(27-09-2009, 20:47)Moorwackler schrieb: - Dass die Gedanken des Nicänums nicht von Konstantin stammen, wird noch offensichtlicher, wenn man bei Konstantin selbst liest, was er zur Christologie zu sagen hatte (denn wohlgemerkt: Es geht in Nicäa nicht um die Trinitätslehre, sondern um die Christologie). In einem Brief an die Christen in Nikomedien schreibt Konstantin:
„Liebe Brüder, ihr wisst alle genau, dass der Herr Gott und Heiland Christus Vater und Sohn ist; Vater nenne ich ihn als anfangs- und endlosen Erzeuger seines Äons, Sohn, d. h. den Willen des Vaters, der weder von einem Gedanken erfasst, noch zur Vollendung seiner Werke von einer erforschten Materie festgehalten wird.“
(Nachzulesen bei: KRAFT, Heinz: Kaiser Konstantins religiöse Entwicklung. BHTh 20. Tübingen [J.C.B. Mohr] 1955 -> Brief 20)
Für mich ist da nichts "offensichtlich"!
Heinz Kraft schreibt in seiner Habilitationsschrift aus 1955:
Die theologischen Anschauungen Konstantins[…]liegen mehr oder weniger entwickelt in jedem seiner Briefe vor. Von Christus hat er[…] nicht gesprochen[…]; nur ein Brief macht eine Ausnahme, der 325 an die nikomedische Gemeinde geschrieben wurde. Dort skizziert Konstantin seine Christologie (genau genommen Trinitätslehre) so ausführlich, dass es dadurch möglich wird auch die sonstigen gelegentlichen Andeutungen über dieses Thema zu verstehen.
"Christus", sagt Konstantin (im Brief 20), "ist Vater und Sohn. Vater nennen wir ihn als Erzeuger des Äons, während der Sohn der Äon selbst ist. Dieser Äon ist der Wille des Vaters; als Gott die Welt erschuf, ging er zu diesem Zweck aus dem Vater hervor und wurde Schöpfer aller Dinge. Seine besondere Bedeutung für die Menschheit liegt darin, dass er sie auf dem Weg zur Unsterblichkeit leitet. Denn er vermittelt ihr die Kenntnis Gottes und des göttlichen Willens. Dazu hat er einen Leib angenommen, und in diesem gab er den Menschen Beweise für seine Gottheit, lehrte sie die Tugend, verkündigte als Lohn die Erlösung vom Tod, die Seligkeit."
Es mag sich jeder, der dazu Lust hat, sein Bild machen, wie dieser Brief zu verstehen ist.
Davon abgesehen, dass es zur Echtheitsfrage der konstantinischen Briefe erhebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Fachgelehrtenschaft gibt, gibt es offenbar auch verschiedene Meinungen zur Rolle Konstantins im Zusammenhang mit dem Nizänum.
Moorwackler schrieb:Im Konzil von Nicäa hat man Leute wie Eusebius nicht einfach zum Meinungswechsel gezwungen und man hat auch nicht irgendwelche Ideen erfunden. Vielmehr spielte die Überlieferung der "Alten" eine wichtige Rolle. Hätte Konstantin mit seinem Vorschlag des Homousios nicht eine offenbar stattliche Anzahl von früheren Kirchenvätern hinter sich gehabt, hätte das Homousios kaum eine Mehrheit gewonnen.
Man sollte nicht den Eindruck zu erwecken versuchen, dass irgendetwas gegen den Willen des Kaisers hätte entschieden werden können.
MfG B.

