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Ist das Christentum durch die Trinität polytheistisch?
#30
(27-10-2008, 16:29)Petrus schrieb: Vermutlich werde ich als Nichtchrist in solchen Fragen auch nicht ernst genommen Icon_wink
Das kann ja auch ein Zeichen fortgeschrittener Betriebsblindheit bei denen sein, mit denen Du zu reden versucht hast.

Jedenfalls finde ich weder, daß man die Trinität logisch erklären muß, um an sie glauben zu dürfen, noch daß die Trinitätslehre bloß etwas für Evangelikale und christliche Fundamentalisten ist, die an überkommenen Begrifflichkeiten kleben. Ich glaube, Karla war es, glaube ich, deren Beitrag in diese Richtung ging. Das mit der Trinität ist mir sehr wichtig, aber in die Fundamentalistenschublade laß ich mich nicht stecken.

Erstmal: Theologie ist zwar meistens Rede über Gott, aber sie hat ihre Wurzeln in der Rede mit Gott. Am Anfang steht die Begegnung mit Gott. Das ist etwas so Intimes, daß die Frage nach der objektiven Überzeugungskraft völlig am Thema vorbei geht.Genauso gut kann ich versuchen, meinen besten Freund dazu zu überreden, sich von seiner Frau zu trennen, weil sie zwar für ihn die schönste ist, für mich aber nicht. Wer so etwas versucht (d.h. auf den religiösen Bereich übertragen: wer versucht, jemandem die Absurdität und Nichtigkeit seines Glaubens objektiv zu beweisen), sollte sich mal die Frage stellen, ob er sich längst nicht aus seiner eigenen (konstruktiven) Gottesbeziehung zugunsten einer (destruktiven) Beziehung zu bestimmten Mitmenschen verabschiedet hat. Ein solches Dasein wäre im wahrsten Sinne des Wortes gott-los.

Also wie gesagt: Theologie geht zurück auf intimes Reden mit Gott - wobei "intim" auch bedeuten kann, daß eine Gemeinschaft Gleichgesinnter redet und sich von Gott ansprechen läßt. Lobpreis und Gebet sind also der Beginn jeder Theologie. Und weil die Begegnung mit Gott sehr viele Facetten annehmen kann und - was ja sogar in der Begegnung mit anderen Menschen der Fall ist - unseren Durchblick übersteigt, läßt sich hinterher auch nicht alles, was wir über Gott sagen können, als Nullsumme miteinander verrechnen. Auch die Trinitätslehre redet also nicht primär davon, wie Gott ist, sondern wie wir als Christen ihn erfahren. Allgemeingültigkeit und Überzeugungskraft können wir damit nicht beanspruchen. Respekt für unsere Überzeugungen dürfen wir trotzdem einfordern.

Im Fall Jesu wurde manchen, die ihm begegneten, sehr schnell klar, daß ihnen hier Gott in noch nie erlebter Unverstelltheit und Reinheit über den Weg lief. Und Jesus selbst hatte ja schließlich nicht nur gesagt: "Der Vater ist größer als ich" (Johannes 14,28), sondern auch: "Ich und der Vater sind eins" (Johannes 10,30). Es ist also nicht nur fruchtlos, sondern auch unfair, wenn Abdullah die Bibel derart selektiv zitiert und sich nur das heraussucht, was ihm in den Kram paßt. Aber zu angenehmeren Themen und Leuten: Als der Jünger Thomas dem auferstandenen Jesus begegnete, bekannte er: "Mein Herr und mein Gott!" (Johannes 20,28). Mit all diesen Zitaten will ich nichts beweisen, sondern nur etwas vom Lebensgefühl wiedergeben, von dem schon die ersten Christen sich ergriffen fühlen und das uns bis heute nicht losläßt. Und auch daß diese Beziehung zu Gott überhaupt entsteht und daß wir Gott erkennen, wie wir ihn erkennen, macht für unser Verständnis Gott überhaupt erst möglich, und zwar in Gestalt des heiligen Geistes. Damit geht die Vorstellung einher, daß Gemeinschaft und Beziehung nicht erst zwischen Gott und den Menschen entstehen, sondern auch in Gott selbst schon da sind: "Gott ist Liebe." (1. Johannes 4,8). Die Trinität ist ein Versuch, vollkommene Gemeinschaft in Gott auszusagen, die vollkommene Gemeinschaft auf Erden schaffen kann (vgl. Matthäus 5,48).

In der Kirche hat man schon immer versucht, irgendwie von alldem zu reden. Zunächst, wie gesagt, in der Form des Lobpreises, später auch in Form von Bekenntnissen, Dogmen und anderen theologischen Äußerungen. Zugleich hat man versucht, das Unbegreifliche irgendwie zu fassen, und zwar auch in Sprache, denn auch die gehört zum Lobpreis. Und man hat sich eben mit dem beholfen, was die Philosophie hergab, vor allem was die Lehre von Individuen und Gattungen betrifft. Das mag aus heutiger Sicht vielleicht antiquiert erscheinen. Aber wir können nach wie vor damit umgehen, wenn wir uns klarmachen, daß es der Versuch ist, etwas Unbegreifliches in Worte zu kleiden. Was dabei herauskommt, ist ein Paradox. Was ich an Paradoxen so mag, ist ihre Bescheidenheit. Es wird einfach nur ein Problem mit einem Begriff benannt. Das Paradox überwindet die Widersprüche nicht. Es läßt sie stehen, und oft ist das genau der Punkt, an dem Sprache in Dichtung übergeht: Das Paradox ist ein beliebtes Stilmittel in den Hymnen der griechisch-orthodoxen Kirche. Die Bescheidenheit, die in den Paradoxen liegt, macht es mir möglich, zu einem Gott in Beziehung zu treten, dem seine Souveränität in der Beziehung mit uns nicht viel zu bedeuten scheint, der aber trotzdem Gott ist und bleibt.

Zugleich bekenne ich, indem ich ein Paradox ausspreche, die Grenzen meiner Erkenntnis. Man kann solche Lehren als Ballast empfinden und sie als nicht mehr zeitgemäß über Bord werden. Manchmal muß man das vielleicht sogar. Dann muß man sich aber sehr genau überlegen, was man da tut. Was man an die frei werdende Stelle setzt, muß dem Anspruch genügen, die Beziehung zu Gott sprachlich zu vermitteln. Andernfalls gibt man sich dem falschen Eindruck hin, gegenüber früheren Generationen irgendeinen Erkenntnisgewinn erzielt zu haben. So eine Illusion kann wohl nur auf Kosten der Beziehung zu Gott und den Mitmenschen gehen.

Gruß
Matthias
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RE: Ist das Christentum durch die Trinität polytheistisch? - von azad - 27-10-2008, 20:18
RE: Ist das Christentum durch die Trinität polytheistisch? - von Pravoslav_Bonn - 03-10-2011, 11:27
RE: Ist das Christentum durch die Trinität polytheistisch? - von Richard Bastian - 17-09-2012, 00:06
RE: Ist das Christentum durch die Trinität polytheistisch? - von Richard Bastian - 18-09-2012, 02:57
RE: Ist das Christentum durch die Trinität polytheistisch? - von Richard Bastian - 21-09-2012, 23:14
RE: Ist das Christentum durch die Trinität polytheistisch? - von Richard Bastian - 28-09-2012, 22:56
RE: Ist das Christentum durch die Trinität polytheistisch? - von Richard Bastian - 22-09-2012, 01:24

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