(30-10-2009, 21:50)Melmoth schrieb: Meine Zweifel beziehen sich darauf, ob es denn wirklich so häufig die Betroffenen sind, denen daran liegt, dass die Täter möglichst hart bestraft werden - oder ob es nicht im meisten Fall Leute sind, die sich vorstellen, dass Betroffenen damit geholfen wäre.
Eine berechtigte und interessante Frage. Ich kann nur vermuten, dass sich ein Opfer nicht wohler fühlt, wenn der Täter eine milde Strafe erhält, und könnte mir eine gewisse Genugtuung (dazu komme ich noch) vorstellen, wenn er angemessen - und bei Vergewaltigern meine ich damit hart - bestraft wird. Als Opfer würde ich mir denken "Hey, die Gesellschaft/der Staat setzt sich für mich ein und lässt meinen Schänder nicht so einfach davonkommen. Aber natürlich kann ich auch deine These nachvollziehen, nach der ein mit Gewalt konfrontierter bzw. ihr ausgesetzter Mensch womöglich weniger Wert auf eine harte Bestrafung legt. Könnte auch sein.
Ganz besonders geht es mir aber um die Öffentlichkeit, um die Gesellschaft. Als sogar noch schlimmer als eine Vergewaltigung bewerte ich eine Vergewaltigung durch einen Mann - seien wir ehrlich, es sind zu 99% Männer - der schonmal dazu verurteilt wurde und (leider nicht mit Erfolg) "resozialisiert" wurde. Das wäre zu verhindern gewesen, und damit also besonders bitter für das Opfer. Aber dazu hast du ja auch was geschrieben:
(30-10-2009, 21:50)Melmoth schrieb: Wie schon gesagt, es geht mir weniger um die Täter mit großem Rückfallrisiko (denn da ist es klar, dass Sicherheitsverwahrung zum Schutz der Bevölkerung notwendig ist und natürlich auch den Opfern nützt), sondern um den angeblichen Genugtuungseffekt. Und der ist mir eben sehr fremd. Wenn nicht die besagte Situation besteht, dass der Täter einem nach der Freilassung wieder etwas antun wollte, was hilft es dem Opfer dann, wenn er noch weiter im Gefägnis sitzt und das Gefängnis womöglich auch noch "ungemütlicher" gestaltet wird, als das derzeit hierzulande üblich ist?
Klar kann man sagen, dem Opfer geht's dreckig (und das unter Umständen, je nach Straftat, sehr, sehr lange) und der Täter kann sich im Gefängnis mit seinem Fernseher häuslich einrichten. Aber wer Gewalt erlebt hat, dem geht's so oder so dreckig - ob's dem Täter nun vergleichsweise gut oder schlecht geht, ob der einen Fernseher hat oder nicht. Es ändert nichts. Was geschehen ist, ist geschehen - so schwer es auch ist, damit zu leben. Wo nötig und möglich, sollte die Justiz ihr bestes tun, um zu verhindern, dass es wieder geschieht. Aber Rache hilft niemandem.
Nun, wie bewertest du "Rückfallrisiko"? Die Rückfallquoten von über 30 Prozent bei Schwer- und Gewaltverbrechern (Quelle: Bundesamt für Statistik) sagen mir, dass auf Psychologen wenigstens bei uns in der Schweiz kein Verlass ist. Ich bin ehrlich. Eine Rückfallquote von schon nur 1% bei beispielsweise Kinderschändern - der untersten Stufe Menschlicher und auch sonst jeglicher Evolution - wäre für mich Grund genug, sie allesamt für immer wegzusperren.
Zum Genugtuungseffekt: Nenn es niederen Instikt, aber alle Menschen kennen das Gefühl der Genuguung. Ob es auf lange Frist anhält ist nichtmal entscheidend. Ich find es wichtig für den psychischen Verarbeitungsprozess des Opfers, dass es sich von seiner Gesellschaft nicht im Stich gelassen fühlt, bzw. verteidigt fühlt, bzw. merkt, dass die Gesellschaft die Tat schärfstens verurteilt.
Die Gefängnisse "ungemütlicher" zu gestalten, muss nichtmal eine Sache der Genugtuung oder der Abschreckung sein - das sind zugegebenermassen Nebeneffekte über deren Wirkung sich diskutieren lässt. Es ist in erster Linie, gepaart mit geeigneten Arbeitsmassnahmen, auch kostensparend, und für mich als ehrlicher Steuerzahler, der nicht bereit ist Kinderschänder mehr als nötig durchzufüttern, ist das auch wichtig.
(30-10-2009, 21:50)Melmoth schrieb: Ich fürchte, das ist eine Situation, für die es keine gute Lösung gibt. Ich kann nicht behaupten, dass deine "Rechnung" falsch ist - ich könnte auch nicht sagen, dass sie falsch wäre, wenn jemand sich entscheiden würde, die Prioritäten andersrum zu setzen. Mit dem Wert von menschlichem Leiden zu rechnen ist eine verdammt schwierige Sache und ich kann nur zugeben, dass ich vor solchen Dilemmata ratlos stehe.
Das ist wie du sagst sehr schwer. Ich spreche hier auch nur für mich und äussere, was ich mir wünschen würde und was ich mir für Gedanken dazu mache. Deine Argumente und Standpunkte, bzw. die von Petronius kann ich auch gut nachvollziehen und ihnen auch Kompromisse mit meinen Ansichten und Standpunkten abgewinnen.