31-10-2008, 21:39
(31-10-2008, 12:21)Petrus schrieb: Wie kann Jesus Christus pantheistisch gedacht werden?Eine etwas schwierige Frage, die sich mit Bibelstellen aus meiner Erinnerung auch nicht belegen lässt.
Ich sag's 'mal anders aus der Erinnerung an Drewermanns Buch "Giordano Bruno oder Der Spiegel des Unendlichen".
Damit ist bereits das entscheidende Stichwort gefallen, das auch bei Bruno und Cusanus wiederholt vorkommt: Das Unendliche. Aus den Notizen von Giordano Bruno (nach Drewermann): "Deine Gedanken, Cusaner, zu Ende denkend, am Ende dieses schlimmen Jahrhunderts (des 16. - notiert vor dem 17. Februar 1600, dem Tag seiner Hinrichtung), vermag ich nicht mehr zu sehen, dass Theologie und Philosophie in harmonischem Einklang befindlich wären, indem die eine das Unendliche denkt in heiliger Unwissenheit, während die andere das Endliche erforscht in mathematischer Klarheit; ich sehe dass die Lehren des Christentums selber an allen Stellen zu kurz konzipiert sind und sich nur mit der Geistlosigkeit dogmatisierter Gewalt gegen das Denken verteidigen lassen. Deine Gedanken sollten die Kirche erneuert wiedererrichten; meine Gedanken müssen sie so, wie sie immer war, endgültig vernichten".
Ein paar Zeilen weiter heißt es dann: "Es ist halt ein Unterschied, ob man ein Bild von der Wirklichkeit malt, so wie sie am schönsten erscheint, um dann zu sagen: 'So hat Gott sie gewollt', oder ob man sich schutzlos der Wirklichkeit stellt und versucht, darin Gottes Angesicht zu enträtseln".
Dazu muss man wissen, dass soeben die schier unendliche Größe des Kosmos durch Fernrohre entdeckt worden war. Die Stellung des Menschen im Zentrum des Heils ging damit verloren. G. Bruno propagierte ein unendliches Werden, was dem Abschluss des Heilsgeschehens mit Jesus diametral entgegen stand. Der Mensch war im Unendlichen verloren!
Zugleich fühlte sich Bruno von den Begrenztheiten des damaligen Denkens in den Kategorien christlicher Mythen (zur Erinnerung: Jesus der Weltenherrscher, der Quell aller obrigkeitlicher Gewalt) befreit. Dass Nikolaus Cusanus diesen Schritt nicht vollzogen hat, das beklagte Bruno mit bewegenden Worten (immerhin war der Cusaner Kardinal!).
Bleiben wir beim Unendlichen! Die Unendlichkeit hat viele verwirrende Gesichter. Es ist nicht gleichgültig, wie man sich ihr nähert (in der Neuzeit: Gödel, Pascal und andere), und Bruno muss das bereits gewusst haben!
Einige einfache christliche Mythen zur Person des Christus lauten:
- Jesus ist auferstanden
- Jesus ist in den Himmel aufgefahren
- sitzend zur Rechten Gottes
- von dort wird er kommen, zu richten …
Wenn der Christus "zur Rechten des Vaters" richten will, dann nicht, bevor einige Milliarden Jahre vergangen sind.
So also zerstört die Gewissheit eines zumindest riesigen Weltraums die christlichen Mythen. Man kann sie so nicht verstehen, wie sie quasi wörtlich im Neuen Testament vorkommen.
Und nun zum christlichen Pantheismus:
Wo also ist Gott? – Jedenfalls nicht in dem Himmel der Kristallsphären, die schlicht nicht existieren. Ich gehe mit einer Reihe befreundeter Christen einig, dass Gott überall da ist, wo etwas wird (das Werden in Brunos Diktion). Und da die Naturgesetze nach heutiger Kenntnis im gesamten Weltall dieselben sind, muss Gott logischerweise quasi überall sein – auch in uns!
(31-10-2008, 18:20)Karla schrieb: Diese individuellen Erlebnisse oder Erkenntnisse versucht man durch Dogmen zu verhindern, aber es gelingt eben nicht. Wenn jemand nun mal deutlich spürt - als Beispiel -, dass das ganze All erlöst oder erlösbar ist, dass alles und jedes in Gott ruht, dann werden solche Christen entsprechend diesem pantheistischen Grundgefühl auch die richtigen Bibelstellen dazu finden. Sie können das einfach in sich nicht trennen.Ich glaube nicht, dass es diese Stellen gibt. Es ist umgekehrt: Da die Antike keinerlei Idee von den Ausmaßen des Alls hatte, gibt es keine solchen Stellen. Die Schlussweise ist indirekter Natur (s. meine Ausführungen oben).
Zitat:>Aber das Christentum hat für mich letztlich überhaupt nichts mit der Kirche zu tun.Das stimmt nicht. Die Kirche ist der 'Leib Christi' nach der Auferstehung – auch das eine quasi pantheistische Vorstellung: In Kirche – man müsste besser sagen: in allen christlichen Kirchengemeinden gemeinsam – vollzieht sich der Auferstandene.
Durch die Ausgießung des Heiligen Geistes ist die Kirche wie von mir beschrieben eingerichtet (gegründet und begründet) worden. Ich habe keine Vorstellung davon, wie Christen diese Tatsache logisch korrekt leugnen wollen.
Karla schrieb:Das ChrstienTUM - als Organsiation - ist wahrscheinlich mit der Kirche selber entstanden. Aber viele sehen ja in der Botschaft Jesu rein die Nächstenliebe, manche seine Erlösungstat. Diese Erkenntnisse bedürfen keinerlei Organisation, keiner Riten, keiner Dogmen.Dass effektive Nächstenliebe keinerlei Organisation bedürfe, ist schlicht eine Illusion. Die heute häufig anzutreffende Entsolidarisierung der Teilnehmer am Wirtschaftleben, zeugt ganz vom Gegenteil.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard