschen hätten. Aber sehr häufig kann ich sehen, dass Menschen aus religiösen Motiven heraus sich für andere aufopfern und dem Menschen viel näher sind als andere (bestes Beispiel Mutter Theresa) Natürlich ist das auch bei Atheisten der Fall. Ich denke daher Feuerbach geht bei dieser Überlegung zu einseitig vor. Religion kann den Menschen vom Menschen entzweien, sie kann ihn aber auch erst zu den Menschen führen.
Den Punkt dass der Mensch sich Gott schafft um sein eigenes Leid zu überwinden finde ich durchaus nachvollziehbar. Aber ich sehe das eigentlich so wie du dass das nicht auf alle Menschen zutrifft. Das viele Menschen trotz Leid keinen Gott brauchen und viele sich sogar durch ihr Leid von Gott abwenden.
Wenn ich dich richtig verstanden habe kannst du dir gut vorstellen, dass Gott aus der Sehnsucht der Menschen projeziert wurde. Auch ich halte diese Überlegung für sinnvoll, aber auch die der Theologen, dass die Sehnsuch des Menschen nach Gott durch deren Erschaffung zu Gott hin erklärbar sei. Hat denn nicht jeder Mensch einmal in seinem Leben den Sehnsuch nach etwas höherem, etwas dass ihn beschüzt, dem er sich ganz anvertrauen kann?
Petronius hat es bereits formuliert, aber lass es mich ebenfalls versuchen da ich fürchte daß der entscheidende Punkt von Dir nicht ganz verstanden wurde.
Ohne jetzt behaupten zu wollen daß Feuerbach für sich selbst nicht sehr wohl die Frage "Gott: Ja oder Nein?" beantwortet hat hat sie, zumindest soweit ich das aus Deiner Zusammenfassung ersehen kann, nicht das geringste mit der von ihm vorgebrachten These zu tun. Nur oberflächlich betrachtet ist das so, und nur von einem spirituell nach Erkenntnis sehnendem Standpunkt kann man das als ein Problem betrachten.
Es ist nicht das "...eigentliche Problem Feuerbachs. Die Frage ob es einen Gott gibt wird von ihm eigentlich gar nicht gestellt.[...]"
Es wäre in der Tat ein erkenntnistheoretisch-philosophischer Lapsus diese Frage zu stellen, ein Fehler den er vermeidet. Es wäre ein Problem wenn er überhaupt versuchen würde diese Frage zu beantworten. Deshalb sagte ich ja, die Frage "Gott: Ja oder Nein?" ist völlig unerheblich weil nicht beantwortbar, die Frage "Wieso sind wir spirituell und stellen uns eine solche Frage überhaupt?" ist sehr wohl beantwortbar, oder zumindest theoretisch beantwortbar ohne sich schon prinzipiell aus einer erkenntnistheoretischen Perspektive lächerlich zu machen bevor man überhaupt angefangen hat.
Hier liegt ein erkenntnistheoretisches Problem vor das viele Menschen, sowohl Gläubige wie auch Atheisten, nicht zu erkennen vermögen. Unser Hausverstand, von dem ich im übrigen nicht viel halte, beantwortet eine gestellte Frage, auch wenn sie nicht beweisbar, ja nicht einmal belegbar ist gern nach indirekten Indizien und Wahrscheinlichkeiten, und stellt damit in diesem Fall eine Arbeitshypothese für ein nichtfalsifizierbares Postulat auf. Insofern ist es für die Gläubigen auch ein Dilemma, man kann zwar sagen "Gott existiert!" oder "Gott existiert nicht!", aber man kann weder das eine noch das andere beweisen. Was man aber sehr wohl tun kann ist in jedem "Gott existiert, weil..." das "weil" und das darauf folgende anzugreifen. Sowohl die Begründung selbst als auch schon die reine Möglichkeit einer Begründung kann erkenntnistheoretisch angegriffen werden.
So geschehen bei den unterschiedlichen Gottesbeweisen, bei dem Gefühl oder besser der Ahnung die von Kreationisten so oft bemüht wird daß die Natur zu schön sei als daß sie zufällig entstanden sein könnte. Undundund...
Die Wissenschaft und die Logik sind hier in der Lage für die Begründungen immer alternative Erklärungen oder zumindest in der Realität verwurzelte Erklärungsansätze zu bieten. Dabei wird aber nicht Gott belegt oder widerlegt, lediglich die scheinbaren Belege für seine Existenz die von Gläubigen vorgebracht werden werden widerlegt.
Mal mehr(Evolutionsbiologie), mal weniger schlüssig.(Paradoxon der Allmacht, der ersten Ursache, alternative Erklärungen für das Sehnen nach Gott, usw.)
Der Gläubige ist hierbei immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen, und damit konfrontiert das Gott unwahrscheinlicher geworden ist, falls seine Existenz für ihn auch auf Indizien beruhte die sich als Scheinargumente, Strohmänner oder als nur dem "gesunden Menschenverstand" vordergründig logisch und nachvollziehbare Argumente entpuppt haben.
Die meisten Atheisten haben dieses Problem nicht in diesem Ausmaß, da man für sich selbst entschieden hat daß Gottes Wahrscheinlichkeit so gering ist daß man es einerseits ablehnt darüber überhaupt "ernsthaft" zu diskutieren, es sei denn um eines Prüfsteins für die Argumente und des Verstandes wegen, und man andererseits weiß das man es nie wird beweisen oder zweifelsfrei widerlegen wird können und daher völlig vernachlässigbar ist. Das ist was petronius mit den "unsichtbaren rosa Elephanten" und der Unterscheidung zwischen Gottesbild und Gott unter anderem auszudrücken versucht.
Der Realität ausserhalb unserer Wahrnehmung ist Gott wurscht. Der Wissenschaft ist Gott wurscht. Der Logik ist Gott nur ein erkenntnistheoretisches Paradoxon unter vielen. Nur unserer Sehnsucht ist er nicht egal. Würde er es würde er tatsächlich aufhören zu "existieren".
Zur Frage der Moral war petronuis ebenfalls schon aktiv, ich sehe das wie er. Nicht was man tut bestimmt ob man moralisch ist oder nicht, warum man es tut ist wichtig für diese Einteilung. Dabei sollte man aber nicht vergessen daß zwar "Weil ich Leid lindern/verhindern möchte." eine moralischere Motivation ist als "Weil Gott es befiehlt/gern sieht.", aber auch beim ersteren fast immer ein klitzekleiner Egoismus hinter dem Altruismus steht, wenn nämlich die tiefere Begründung für altruistische Handlungen das eigene moralische Wohlgefühl ist, auch wenn man sich dessen vielleicht nicht bewußt ist oder es nur einen Teil der Wahrheit ausmacht.