13-07-2009, 11:23
(12-07-2009, 18:00)Marlene schrieb: An der Stelle würde ich mal kurz innehalten:
Absolutheitsanspruch und Wahrheitsanspruch!
Die Steigerung: einen Absolutsheisanspruch auf die Wahrheit. So, das geht schon mal überhaupt nicht.
Wahrheit kann nur für denjenigen/diejenigen werden, wenn dies persönlich anerkannt und wahrgenommen wird.
An der Stelle scheint es mir extrem wichtig, den Begriff "Wahrheit" klar ins Auge zu fassen und zu sagen, was man damit meint.
Hier im Forum wird "Wahrheit" meist im naturwissenschaftlichen Sinn verstanden und die Behauptung aufgestellt, dass zwei Religionen nicht gleichzeitig "wahr" sein können.
Du, Marlene, benutzt diesen Begriff nun ganz anders, und das kann irritieren, weil man dann plötzlich rein über Wortbildungen streiten könnte und nicht über Inhalte. Die einen sagen, Wahrheit sei objektiv, die anderen, Wahrheit sei rein subjektiv - und schon hat man den schönsten Salat. Weil der eine "Wahrheit" als naturwissenschaftlichen Begriff ansieht, der andere als existentiell-menschlichen.
Und ich möchte in diesem Thread - das jetzt nur zur Absicherung - auf keinen Fall schon wieder auf die Wahrheits- und Absolutheitsansprüche von einigen Gläubigen hinaus, sondern insgesamt auf die Wahrheits- und Absolutheitsansprüche von Menschen.
Mich interessiert, mit welchem Recht Atheisten oder Nichtgläubige sich Gläubigen überlegen fühlen dürfen und sich immer wieder das Recht herausnehmen, diese zu belehren und ihnen zu erklären, sie würden irgendwo den Denkapparat ausschalten oder seien naiv.
Ich schließe nun besser - konzeptionell - die liberalen Christen mit ein, denn offenbar war das missverständlich und man beschränkte sich jetzt zu sehr auf den BEGRIFF "Atheist".
Was ich hier thematisieren möchte - oder vielleicht besser: wofür ich ein Gefühl entwickeln möchte -, ist, weshalb für diese liberale Gruppe nicht das gilt, was für streng Gläubige gilt:
dass sie "missionieren" - in noch weitem Sinne - dürfen, ohne dass dies einem Verdikt anheimfällt. Es wird nicht gelöscht, es ist eher an der Tagesordnung.
Ich kann es noch allgemeiner formulieren:
Die "liberale Gruppierung" meint nicht selten, die Wahrheit zu haben, weil sie die ganze Naturwissenschaft auf ihrer Seite wähnt. Sie lässt immer wieder durchblicken, dass man die anderen "aufklären" müsse.
Und dieses Bedürfnis ist - strukturell gesehen - genau das Gleiche wie das Missionsbedürfnis.
Manche schreiben hier überhaupt nur, um die Gläubigen "aufzuklären"
Und das schließt zwei Fragen ein:
Woher haben diese "Aufklärer" die Legitimation, ihre "Wahrheit" für objektiver oder richtiger zu halten als die, die sie für "aufklärungsbedürftig" halten.
Und woher haben sie die Legitimation, ihre "Wahrheit" den anderen aufzudrängen, wenn diese anderen gar nicht Diskussionsbereitschaft über diesen Punkt signalisiert haben.
Zitat:Was ich als Wahrheit erkenne, braucht ein anderer Mensch noch lange nicht als Wahrheit erkennen. Das funktioniert einfach nicht.
Ja. Aber hier kommen dann gleich welche und "beweisen", dass nur A oder B richtig sein kann.
Und das ist eben auch ein Absolutheitsanspruch.
Dass er de facto Nonsens ist, ändert nichts an dem Überlegenheitsgefühl derjenigen, die sich selber im Besitz der Wahrheit fühlen.
Vielleicht hilft es, zu klären, zum einen, dass "Wahrheit" doppeldeutig ist und man immer sagen muss, ob man sie im mathematischen oder im existentiellen Sinn meint,
zum anderen, dass "aufklären Wollen" genauso eine Mission ist wie Mission im engen Sinn.
Zitat:Über das Missionieren, was das wiederum sein kann und was es auf keinen Fall sein darf, werden wir wohl im Verlauf des Thread herausfinden und klären können. :)
Ja, das ist der zweite große Punkt, den ich in diesem Thread gerne durchgehen würde.
Wann genau beginnt diese "Mission" (inklusive dem "Aufklärungsakt").
Erste Vorüberlegung: Wenn man anfängt, dem anderen auf die Pelle zu rücken und konkrete User aufs Korn nimmt, die man verändern möchte allein darum, weil man glaubt, diese hätten einen falschen Glauben.
