14-08-2008, 20:55
(13-08-2008, 21:43)t.logemann schrieb: Es geht hier garnicht um die "kritische Auseinandersetzung", liebe Gudrun.
Ich kann`s mir durchaus erlauben, mich kritisch zum Christentum zu äussern - ich entstamme einer christlichen Kultur und bin zwar aus der Landeskirche ausgetreten, lebe aber mit meinem Glauben immernoch im traditionellen Einflussgebiet der beiden grossen Kirchen. Da aber die Nazi`s mit den bekannten Folgen dafür "sorgten", das meine Generation in ihrer Jugend so gut wie keine Kontakte zum gelebten Judentum hatte - tu`ich mich auch bei Diskussionen mit Juden über das Judentum ein wenig schwer... Mein Väterchen hat`s "besser" gehabt - sein bester Freund war Jude aus der Gemeinde in Frankfurt-Bornheim...
Ich kann`s mir auch erlauben, mich kritisch mit dem Islam auseinander zu setzen, weil ich den Islam als "Bindeglied, Bindereligion" zwischen dem Christentum und meiner Religion ansehe - und mich daher auch intensiv mit dem Islam befasste und immer noch befasse. Und von meiner Religion gibt`s auch Freunde die sich ebenso kritisch mit dem Judentum auseinanders setzen können - weil sie eben 10 Jahre oder länger an unserem administrativen Weltsitz in Haifa gearbeitet haben und von daher `ne ganze Menge jüdischer Freunde gewonnen haben. Nur - ich gehöre halt nicht dazu (man kann ja nicht alles haben....). Insoweit "prallen" auch Nadia und ich gelegentlich aufeinander - und im Prinzip ist das ja auch nicht schlimm; nur durch ein solches "Aufeinander-Prallen" ergeben sich auch spannende Diskussionen. Hierbei ist es natürlich auch wichtig, das in Israel unsere Leute eine grosse Hochachtung geniessen, u.a. auch deswegen, weil wir in Israel keinerlei Lehr- oder Missionstätigkeit machen. Und genau das schaft den Raum für ein freundliches aber auch durchaus kritisches Aufeinander-Zugehen.Christliche und muslimische Missionare - haben unsere jüdischen Freunde selbst im eigenen Land schon zuviele "vor der Tür stehen gehabt"...
Ein weitestgehend unbefangenes Aufeinander-Zugehen ist in Deutschland für Deutsche schwierig - egal ob es sich um jüdische oder christliche Deutsche handelt. Man darf mal nicht vergessen, das Hitler den Antisemitismus keineswegs "erfunden" hatte - den gab`s im Kaiserreich auch schon... und zur Zeit der Kurfürsten.... bis zurück zu Karl dem Grossen.... bis zurück nach Byzanz. Aber das wirklich Schlimme, das uns Deutsche von Franzosen, Spaniern, Osmanen unterscheidet: Wir haben uns unseren "Teufel" gewählt - und es nicht mal fertig gebracht, den braunen Vertreter auch wieder zurück in`s Fegefeuer zu schicken. Das haben die Allierten für uns gemacht.... Und das gleich hinter her kommende Mal: Wir haben die zweite Garnitur der Nazi`s je nach Systemlage entweder schwarz-rot-gold-demokratisch oder schwarz-rot-gold-sozialistisch "angemalt" - und als Aufbaufachmenschen für das zerstörte Land benutzt. Wir haben es noch nicht mal fertig gebracht, die zweite und dritte Garnitur dieser Verbrecher davon zu jagen..... und so wurde aus manchem Gauleiter ein Landrat, aus manchem Gestapomann ein Beamter der Verfassungsschutzes, aus manchem Marinerichter der Nazis sogar ein Ministerpräsident eines Bundeslandes.... Die Portugiesen haben ihren Diktator in der Nelkenrevolution zum Teufel gejagt, die Spanier haben nach 40 Jahren aus eigener Kraft Franco in die Wüste gerschickt, sogar die Italiener haben mitten in der dunklen Zeit Mussolini verjagt - zwar mit Hilfe der Allierten, aber immerhin auch durch eigene Kraft - nur wir Deutsche haben gerade mal eine Handvoll Widerstandskämpfer gehabt - die dann fast alle auch noch erschossen oder erhängt wurden...und kein Deutscher hat sich gerührt... Das politische Verhältnis zwischen Deutschland und Israel ist o.k., aber das menschliche Verhältnis zwischen Juden und Christen/Muslimen/Baha`i in Deutschland.... Es ist nichtz ganz so einfach wenn ein Jude einen Deutschen trifft - vor allen Dingen wenn der Jude seine Grosseltern in Ausschwitz verloren hat und die Grosseltern des Deutschen im Mütterbund und in der SA waren... (gut, einer meiner Grossväter ist 1932 mit dem Motorrad unter die Strassenbahn gekommen, der andere Grossvater stand 1944 selber kurz vor`m KZ - weil er die "Fremdarbeiter" genauso partnerschaftlich behandelt hat, wie seine deutschen Gesellen... aber diese Familiengeschichte ist wohl eher die Ausnahme...).
Es geht also wirklich nicht um "in Ehrfurcht erstarren"......
Hallo,
was Du Dir mit Deiner persilweißen Verwandtschaft so alles erlauben kannst, interessiert mich nicht nicht wirklich.
Juden sind für mich ganz normale Menschen, mit denen man ganz normal diskutieren kann.Vielleicht ist dies eine ganz neue Art des Antisemitismus, der besagt, dass man nicht "normal" mit Juden reden kann, weil sie alle noch traumatisiert sind von den Geschehnissen des "Dritten Reichs".
Ich bin nach 1945 geboren und fühle mich nicht verantwortlich für das, was vor meiner Zeit passiert ist.
Natürlich habe ich mich über diese Zeit informiert und bin mir sicher, dass ähnliche Entgleisungen auch heute noch stattfinden könnten.
Ideale Opfer gibt es ja schon: DIE Moslems, DIE Ausländer, DIE Arbeitslosen...
Unsere Verantwortung - ob als Christen oder "nur" als Menschen - liegt darin, zu verhindern, dass es nochmals zu ähnlichen Gräueltaten kommt!
Gruß - Gudrun
... Äh, - übrigens: Erzählst Du jedem Juden, mit dem Du Dich unterhalten möchtest, auch erst Deine Familiengeschichte???:coffee:
meinst Du, die wollen DAS wirklich hören?
Jedes Mal, wenn ein Traum in Erfüllung geht, geht er verloren.

