06-06-2009, 13:37
Ich habe nun - wie schon angekündigt - aus dem Thread "Nobelpreis"
http://religionsforum.de/showthread.php?tid=3183&page=3
Ekkards Aufstellung über die naturwissenschaftliche Methode hierherkopiert, um diese Methode mit denen anderer Wissenschaften vergleichen zu können.
Ob diese Aufstellung tatsächlich grundsätzlich für die Naturwissenschaften gilt, wäre dabei vielleicht auch zu überprüfen, aber nicht unbedingt primär.
Insgesamt geht es in diesem Thread ja um das Thema "Wirklichkeit" - und ich möchte mittels dieses Vergleichs den Zusammenhang thematisieren, der zwischen einer Methode und der von ihr definierten "Wirklichkeit" liegt.
Ich möchte zunächst einmal hinterfragen, wieso "erfolgreich" (im letzten Absatz) jeglichen Zweifel ausschließt, dass die Axiomatik "angemessen" sei.
Und von welchem Wertmaßstab hier "erfolgreich" beurteilt wird.
Beispiel:
Ein Familienvater kann das Ziel haben, seine Kinder dazu zu bringen, Höchstnoten in der Schule zu bekommen.
Er beschneidet die Freizeit der Kinder, überprüft täglich ihre Tätigkeiten (wie weit sie den schulischen Zielen entsprechen) und Ähnliches.
Mit dieser Methode ist er sehr "erfolgreich", denn alle seine Kinder haben nun die Höchstnoten erreicht.
Dass seine Kinder aber einen Hass auf die Schule und das Lernen bekommen haben und psychisch schwer leiden, ist aus der Bewertung ausgeklammert, denn der "Erfolg" wird nur daran gemessen, ob die Methode das Ziel erreicht hat und nicht daran, welche unangenehmen Begleiterscheinungen sie mit sich führt.
Die "Angemessenheit" der Axiomatik" wäre also auf Grund einer anderen Perspektive in dem Fall gerade durch den Erfolg widerlegt.
Angewandt auf die naturwissenschaftliche Methode:
Sie kann theoretisch dadurch, dass sie "Wirklichkeit" nur auf Grund der genannten Kriterien definiert, eine ganze Kultur zum Zusammenbruch führen. Wobei selbstverständlich hier "Zusammenbruch" definiert werden müsste.
Die westliche Kultur wird von verschiedenen Kritikern als hochgradig neurotisch eingestuft, deren Ursache nicht zuletzt die Technisierung und Totalrationalisierung sei. Der westliche Mensch habe so sehr das Konkurrenzdenken verinnerlicht, dass er sich psychisch immer mehr schädige und immer häufiger "Behandlung" brauche.
Kulturkritiker sehen nicht selten einen geschichtlichen Zusammenhang, in dem die "Aufklärung" sich irgendwann in ihr Gegenteil verkehrt habe und nun genau diese Aufklärung verhindere.
Das bedeutet: "Erfolg" ist ein zweischneidiges Messer. Was in gewissen historischen Abschnitten sinnvoll und notwendig erschien, kann in späteren historischen Abschnitten die Weiterentwicklung der Kultur der Menschen drosseln.
Alarmzeichen sind unter anderem: steigende Radikalismen, die sich mit der "offiziellen Kultur" nicht mehr identifizieren können.
Die Gegenbewegungen gegen einen starren Rationalismus waren in der Geschichte stets neue Irrationalismen.
Statt diese Irrationalismen einfach zu verurteilen, wäre es sinnvoller, den starren Rationalismus zu hinterfragen und dessen Einseitigkeit zu erkennen.
Das zu dem "Erfolg" einer Methodik.
Zwecks leichterer Diskutierbarkeit nummeriere ich die von Ekkard aufgestellten Punkte durch:
1. Kausalität / Kausalkette: Die Beschreibung (eines Experiments) muss auf mindestens eine Ursache zurück zu führen sein.
2. Universalität: Ein Experiment muss überall, zu jeder Zeit und von jedermann durchgeführt dasselbe Ergebnis haben.
3. Räumliche und zeitliche Konkretisierung: Beschreibungen müssen Ort und Zeit ggf. den Ablauf benennen.
4. Weltanschauliche Abstinenz: Die Beschreibung darf keine weltanschaulichen Beurteilungen enthalten, genau genommen überhaupt keine Urteile fällen.
5. Intellektuelle Redlichkeit: Randbedingungen und Prämissen müssen lückenlos genannt werden
6. Occam's razor: Theorien, die mit weniger Prämissen auskommen, sind anderen Beschreibungen vorzuziehen
7. Falsifizierbarkeit: Eine Theorie darf nicht gegen bestimmte empirische Ergebnisse "immunisiert" werden.
Welche dieser Kriterien gelten - zum Beispiel - auch für die Geschichtswissenschaft, welche nicht?
"Geschichtswissenschaft" ist vielleicht ein gutes Beispiel. weil sie das eine mit der Literaturwissenschaft, der Musikwissenschaft, der Psycholoige u.ä. verbindet:
deren Untersuchungsgegenstände sind nicht direkt greifbar, sondern müssen indirekt erschlossen werden.
Und da, wo indirektes Erschließen nötig ist, ist eine Wertfreiheit generell ausgeschlossen. Denn "Erschließen" ist hier gleichbedeutend mit "Deuten".
Darum ist bei den Geisteswissenschaften die Darlegung der Prämissen, mit denen man deutet, von extrem hoher Wichtigkeit.
Und die Kritik an einer wissenschaftlichen Arbeit ist immer auch eine kritische Beurteilung der Prämissen.
Die Geschichtsbücher - egal, ob es Schulbücher sind oder wissenschaftliche Werke - beruhen immer auf einer Weltsicht. Die Darstellung ist deshalb stets wertend.
Dies kann aber in unterschiedlichem Maße so sein. Und Punkt 5 - "intellektuelle Redlichkeit" - ist hier extrem wichtig. Der Wertmaßstab muss dargelegt werden.
Nicht einmal eine reine Faktenaufzählung ist wertfrei. Gerade bei ihr kann durch Auslassung - also Unterschlagung von Fakten oder das Nichterkennen von Fakten - ein tendenziöses Geschichtsbild erzeugt werden.
Hier breche ich erst einmal ab.
Welchen Unterschied seht Ihr zwischen Geschichtswissenschaft und Naturwissenschaft? Oder seht Ihr keinen?
http://religionsforum.de/showthread.php?tid=3183&page=3
Ekkards Aufstellung über die naturwissenschaftliche Methode hierherkopiert, um diese Methode mit denen anderer Wissenschaften vergleichen zu können.
Ob diese Aufstellung tatsächlich grundsätzlich für die Naturwissenschaften gilt, wäre dabei vielleicht auch zu überprüfen, aber nicht unbedingt primär.
Insgesamt geht es in diesem Thread ja um das Thema "Wirklichkeit" - und ich möchte mittels dieses Vergleichs den Zusammenhang thematisieren, der zwischen einer Methode und der von ihr definierten "Wirklichkeit" liegt.
(27-05-2009, 20:56)Ekkard schrieb: Die naturwissenschaftliche Methode ist an einigen wenigen Grundregeln aufgehängt, und die sind in der Tat "europäische Erfindungen". Die wesentlichsten lauten:Die Wirkungsgeschichte dieser Methode ist dermaßen erfolgreich, dass an ihrer angemessenen Axiomatik keine Zweifel besteht.
- Kausalität / Kausalkette: Die Beschreibung (eines Experiments) muss auf mindestens eine Ursache zurück zu führen sein.
- Universalität: Ein Experiment muss überall, zu jeder Zeit und von jedermann durchgeführt dasselbe Ergebnis haben.
- Räumliche und zeitliche Konkretisierung: Beschreibungen müssen Ort und Zeit ggf. den Ablauf benennen.
- Weltanschauliche Abstinenz: Die Beschreibung darf keine weltanschaulichen Beurteilungen enthalten, genau genommen überhaupt keine Urteile fällen.
- Intellektuelle Redlichkeit: Randbedingungen und Prämissen müssen lückenlos genannt werden
- Occam's razor: Theorien, die mit weniger Prämissen auskommen, sind anderen Beschreibungen vorzuziehen
- Falsifizierbarkeit: Eine Theorie darf nicht gegen bestimmte empirische Ergebnisse "immunisiert" werden.
Was daran ist typisch britisch/deutsch/europäisch/westlich?
Ich möchte zunächst einmal hinterfragen, wieso "erfolgreich" (im letzten Absatz) jeglichen Zweifel ausschließt, dass die Axiomatik "angemessen" sei.
Und von welchem Wertmaßstab hier "erfolgreich" beurteilt wird.
Beispiel:
Ein Familienvater kann das Ziel haben, seine Kinder dazu zu bringen, Höchstnoten in der Schule zu bekommen.
Er beschneidet die Freizeit der Kinder, überprüft täglich ihre Tätigkeiten (wie weit sie den schulischen Zielen entsprechen) und Ähnliches.
Mit dieser Methode ist er sehr "erfolgreich", denn alle seine Kinder haben nun die Höchstnoten erreicht.
Dass seine Kinder aber einen Hass auf die Schule und das Lernen bekommen haben und psychisch schwer leiden, ist aus der Bewertung ausgeklammert, denn der "Erfolg" wird nur daran gemessen, ob die Methode das Ziel erreicht hat und nicht daran, welche unangenehmen Begleiterscheinungen sie mit sich führt.
Die "Angemessenheit" der Axiomatik" wäre also auf Grund einer anderen Perspektive in dem Fall gerade durch den Erfolg widerlegt.
Angewandt auf die naturwissenschaftliche Methode:
Sie kann theoretisch dadurch, dass sie "Wirklichkeit" nur auf Grund der genannten Kriterien definiert, eine ganze Kultur zum Zusammenbruch führen. Wobei selbstverständlich hier "Zusammenbruch" definiert werden müsste.
Die westliche Kultur wird von verschiedenen Kritikern als hochgradig neurotisch eingestuft, deren Ursache nicht zuletzt die Technisierung und Totalrationalisierung sei. Der westliche Mensch habe so sehr das Konkurrenzdenken verinnerlicht, dass er sich psychisch immer mehr schädige und immer häufiger "Behandlung" brauche.
Kulturkritiker sehen nicht selten einen geschichtlichen Zusammenhang, in dem die "Aufklärung" sich irgendwann in ihr Gegenteil verkehrt habe und nun genau diese Aufklärung verhindere.
Das bedeutet: "Erfolg" ist ein zweischneidiges Messer. Was in gewissen historischen Abschnitten sinnvoll und notwendig erschien, kann in späteren historischen Abschnitten die Weiterentwicklung der Kultur der Menschen drosseln.
Alarmzeichen sind unter anderem: steigende Radikalismen, die sich mit der "offiziellen Kultur" nicht mehr identifizieren können.
Die Gegenbewegungen gegen einen starren Rationalismus waren in der Geschichte stets neue Irrationalismen.
Statt diese Irrationalismen einfach zu verurteilen, wäre es sinnvoller, den starren Rationalismus zu hinterfragen und dessen Einseitigkeit zu erkennen.
Das zu dem "Erfolg" einer Methodik.
Zwecks leichterer Diskutierbarkeit nummeriere ich die von Ekkard aufgestellten Punkte durch:
1. Kausalität / Kausalkette: Die Beschreibung (eines Experiments) muss auf mindestens eine Ursache zurück zu führen sein.
2. Universalität: Ein Experiment muss überall, zu jeder Zeit und von jedermann durchgeführt dasselbe Ergebnis haben.
3. Räumliche und zeitliche Konkretisierung: Beschreibungen müssen Ort und Zeit ggf. den Ablauf benennen.
4. Weltanschauliche Abstinenz: Die Beschreibung darf keine weltanschaulichen Beurteilungen enthalten, genau genommen überhaupt keine Urteile fällen.
5. Intellektuelle Redlichkeit: Randbedingungen und Prämissen müssen lückenlos genannt werden
6. Occam's razor: Theorien, die mit weniger Prämissen auskommen, sind anderen Beschreibungen vorzuziehen
7. Falsifizierbarkeit: Eine Theorie darf nicht gegen bestimmte empirische Ergebnisse "immunisiert" werden.
Welche dieser Kriterien gelten - zum Beispiel - auch für die Geschichtswissenschaft, welche nicht?
"Geschichtswissenschaft" ist vielleicht ein gutes Beispiel. weil sie das eine mit der Literaturwissenschaft, der Musikwissenschaft, der Psycholoige u.ä. verbindet:
deren Untersuchungsgegenstände sind nicht direkt greifbar, sondern müssen indirekt erschlossen werden.
Und da, wo indirektes Erschließen nötig ist, ist eine Wertfreiheit generell ausgeschlossen. Denn "Erschließen" ist hier gleichbedeutend mit "Deuten".
Darum ist bei den Geisteswissenschaften die Darlegung der Prämissen, mit denen man deutet, von extrem hoher Wichtigkeit.
Und die Kritik an einer wissenschaftlichen Arbeit ist immer auch eine kritische Beurteilung der Prämissen.
Die Geschichtsbücher - egal, ob es Schulbücher sind oder wissenschaftliche Werke - beruhen immer auf einer Weltsicht. Die Darstellung ist deshalb stets wertend.
Dies kann aber in unterschiedlichem Maße so sein. Und Punkt 5 - "intellektuelle Redlichkeit" - ist hier extrem wichtig. Der Wertmaßstab muss dargelegt werden.
Nicht einmal eine reine Faktenaufzählung ist wertfrei. Gerade bei ihr kann durch Auslassung - also Unterschlagung von Fakten oder das Nichterkennen von Fakten - ein tendenziöses Geschichtsbild erzeugt werden.
Hier breche ich erst einmal ab.
Welchen Unterschied seht Ihr zwischen Geschichtswissenschaft und Naturwissenschaft? Oder seht Ihr keinen?
