17-10-2008, 06:47
Durch die neuesten Beiträge habe ich überhaupt erst von diesem Thread erfahren, weil er jetzt aus der Versenkung gekommen ist.
So ähnlich ist ja auch der Ansatz im Koran. Todesstrafe und Körperstrafen werden um der gleichwertigen Vergeltung (nicht Rache!) willen verhängt oder wenn eine Grenz (hadd)-Überschreitung vorliegt, die eine Art Angriff auf Gottes Souveränität bedeutet. In solchen Fällen unterliegt die Verhängung dieser Strafen Bedingungen, die nach menschlichem Ermessen eine Verurteilung praktisch unmöglich machen - es sei denn, die vier Zeugen hätten mit den Ehebrechern in jeglichem Sinn des Wortes unter einer Decke gesteckt.
Meine eigene Meinung zur Todesstrafe ist eine völlig andere, aber wenn die Festlegung von Voraussetzungen zur Wahrheitsfindung dazu führt, daß es zu keinerlei Todesurteilen kommen kann, dann kann ich mich halbwegs damit abfinden - wenn diese Voraussetzungen auch eingehalten werden.
Nur so ein Gedanke.
Und was sollte man sonst mit den zehn Geboten tun, außer sich darauf zu berufen? Natürlich zuallererst in seiner privaten und öffentlichen Lebensführung. Die zehn Gebote stehen unter dem Vorzeichen der Verheißung und Befreiung, das wird gern vergessen. Und wo gegen diese Gebote verstoßen wird, da wird in allererster Linie die Chance nicht ergriffen, die Gott den Menschen gibt, die er befreit hat. Das verstehe ich auch dahingehend, daß überkommene Ordnungen zur Disposition stehen, einschließlich der sog. Schöpfungsordnungen. Dafür ein Beispiel: Nach dem sog. Sündenfall sprach Gott zur Frau: "Er soll dein Herr sein". So erklärt die Bibel, wie es zur vorfindlichen Vorherrschaft des Mannes über die Frau kam. Zugleich leitet sie diese Verhältnisse aus dem Verstoß gegen Gottes striktes Verbot her und verlegt sie in den Kontext des Rausschmisses aus dem Paradies. Welche Geltung haben solche Ordnungen noch unter dem Vorzeichen der Befreiung durch Gott?
Das gilt für mein Empfinden auch für die Frage der Todesstrafe. Wenn der Mensch durch Gott befreit und damit auch jeder menschlichen Verfügungsgewalt prinzipiell entzogen ist - welche Berechtigung hat dann noch die Todesstrafe? Einen Sinn ergibt sie nur noch, wernn der sein Gewaltmonopol ausübende Staat mit göttlichen Rechten ausgestattet wird und als Mittlerinstanz zwischen Gott und den Menschen fungiert. Bezeichnend ist, daß viele Staaten, in denen die Todesstrafe gilt, ohne solche Staatsmetaphysik gar nicht auskommen. In islamischen Staaten greift dafür eine sehr restriktive Auslegung der Scharia, und auch in den USA berufen Befürworter der Todesstrafe sich üblicherweise auf Gottes Willen und Gerechtigkeit. Die Gesellschaft gilt also nur dann als wirklich von Gott rechtgeleitet, wenn es regelmäßig mal so richtig weh tut. Natürlich nur irgendwelchen anderen.
Richtig schreibst Du, WiTaimre, daß man sich nicht dem Staat gegenüber auf Gebote berufen darf, die man selbst nicht einzuhalten bereit ist. Daraus ergibt sich für den Staat aber auch keine Berechtigung zur Todesstrafe unter Berufung darauf, daß die Menschen dem Leben anderer oft so wenig Bedeutung beimessen. Das wäre ein ganz billiges "wie du mir, so ich dir". Schon das biblische Talionsrecht war da weiter.
Gruß
Matthias
(15-01-2007, 19:02)WiTaimre schrieb: es ist nicht meine Logik, sondern einfach auch meinreligioeses Bekenntnis dazu, dass das Toeten nichts Endgueltiges setzt, aber reglementiert werden muss von sehr gutem Recht, das, wenn wie in der Bibel virgegeben eingesetzt, es pranktisch nicht moeglich machen sollte, Todesurteile auch zu vollstrecken - aber eben auch nicht erlaubt, dass Private es tagtaeglich tun, ohne gross wen zu fragen
So ähnlich ist ja auch der Ansatz im Koran. Todesstrafe und Körperstrafen werden um der gleichwertigen Vergeltung (nicht Rache!) willen verhängt oder wenn eine Grenz (hadd)-Überschreitung vorliegt, die eine Art Angriff auf Gottes Souveränität bedeutet. In solchen Fällen unterliegt die Verhängung dieser Strafen Bedingungen, die nach menschlichem Ermessen eine Verurteilung praktisch unmöglich machen - es sei denn, die vier Zeugen hätten mit den Ehebrechern in jeglichem Sinn des Wortes unter einer Decke gesteckt.
Meine eigene Meinung zur Todesstrafe ist eine völlig andere, aber wenn die Festlegung von Voraussetzungen zur Wahrheitsfindung dazu führt, daß es zu keinerlei Todesurteilen kommen kann, dann kann ich mich halbwegs damit abfinden - wenn diese Voraussetzungen auch eingehalten werden.
Zitat:Man darf sich nicht darauf berufen, dass in den 10-Geboten steht "Du wirst /sollst nicht morden", wenn man das dann nur von der Ordnungs-Macht verlangt, aber es ansonsten den "reifen" Mit-Individuen zur eignen Entscheidung ueberlaesst, wenn sie so fuer sich hin auszurotten belieben - oder wo es ihnen mangels klarer Vorstellungsgabe von der wirklichen Gleichheit (aber nicht Austauschbarkeit!) aller Menschenleben "einfach so passiert". !Das Verb, das die Bibel hier verwendet (רצח), kommt meist im Zusammenhang mit der Blutrache vor. Der רוצח ist jemand, der eine Tag begangen hat, die traditionsgemäß eine Blutrache nach sich zieht. Dumm nur, daß der Bluträcher bei der Ausführung seiner "Pflichten" selbst wieder zum רוצח wird, der Verfolgung fürchten muß. Es mag also sein, daß wir dieses Gebot ursprünglich als Aufforderung zu lesen haben, auf diesen Teufelskreis der Selbstjustiz zu verzichten und das Gewaltmonopol der dafür vorgesehenen Institutionen zu achten. Aber wo steht geschrieben, daß diese Institutionen dasselbe zu tun haben, was sonst Aufgabe des Bluträchers gewesen wäre? Im Gegensatz zum sich perpetuierenden System der Blutrache ist das Gericht im Tor dazu da, Gerechtigkeit zu schaffen - eine Vokabel, die ich im Zusammenhang mit der Blutrache noch nie gelesen habe, weder im Tenach noch anderswo. Das mag ein Indiz dafür sein, daß dem Gericht andere Mittel zur Verfügung stehen (und stehen müssen), als einen Ausgleich durch Eliminierung eines Schuldigen zu schaffen.
Nur so ein Gedanke.
Und was sollte man sonst mit den zehn Geboten tun, außer sich darauf zu berufen? Natürlich zuallererst in seiner privaten und öffentlichen Lebensführung. Die zehn Gebote stehen unter dem Vorzeichen der Verheißung und Befreiung, das wird gern vergessen. Und wo gegen diese Gebote verstoßen wird, da wird in allererster Linie die Chance nicht ergriffen, die Gott den Menschen gibt, die er befreit hat. Das verstehe ich auch dahingehend, daß überkommene Ordnungen zur Disposition stehen, einschließlich der sog. Schöpfungsordnungen. Dafür ein Beispiel: Nach dem sog. Sündenfall sprach Gott zur Frau: "Er soll dein Herr sein". So erklärt die Bibel, wie es zur vorfindlichen Vorherrschaft des Mannes über die Frau kam. Zugleich leitet sie diese Verhältnisse aus dem Verstoß gegen Gottes striktes Verbot her und verlegt sie in den Kontext des Rausschmisses aus dem Paradies. Welche Geltung haben solche Ordnungen noch unter dem Vorzeichen der Befreiung durch Gott?
Das gilt für mein Empfinden auch für die Frage der Todesstrafe. Wenn der Mensch durch Gott befreit und damit auch jeder menschlichen Verfügungsgewalt prinzipiell entzogen ist - welche Berechtigung hat dann noch die Todesstrafe? Einen Sinn ergibt sie nur noch, wernn der sein Gewaltmonopol ausübende Staat mit göttlichen Rechten ausgestattet wird und als Mittlerinstanz zwischen Gott und den Menschen fungiert. Bezeichnend ist, daß viele Staaten, in denen die Todesstrafe gilt, ohne solche Staatsmetaphysik gar nicht auskommen. In islamischen Staaten greift dafür eine sehr restriktive Auslegung der Scharia, und auch in den USA berufen Befürworter der Todesstrafe sich üblicherweise auf Gottes Willen und Gerechtigkeit. Die Gesellschaft gilt also nur dann als wirklich von Gott rechtgeleitet, wenn es regelmäßig mal so richtig weh tut. Natürlich nur irgendwelchen anderen.
Richtig schreibst Du, WiTaimre, daß man sich nicht dem Staat gegenüber auf Gebote berufen darf, die man selbst nicht einzuhalten bereit ist. Daraus ergibt sich für den Staat aber auch keine Berechtigung zur Todesstrafe unter Berufung darauf, daß die Menschen dem Leben anderer oft so wenig Bedeutung beimessen. Das wäre ein ganz billiges "wie du mir, so ich dir". Schon das biblische Talionsrecht war da weiter.
Gruß
Matthias
