26-11-2007, 12:32
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 26-11-2007, 12:46 von Alanus ab Insulis.)
Ekkard schrieb:Ich denke, wir können uns dahingehend verständigen, dass "alte Texte" ein sich wandelndes, historisch bedingtes Gottesbild tradieren, was mit Gott nichts und mit den Menschen alles zu tun hat.
Ich meine genau das ist hier die Frage oder? Hat es wirklich nichts mit Gott zu tun, immerhin zählt das Alte Testament in fast allen christlichen Konfessionen zu jenen Schriften, die Offenbarungscharakter besitzen. Und es ist auch de facto so, dass daraus Handlungsmaximen und Gottesbilder abgeleitet werden.
Das geht von den Psalmengesängen der römischen Stundenliturgie über die ekstatische Bibelinterpretation diverser Freikirchen. Daher ist die Frage nach dem Wert und der Würde der alttestamentlichen Schriften nicht eine rein akademische Frage nach biblischer Hermeneutik, sondern von höchstaktueller Tragkraft.
Flat schrieb:Genau das ist der Knackpunkt, weshalb ich hier dem Zusammenwerfen von christlichen und jüdischen widerspreche.
In der Tat ist das genau der Knackpunkt! Es geht um das Verhältnis von jüdischer Interpretation des Alten Testamentes und dem christlichen.
Ich glaube du machst es dir daher zu einfach, wenn du den christlichen Theologen eine Auslegung des AT einfach verwehrst und allein der jüdischen Tradition zu gestehst. Bedenke, in den ersten 100-200 Jahren waren die Christen aus jüdischer und auch aus römischer Sicht nichts anderes als eine jüdische Sekte!
Weiterhin muss man beachten, dass das Neue Testament notwendig auf den Verheißungen des alten Testamentes aufbaut. Man denke nur die Messiasvorstellung und die etlichen Zitate der Propheten durch die Evangelisten. Oder an die versierten, durch pharisäische Didaktik geschulte Auslegung eines Paulus in seinen Briefen. Daher ist das Christentum ebenso wenig zu Denken ohne das Gottesbild des Alten Testamentes, wie das Judentum.
Das dabei natürlich beide Religionen diverse Schriftstellen völlig unterschiedlich interpretieren ergibt sich notwendig aus ihren Glauben. So würde wahrscheinlich ein jüdischer Schriftgelehrter niemals auf die Idee kommen die Kupferschlange (Num 21, 4-9) als Vorausbild für die Kreuzerhöhung zusehen, wie etwa die Kirchenväter in ihrer allgorischen Deutung der Schrift. Erstaunlich sind aber auch immer wieder die Parallelen.
Man nehme zumm Bsp. die Lesungen des Christkönigsfestes:
1. 2 Sam 5, 1-3
Ps. 122
2. Kol 1, 12-20
3. Lk 23, 35-43
Wenn man mal davon absieht, dass Jesus im Judentum nicht als Christus und Messias gesehen wird, ist doch die Art und Weise wie hier die alte Vorstellung eines messianischen Königtums, dass sich an dem des davidischen Geschlechts orientiert, hier aufgegriffen wird und im Lichte Jesu gesehen wird beachtlich. Eine Vorstellung ohne die die gesamte Christologie zusammenbrechen würde, eine Vorstellung die seit den ersten christlichen Gemeinden zum festen Glaubensgut eines liebenden Erlösergottes gehört.
Es scheint mir daher sehr wohl eine legitime Interpretation und Auslegung jener alttestamentlichen Schriften zugeben, selbst wenn oder gerade weil sie im Lichte der Offenbarung Jesu getätigt wird.
In diesem Sinne versteht sich dann auch, warum die alte Kirche nicht lange damit gefackelt hat Marcion in die Schranken zu weisen. Es ist und bleibt für die Kirchen apostolischer Tradition, wie sie heute in der Römischen, den Orthodoxen und den Altorientalischen bestehen, nicht akzeptabel jene Texte authentischer Offenbarung auszuschließen, die ebenfalls "Wort des lebendigen Gottes" (wie die Liturgie sagt) sind, wie die Evangelien oder die apostolsichen Briefe. Ein Bruch der Offenbarung wie Marcion sie präferiert, ist daher angesichts dieser entscheidenden Grundlagen des hebräischen Gottesbildes völlig untragbar.
Ergänzend kann man natürlich noch anmerken, dass es natürlich nicht nur Marcions Idee von 2 Göttern, nicht Gottesbildern, war, sondern seine auch völlig unbiblische Philosophie von einem Demiurgos, seine Kürzungen der Paulusbriefe und des Lukasevangeliums waren, die zum Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft geführt haben.
Mfg
Presbyter
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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