30-09-2008, 23:22
Fortsetzung
Ja, jetzt kommt's. Jetzt weiß ich nicht, wie ich das erklären soll. Es begann wohl so, dass ich rauskriegen wollte, was tatsächlich die "Wirklichkeit" ist, die Realität. Ich hab da jahrelang dran rumgemacht, aber Meilensteine waren dabei wohl zum einen das Studium von Kant - wir nehmen mittels unseres Sinnes- und Verstandesapparates durch eine Art Raster wahr-, zum zweiten durch meine Beschäftigung mit der Sprache.
Mir wurde immer klarer, dass die Sprache ein weiteres Raster ist, mit der wir die Wirklichkeit vollkommen verbogen, verkürzt und verformelt wahrnehmen.
Die Worte wurden vermutlich erfunden, um sich knapp und eindeutig verständigen zu können. Das Wort "Wasser" genügte, um klar mitteilen zu können, was man mit dem Satz: "Hol Wasser" sagen wollte. Man ging zum Fluss und holte das Wasser. Gab es nun aber auch noch einen Brunnen, erfand man dieses Wort, um es von dem Fluss abgrenzen zu können. Usw. Die Wörter mussten nur klar die Dinge benennen, mehr war von ihnen nicht verlangt. Und darum KÖNNEN sie gar nicht die Wirklichkeit des Wassers oder die Wirklichkeit der Wirkung des Wassers auf mich beschreiben. Sprache dient nicht dazu, die Wirklichkeit zu beschreiben.
Noch stärker ist das sichtbar bei den abstrakten Begriffen. "Freiheit", "Liebe", "Verliebtheit", "Erkenntnis" - das sind alles nur eine Zusammenziehung von einer Vielfalt von Abläufen. Diese Wörter beschreiben diese Abläufe nicht, sondern assoziieren sie nur. Wie Kürzel sozusagen. Darum muss man nicht diese Wörter untersuchen, wenn man erfahren will, was an Wirklichkeit abläuft, sondern im Gegenteil: man muss sich bemühen, hinter diese Wörter zu steigen, sie praktisch ausklammern.
Wenn einem das tatsächlich gelingt, diese Zwangsbenennungen auszuschalten, die Dinge und das Geschehen ohne benennende Worte zu erfassen, dann werden einem plötzlich ganz andere Bezüge klar. Unsere Sprache hat unser Denken geprägt und umgekehrt. Darum nehmen wir die Wirklichkeit meist naturwissenschaftlich wahr, mittels dieser Schemata. Kann man das vorübergehend ausschalten, kann das große Glück ausbrechen. Die Erkenntnis, "dass alles ganz anders ist".
Ich bin inzwischen vollkommen davon überzeugt, dass die Begriffe "Diesseits-Jenseits" vermutlich nur dieses meinen: dass unser Gehirn uns eine Welt konstruiert, die praktikabel ist, aber den wirklichen lebendigen Ablauf nicht schildert. Diese andere Welt, die es zu entdecken gilt, ist ein Jenseits. Sie ist längst da, nicht erst durch den Tod wahrnehmbar (was manche Gläubige glauben). Sie liegt vor unseren Augen. Man sieht nur den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Ich werde auf keinen Fällen behaupten, dass das eine geistige Welt ist. Die geistige besteht auch aus lauter künstlichen Begriffen, ich jedenfalls komme da nicht weiter. Wenn man diese Wirklichkeit, in der wir uns jeden Tag und jeden Moment befinden, erfassen will, muss man seine Sinne schulen. In der Regel nehmen wir nur ein Gewirr von Gedanken und Gefühlen wahr, das uns ständig durchschießt. Wir haben nur unseren Verstand kultiviert, mit dem können wir sezieren. Aber dieses Gefühls- und Gedankenwirrwar haben wir stets unbeobachtet und unkultiviert gelassen. Und doch, wenn man da Licht ins Dunkel bringt, mal feststellt, wie man TATSÄCHLCH erlebt, dann ist das das ganz große Abenteuer. Da steht dann das "Ich" zur Disposition, man kann diesen Begriff nicht mehr aufrecht erhalten, weil man notwendigerweise erkennt, dass man überhaupt nicht aus sich selber lebt, sondern ständig gespeist wird von ganz anderen Dingen. Dieser Wahrheit kann man sich dann einfach nicht mehr verschließen, wenn man auf die Wörter keinen Wert mehr legt, die einem eine Einheit vorspielen, wo gar keine ist.
Weil ich erkannt habe, dass dieses Ich nur eine intellektuelle Konstruktion ist, eine Schablone, eine Schublade, reine Wortkonstruktion, muss ich natürlich rauszukriegen suchen, was denn wirkilch abläuft, wo alle meine Gedanken und Gefühle herkommen.
Ich hab zu oft beobachtet, dass meine Stimmungen von außen beeinflusst sind, dass ich mich noch nicht mal überhaupt isolieren kann von den Dauereinflüssen von draußen, auch zu oft beobachtet, dass meine Gedanken, die ich für meine eigenen hielt, schon mal irgendwo gelesen habe: als dass ich mein Ich noch für eine unabhängige Entität halten kann.
Ich brech mal ab, ist eh schon zu lang geworden. Aber dem, was ich zu meinem Ich zähle, scheint mir eher was Fließendes, ständig sich Veränderndes zu Grunde zu liegen. Ungefähr so, als wenn ich bei Word einen Ordner anlege und sage: der ist jetzt mein Ich. Und in diesen Ordner tue ich lauter Links aus dem Internet. Alles, was ich zu mir zählen möchte, tue ich da rein. Aber die Links haben auch ihr Eigenleben, sie sind nur ein Ausschnitt aus dem Datenfluss, an dem auch andere arbeiten. Sie verändern sich. Wenn ich alle Monate in meinen Ordner gucke, werde ich feststellen, dass sich der Inhalt verändert hat. Manches schmeiße ich dann raus, anderes mache ich mir zu eigen, bei anderen füge ich selber was hinzu und gebe es in den Datenfluss.
So ungefähr ist mein Grundgefühl. Ich bin Teil dieses ganzen Geschehens, beeinflusse es ständig mit und werde beeinflusst. Die Ich-Absonderung ist künstlich, existiert nicht wirklich. Ich steuere das alles mit, so wieder jeder das mitsteuert. Und ob ich meinen "Ordner" auflöse, ist da ganz egal, es passiert nichts. Der Tod wird furchtbar dramatisiert, dabei passiert gar nichts weiter. Es bleibt alles, wie es ist. Mein Bewusstsein ist nicht da, wo mein Ich ist. Da bin ich ziemlich sicher. Über "Bewusstsein" haben wir ja einen anderen Thread.
Nix wie hin.
Zitat:Zum anderen:
>Ernst Bloch, der große jüdisch-marxistische Philosoph, sprach von dem
> nächsten großen Abenteuer, das auf ihn warte. Und er war alles andere
> als gläubig.
Und genau das verstehe ich nicht. Was ist dieses Abenteuer? Und was meinst Du mit diesem Abschnitt, der mich zwar fasziniert, den ich aber nicht verstehe:
>Dass mit dem Tod "alles aus ist" - davon glaube ich kein Wort.
>Das Wissen, das in den letzten Jahrzehnten in mir gewachsen ist
> - ohne jegliche religiöse Überzeugung - hat auch ein Urvertrauen
>in mir erzeugt, das ich als Kind und Pubertierender noch nicht
>hatte. Es ist entstanden gerade durch diese letzten Tode,
> von denen ich erzählt habe. Als ob dadurch, dass der Tod
>mich GEZWUNGEN hat, loszulassen, mir den Zugang zu
>uraltem Wissen geöffnet hat, der vorher verstopft war.
>Aber dieses Wissen hatte ich latent auch schon früher.
>Der PANTHEISMUS hat von diesem Wissen einiges formuliert,
>die Mystik auch. Angezogen hat mich auch gerade Spinoza
>und Meister Eckhart aus diesem Grund. Sie wussten etwas
>davon, wie "das Sein" funktioniert, frei von dem, was unsere
> vernaturwissenschftlichte Weltsicht uns glauben machen will.
>Die Dinge sind ganz anders, ganz anders.
Ja, jetzt kommt's. Jetzt weiß ich nicht, wie ich das erklären soll. Es begann wohl so, dass ich rauskriegen wollte, was tatsächlich die "Wirklichkeit" ist, die Realität. Ich hab da jahrelang dran rumgemacht, aber Meilensteine waren dabei wohl zum einen das Studium von Kant - wir nehmen mittels unseres Sinnes- und Verstandesapparates durch eine Art Raster wahr-, zum zweiten durch meine Beschäftigung mit der Sprache.
Mir wurde immer klarer, dass die Sprache ein weiteres Raster ist, mit der wir die Wirklichkeit vollkommen verbogen, verkürzt und verformelt wahrnehmen.
Die Worte wurden vermutlich erfunden, um sich knapp und eindeutig verständigen zu können. Das Wort "Wasser" genügte, um klar mitteilen zu können, was man mit dem Satz: "Hol Wasser" sagen wollte. Man ging zum Fluss und holte das Wasser. Gab es nun aber auch noch einen Brunnen, erfand man dieses Wort, um es von dem Fluss abgrenzen zu können. Usw. Die Wörter mussten nur klar die Dinge benennen, mehr war von ihnen nicht verlangt. Und darum KÖNNEN sie gar nicht die Wirklichkeit des Wassers oder die Wirklichkeit der Wirkung des Wassers auf mich beschreiben. Sprache dient nicht dazu, die Wirklichkeit zu beschreiben.
Noch stärker ist das sichtbar bei den abstrakten Begriffen. "Freiheit", "Liebe", "Verliebtheit", "Erkenntnis" - das sind alles nur eine Zusammenziehung von einer Vielfalt von Abläufen. Diese Wörter beschreiben diese Abläufe nicht, sondern assoziieren sie nur. Wie Kürzel sozusagen. Darum muss man nicht diese Wörter untersuchen, wenn man erfahren will, was an Wirklichkeit abläuft, sondern im Gegenteil: man muss sich bemühen, hinter diese Wörter zu steigen, sie praktisch ausklammern.
Wenn einem das tatsächlich gelingt, diese Zwangsbenennungen auszuschalten, die Dinge und das Geschehen ohne benennende Worte zu erfassen, dann werden einem plötzlich ganz andere Bezüge klar. Unsere Sprache hat unser Denken geprägt und umgekehrt. Darum nehmen wir die Wirklichkeit meist naturwissenschaftlich wahr, mittels dieser Schemata. Kann man das vorübergehend ausschalten, kann das große Glück ausbrechen. Die Erkenntnis, "dass alles ganz anders ist".
Ich bin inzwischen vollkommen davon überzeugt, dass die Begriffe "Diesseits-Jenseits" vermutlich nur dieses meinen: dass unser Gehirn uns eine Welt konstruiert, die praktikabel ist, aber den wirklichen lebendigen Ablauf nicht schildert. Diese andere Welt, die es zu entdecken gilt, ist ein Jenseits. Sie ist längst da, nicht erst durch den Tod wahrnehmbar (was manche Gläubige glauben). Sie liegt vor unseren Augen. Man sieht nur den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Ich werde auf keinen Fällen behaupten, dass das eine geistige Welt ist. Die geistige besteht auch aus lauter künstlichen Begriffen, ich jedenfalls komme da nicht weiter. Wenn man diese Wirklichkeit, in der wir uns jeden Tag und jeden Moment befinden, erfassen will, muss man seine Sinne schulen. In der Regel nehmen wir nur ein Gewirr von Gedanken und Gefühlen wahr, das uns ständig durchschießt. Wir haben nur unseren Verstand kultiviert, mit dem können wir sezieren. Aber dieses Gefühls- und Gedankenwirrwar haben wir stets unbeobachtet und unkultiviert gelassen. Und doch, wenn man da Licht ins Dunkel bringt, mal feststellt, wie man TATSÄCHLCH erlebt, dann ist das das ganz große Abenteuer. Da steht dann das "Ich" zur Disposition, man kann diesen Begriff nicht mehr aufrecht erhalten, weil man notwendigerweise erkennt, dass man überhaupt nicht aus sich selber lebt, sondern ständig gespeist wird von ganz anderen Dingen. Dieser Wahrheit kann man sich dann einfach nicht mehr verschließen, wenn man auf die Wörter keinen Wert mehr legt, die einem eine Einheit vorspielen, wo gar keine ist.
Weil ich erkannt habe, dass dieses Ich nur eine intellektuelle Konstruktion ist, eine Schablone, eine Schublade, reine Wortkonstruktion, muss ich natürlich rauszukriegen suchen, was denn wirkilch abläuft, wo alle meine Gedanken und Gefühle herkommen.
Ich hab zu oft beobachtet, dass meine Stimmungen von außen beeinflusst sind, dass ich mich noch nicht mal überhaupt isolieren kann von den Dauereinflüssen von draußen, auch zu oft beobachtet, dass meine Gedanken, die ich für meine eigenen hielt, schon mal irgendwo gelesen habe: als dass ich mein Ich noch für eine unabhängige Entität halten kann.
Ich brech mal ab, ist eh schon zu lang geworden. Aber dem, was ich zu meinem Ich zähle, scheint mir eher was Fließendes, ständig sich Veränderndes zu Grunde zu liegen. Ungefähr so, als wenn ich bei Word einen Ordner anlege und sage: der ist jetzt mein Ich. Und in diesen Ordner tue ich lauter Links aus dem Internet. Alles, was ich zu mir zählen möchte, tue ich da rein. Aber die Links haben auch ihr Eigenleben, sie sind nur ein Ausschnitt aus dem Datenfluss, an dem auch andere arbeiten. Sie verändern sich. Wenn ich alle Monate in meinen Ordner gucke, werde ich feststellen, dass sich der Inhalt verändert hat. Manches schmeiße ich dann raus, anderes mache ich mir zu eigen, bei anderen füge ich selber was hinzu und gebe es in den Datenfluss.
So ungefähr ist mein Grundgefühl. Ich bin Teil dieses ganzen Geschehens, beeinflusse es ständig mit und werde beeinflusst. Die Ich-Absonderung ist künstlich, existiert nicht wirklich. Ich steuere das alles mit, so wieder jeder das mitsteuert. Und ob ich meinen "Ordner" auflöse, ist da ganz egal, es passiert nichts. Der Tod wird furchtbar dramatisiert, dabei passiert gar nichts weiter. Es bleibt alles, wie es ist. Mein Bewusstsein ist nicht da, wo mein Ich ist. Da bin ich ziemlich sicher. Über "Bewusstsein" haben wir ja einen anderen Thread.
