04-01-2008, 23:27
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 04-01-2008, 23:33 von Alanus ab Insulis.)
Mandingo schrieb:Ideologisch kann doch wohl kaum eine Übersetzungsvielfalt, wie sie die "Bibel in gerechter Sprache" bietet, sein.
Die 66 verschiedenen biblischen Bücher sind von 42 Frauen und 10 Männern übersetzt worden, ohne dass eine einheitliche Glättung der Stile und Eigenheiten vorgenommen wurde.
So hat man die Chance, bekannte Texte in interessanten Varianten neu zu hören. Keine der vertrauten Übersetzungen ist eine Norm, Bibeltexte lassen sich nun vergleichen und neu reflektieren. Verfremdungen regen zur Suche nach dem Geist in den Buchstaben, zur eigenen Position an.
Oh es ist hier in der Tat von Ideologie zu sprechen, denn es handelt sich hier nicht um eine natürliche Übersetzungsvielfalt, wie sie z.B. entsteht wenn mehrere Translatoren ein und die selbe Textstelle bearbeiten, sondern um bewusste Manipulation (Handanlegung) an den eigentlichen Literalsinn.
Zwar ist jede Übersetzung Interpretation und natürlich auch von den Quellen abhänig, doch ist der Maßstab für eine Übersetzung immer die exakte Übertragung des Literalsinns, nicht der allegorischen oder metaphorischen Sinne. Eine Übersetzung ist dort zu verwerfen wo sie das nicht leistet und anstatt der Intention und Aussage des Autors, die eigene Intention und Aussage widergibt.
Bischof Huber, bei Leibe kein Traditionalist, kritisierte es so: „Dass eine Übersetzung immer auch Interpretation enthält, wird hier umgedreht: Die Interpretation wird als Übersetzung ausgegeben. Das ist ein Verstoß gegen das reformatorische Schriftprinzip. Gerechtigkeit ist ein zentrales Thema der Bibel. Aber man kann doch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit einen Bibeltext so verdrehen, dass etwa dort, wo eindeutig zwölf Männer gemeint sind, ‚Apostelinnen und Apostel‘ geschrieben wird und der Leser den Eindruck erhält, als hätte es in diesem Kreis auch Frauen gegeben.“
Ein m.E. nach lesenswerter Beitrag zu dieser Thematik hat Prof. Dr. Schwienhorst-Schönberger (Uni Wien) formuliert: hier klicken!
"Mich überzeugen die angeführten Gründe nicht. Es wird u.a. mit dem Verweis auf die jüdische Tradition argumentiert. Dabei fällt allerdings auf, dass ausgerechnet jene jüdische Tradition übergangen wird, die für die christliche Tradition bestimmend wurde: die Wiedergabe des Gottesnamens JHWH mit kyrios „Herr“ in der Septuaginta. In dieser Tradition steht auch das Neue Testament. So dürfte der eigentliche Grund, das Wort „Herr“ als Wiedergabe von JHWH zu meiden, darin liegen, Aspekte von „Autorität und Herrschaft“ von Gott fernzuhalten. Das wird in der Einleitung (18) auch angedeutet, leider aber nicht begründet. Das ist problematisch. Mose darf Gott zwar nicht mehr als „mein Herr“, wohl jedoch als „meine Herrin“ anreden (Ex 4,10.13). Ist die Herrin weniger autoritär als der Herr? Noch problematischer wird es, wenn das Wort kyrios im Neuen Testament umschreibend umgangen wird. Dadurch gerät das subtile biblische Sprachgefüge aus dem Lot. So darf Jesus offensichtlich nicht mehr „Herr“ genannt werden, selbst wenn Maria von Magdala dies nach Joh 20,18 getan hat:
„Ich habe den Herrn (ton kyrion) gesehen“ wird zu „Ich habe Jesus den Lebendigen gesehen“. Hier kann nicht mehr von Übersetzung gesprochen werden. Der Text wird einfach umgeschrieben. Die „Übersetzung“ wimmelt von derartigen Eintragungen und Ergänzungen. Statt „das er unseren Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig“ (EÜ) heißt es „wie sie es unseren Vorfahren zugesagt hatte, Sara und Abraham und ihren Nachkommen für alle Zeit“ (Lk 1,55). Die Hinzufügung von „Sara“ ist gut gemeint, steht aber nicht im Text. Aus Gründen der „Geschlechtergerechtigke i t “ wird Sara hinzugefügt. Hätte man aus Gründen sozialer Gerechtigkeit nicht auch noch Hagar, Saras Magd (oder Sklavin), hinzufügen und mit Rücksicht auf den interreligiösen Die Bibel unter neuen Blickwinkeln Dialog unter den Nachkommen (Abrahams und Hagars) auch noch Ismael sichtbar machen müssen? Was hier praktiziert wird, ist keine Übersetzung, sondern eine Fortschreibung."
Mandingo schrieb:Der von Laien immer schnell vermuteten Willkür
sind dabei enge Grenzen gesetzt. Alle ÜbersetzerInnen sind wissenschaftlich qualifiziert, zu Begründungen und Nachweisen verpflichtet, die sie aus der Zeitgeschichte der Texte, der Kenntnis der Autoren und gesellschaftlichen Hintergründe entnehmen.
Genauso qualifiziert sind die meisten Kritiker auch, wobei die Mehrheit der Professoren für die biblische Exegese dieses Projekt mir reichlich Kritik bedient haben. Mal davon ganz abgesehen das fachliche Qualifikation durchaus, wie man ja sieht, für ideologische Voreingenommenheit platzt lässt.
Mandingo schrieb:Dass man da über vieles anderer Meinung sein kann,
ergibt sich von selbst.
Aber das ist doch das Normalste, wenn es keine autorisierte Bibelübersetzung gibt. Eine autoritäre Verdammung bestimmter Positionen, wie sie vom Vatikan aus möglich ist, geht am sachgemäßen Umgang mit Büchern dieses Alters vorbei.
Ebenso der Spott von Theologen beider Kirchen, die sich keine Gedanken darüber machen, wie bestimmte alte sprachliche Einseitigkeiten Menschen irritieren oder wichtige Appelle verpuffen lassen.
Wenn Paulus "seine Brüder" zur Bescheidenheit im Behaupten ihrer Standpunkte aufruft, dann ist eine Erweiterung der Anrede auf "Brüder und Schwestern" nun einmal logisch und wichtig.
Es geht hier nicht um Verdammung durch zentrale Lehrautroität Mandingo, sondern darum, dass diese Projekt schlichtweg eine unseriöse und nicht ernstnehmbare Übersetzung ist. Hätte man die Übersetzung auf solche Möglichkeiten, wie du sie genannt hast, wie das dem Literalsinn nicht widersprechende "Brüder und Schwestern" (meistesn zumindest) reduziert, hätte wahrscheinlich die Mehrheit kaum Kritik geübt. Stattdessen werden hier völlig neue Sinngehalte in den Text hineingelegt. Und diese sind für den ottonormal Bibelleser, der sicher nicht über die passende Qualifikation verfügt, nicht von dem ursprünglichen Sinn zu unterscheiden und werden daher als authentisch aufgefasst. Dabei wird man aber weder dem Text gerecht, noch ist es seriös verfälschte Texte als gerecht zu stilisieren und damit eine sprachliche Gerechtigkeit zu suggerieren, von der wir spätestens seit Pseudo-Dionysius Aeropagita (de divinis nominibus) wissen, dass es sie nicht gibt.
Brauchbarer wäre es indessen gewesen, wenn man sich von protestantischer Seite wieder an einen Tisch mit den Katholiken gesetzt und die Einheitsübersetzung redigiert hätte, die auch genug Fehler kennt. Ein solch ökumenisches Projekt wäre sicher wesentlich tragfähiger und ernstzunehmender gewesen.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)

