12-12-2009, 02:31 
		
	
	(12-12-2009, 00:52)Ekkard schrieb: Sorry, dass ich mich auf die vorangehenden Seiten beziehe und nicht auf die laufende Diskussion eingehe.
Lieber Volker,
einen Vorteil hat die christianische Gottesvorstellung: Sie ist konkret. Jeder Mensch ist zur Hälfte Gott, die andere lebt von den „göttlichen Geschenken“. Es hat in historischer Zeit bereits eine Lehre gegeben, die etwas Ähnliches gedacht hat: die Gnosis. Nach dieser Lehre ist jeder Mensch ein göttlicher Funke, der auf die Erde gefallen ist und von dort wieder aufsteigt.
Auf der anderen Seite steht ein Bund mit Gott, ein Vertrag. Wenn Personen einen Vertrag schließen, dann können sie nicht wesensgleich sein. Eine Person (ein in sich gleiches Wesen) kann mit sich selbst keinen Vertrag schließen; das wäre widersinnig. Also stellt Gott eine Person außerhalb der Menschheit dar (möglicherweise im Sinne einer juristischen Person). Die andere ist das Gottesvolk zunächst das jüdische Volk, später unter Jesus und seinen Nachfolgern das Christentum.
Das Christianentum ist da etwas völlig anderes: Es blickt nach innen, wo das Christentum nach außen schaut in das Antlitz des Nächsten. Siehe dazu 323 Der Blick nach innen ist kein Augenblick (ausgeführt auf S. 57).
Du schreibst: „Das Christianentum lehnt menschenzentriertes Denken ab“.
Das Christentum ist eine auf einen Vertragspartner (Gott) ausgerichtete Seinslehre des Menschen. Schaut man genau hin, dann verlangt dieser Vertrag, dass die Lebensgrundlagen des Mitmenschen geachtet werden:
Die Pflichten Gott gegenüber sind denkbar gering. Man soll IHN ehren und lieben, also emotional akzeptieren. Alle anderen vertraglichen Verpflichtungen sind Notwendigkeiten im Zusammenleben mit anderen Menschen. Im weiteren Sinne ist auch noch die Umwelt gemeint als Lebensgrundlage.
Wenn, wie im Christianentum, ausschließlich nach innen schaut, wird der Blick auf das Dasein und die Bedürfnisse des Mitmenschen auf Dauer verstellt. Es ist natürlich richtig: Jeder Mensch ist ein Beispiel für „Menschsein“. Erst, wenn ich mit meinem Glauben im Reinen bin, komme ich mit anderen gut aus. Deswegen lautet Jesu Regel: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du!“.
Lieber Ekkard,
dreimal danke, Du hast mir eine lang anhaltende Freude bereitet mit Deinem wesentlichen Beitrag, welcher die bisher fundierteste Kritik gegenüber dem Christianentum hervorbringt.
Bitte entschuldige, daß ich Dir heute Nacht nicht vollständig antworten kann, denn auch wenn Du meinen Geist wie eine Fackel zum Brennen gebracht hast, erhebt mein Körper dagegen Protest.
Aber eine durch meine Erschöpfung sehr verkürzte Reaktion muß jetzt unbedingt sein.
Du hast das Christianentum ins Herz getroffen, mit Deiner Feststellung, daß der Blick nach innen den christlichen Blick auf den Nächsten verstellt.
Aber Du hast etwas begonnen, was dem Christianentum unendlich gut tut. Du vergleichst beide Glaubensgebäude, wobei das Christentum eine riesige Stein auf Stein in zwei Jahrtausenden gemauerte wehrhafte Burg mit 2,2 Milliarden Burginsassen ist, während sich in völliger Dunkelheit ein Maulwurf durch die Erde des Lebens bohrt und bisher nur , wie sollte es anders sein, einen Maulwurfshügel zustande gebracht hat.
Selbst für mich ist es unfassbar: Was will dieser kleine Maulwurf, der zudem auch noch blind zu sein scheint, gegen diese in Jahrhunderten gewachsene mächtige Burg ausrichten ?
Es gibt nur eine Antwort: Ich glaube an die Kraft der 1000 Gottesgeschenke des Christianentums, ich werde sie bis an mein Lebensende suchen, werde versuchen sie zu finden und dann versuchen, sie anzuwenden. Denn das ist der Sinn meines Lebens.
Eine lange Reise beginnt, deren Ende wir nicht kennen.
Danke, lieber Ekkard,
Dein Volker

