20-07-2009, 15:11
(20-07-2009, 12:43)Marlene schrieb:(19-07-2009, 12:16)Byron schrieb: [..] wie ist es dann zu erklären, dass er nach dem Abendmahl Schwerter an seine Jünger verteilt hat, wie wir aus Epicharms Text erfahren?
Nein, es wurden keine Schwerter beim oder nach dem Abendmahl verteilt, das ist blanker Unsinn, der Lukas-Text gibt das nicht mal im Ansatz her.
Da gebe ich Dir Recht, Marlene. Ich habe den Text gestern auch nachgelesen. Jesus verteilt keine Schwerter, sondern sagt, die Jünger sollen sich welche beschaffen.
Zitat:Zwar werden im Kontext "Schwerter" erwähnt, die nicht im buchstäblichen Sinn verstanden werden wollen, bzw. in einer Form, die nicht auf Angriff oder Aggressivät schliessen lassen.
Das sollte man wirklich mal genau untersuchen. Ich habe das gestern auch gemacht, so weit es in meiner Möglichkeit stand, hatte aber nicht die Ruhe, das hier aufzuschreiben.
Werde ich nachholen.
Jedenfalls soweit schien es mir klar:
Die Jünger fassen die Schwerter konkret auf. Sie zeigen Jesus ja ihre zwei Schwerter, die sie besitzen.
Die Antwort, die Jesus darauf gibt, wird allerdings in den verschiedenen Übersetzungen völlig konträr wiedergegeben. Und von der richtigen Übersetzung oder dem richtigen Verständnis dieses einen Satzes hängt alles ab.
Hier erst mal die Verse Lukas 22, 36-38, auf die sich der Autor Hyam Maccoby- den Epicharm in seinem Eingangspost zitiert hat - bezieht -->
Zitat:35 Und er sprach zu ihnen: Als ich euch ausgesandt habe ohne Geldbeutel, ohne Tasche und ohne Schuhe, habt ihr da je Mangel gehabt? Sie sprachen: Niemals. 36 Da sprach er zu ihnen: Aber nun, wer einen Geldbeutel hat, der nehme ihn, desgleichen auch die Tasche, und wer's nicht hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert. 37 Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was geschrieben steht (Jesaja 53,12): »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet. 38 Sie sprachen aber: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug.
Luther 1984
Der von mir fettgedruckte Satz ist für die Deutung der entscheidende. So, wie es da steht, klingt es wie: Zwei Schwerter reichen für die Aktion.
Da Jesus vorher ja von ganz konkreten Sachen gesprochen hat - Geldbeutel, Tasche, Schuhe - ist es semantisch eigentlich richtig, auch das in Vers 36 erwähnte Schwert konkret zu nehmen. Der Mantel soll verkauft werden, das Schwert für das Geld gekauft werden.
Eine interpretierende Übertragung nur des Schwertes ins Geistige scheint mir nach dieser Übersetzung nicht möglich.
Wenn, dann müssen auch der Beutel und der Mantel nicht konkret gemeint gewesen sein.
Der fettgedruckte Satz wird auch in der Schlachter-Übersetzung und der Elberfelder - zwei berühmte Übersetzungen - genauso übersetzt, wie Luther es tut.
Lediglich bei sehr neuen Übersetzungen - die den Stil an die heutige Zeit angepasst haben - findet man den umstirttenen Satz anders vor:
Neue Genfer Übersetzung:
38 Die Jünger sagten: »Herr, hier sind zwei Schwerter.« Doch Jesus erwiderte: »Genug davon!«
Hoffnung für alle:
38 "Herr", riefen die Jünger, "wir haben hier zwei Schwerter." Doch Jesus unterbrach sie: "Genug damit!"
Gute Nachricht Bibel
38 Die Apostel sagten: »Herr, da haben wir zwei Schwerter!« Jesus antwortete: »Ihr versteht mich nicht.«8
Die Anmerkung 8 der Gute Nachricht Bibel lautet:
"Wörtlich Es ist genug. Dies bezieht sich nicht auf die Anzahl der Schwerter; Jesus bricht damit das Gespräch ab und weist die Antwort der Apostel zurück."
Die Schwierigkeit liegt offen zu Tage. Worin begründet die Gute Nachricht Bibel ihre These, dass nicht die Anzahl der Schwerter gemeint ist? Gibt das der Urtext her?
Noch etwas muss kontextmäßig beachtet werden:
das direkt darauf folgende Kapitel.
Dort geht Jesus mit den Jüngern auf den Ölberg:
Zitat:47 Als er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar; und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her und nahte sich zu Jesus, um ihn zu küssen. 48 Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? 49 Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? 50 Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. 51 Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn.
Das Motiv "Schwert" ist auch hier konkret gemeint, denn immerhin fällt ein Ohr dabei. Die Jünger haben also wirklich Schwerter.
Und noch etwas muss berücksichtigt werden, meines Erachtens etwas sehr Wichtiges:
In dem Text steht ja:
[...] verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert. 37 Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was geschrieben steht (Jesaja 53,12): »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet."
Dieser Text drückt aus, dass Jesus jetzt bewusst das Verbrecher-Image haben will, weil es bei Jesaja schon angekündigt sei.
Immer dann, wenn die Handlung um Jesus in den Texten des Neuen Testamentes mit denen des Alten parallelisiert wird, kann man davon ausgehen, dass diese Parallelisierung von den Bearbeitern der Erzählungen - also von den Verfassern der Evangelien - vorgenommen wurde.
Die Absicht dabei war, "nachzuweisen", dass Jesus als Messias bereits im Alten Testament angekündigt war.
Das ist vermutlich bei den Neutestamentlern unumstritten. Viele Bezugnahmen auf das Alte Testament wurden von den Forschern so kommentiert, dass die Evangelienschreiber diese alttestamentlichen Stellen künstlich aus dem Kontext gerissen haben, damit es "als vorausgesagt" gelten kann.
Aus all dem folgere ich:
Ich halte folgendes Szenario für möglich, sogar für wahrscheinlich:
die Evangelisten hatten Quellen, die besagten, Jesus sei ein Verbrecher gewesen, also zu Recht hingerichtet worden.
Und weil sie Jesus nicht als Verbrecher sahen, oder nicht sehen wollten, haben sie es so umgedichtet, dass Jesus nur den Anschein erwecken wollte, er sei ein Verbrecher - damit Jesaja erfüllt wird.
Darum habe er die Schwerter zugelassen, damit eben dieser Anschein geweckt werden kann.
Das könnte dazu passen, dass er zulässt, dass dieses Ohr abgehauen wird, dass er es aber gleich wieder heilt. Es ging ja nur um den Anschein.
Meine These also, dass diese Deutung von den Evangelisten hinzugefügt worden ist.
Und dass Hyam Maccoby - den Epicharm im Eingangspost zitiert hat
Zitat:Jesus war eindeutig kein Pazifist. Sein Pazifismus ist ein Teil der Geschichte von seiner Ungefährlichkeit und dem nichtvorhandenen Widerstand gegen das Römische Reich, der Geschichte, mit der die christliche Kirche hoffte, den Argwohn der Römer, die Christen seien eine umstürzlerische Gruppe, zu zerstreuen.
- im gewissen Sinne Recht hat. Die Lukasstelle - die Frage nach den Schwertern - muss zwar nicht "durch die Zensur geschlüpft" sein, aber sie scheint mir doch recht offensichtlich eine Umdeutung realer Gewaltakten zu sein (sie seien nur zum Schein vorgenommen).
