(06-09-2025, 08:19)Farius schrieb: ...wie kannst Du so sicher wissen, was dem Evangelisten Matthäus alles bekannt war?
Es steht jedenfalls fest, dass er dazu nichts mitgeteilt hat.
Die Episode, in der die Frau des Pilatus zu Wort kommt, ist Sondergut des Mt, das von dir mit einem Detail, das den Pilatus-Akten festgehalten ist, ergänzt wurde. Anzunehmen, dem Evangelisten könnte bekannt gewesen sein, was in späteren Texten an Ausschmückungen hinzugekommen war, ist in der Geschichtswissenschaft sagen wir mal unüblich.
Zum Namen Claudia Procula ist noch zu sagen, dass der Name Procula erstmals in einer griechischen Handschrift des 6. Jhs zu den Pilatus-Akten auftaucht. Einem Text aus dem frühen 17. Jh entstammt die Namensbezeichnung Claudia Procula.
Der spanische Jesuit Román de la Higuera (1551-1624) gibt in einer von ihm verfassten Chronik (die vorgibt, einen Text aus dem 4. Jh von Lucius Flavius Dexter wiederzugeben) den Namen der Frau des Pilatus mit Claudia Procula an. Dabei hatte er die römische Christin Claudia, die im 2. Brief an Timotheus (4, 21) erwähnt wird, im Blick. Im 17. Jh entstand auch die Legende, Claudia Procula sei die Tochter des Tiberius gewesen.
Seitdem ist in gedruckten Texten zu den Pilatus-Akten bzw. zum Nikodemus-Evangelium oftmals Claudia Procula als Name der Frau des Pilatus zu lesen.
(06-09-2025, 08:19)Farius schrieb: Müsste dann nicht das ganze Matthäus Evangelium als Erfindung gewertet werden?
Sondergut der Evangelisten muss auf seine Historizität noch aufmerksammer abgeklopft werden als der übrige Textbestand.
Matthäus apokryphen Texten entnommene Sachverhalte unterzujubeln, sollte man tunlichst vermeiden.
(06-09-2025, 08:19)Farius schrieb: Man kann ja wohl kaum sagen, dass wenn Lukas oder ein anderer das gleiche erwähnt, dann sagt Matthäus die Wahrheit, sonst aber lügt er.
Wo sie übereinstimmen haben Matthäus und Lukas den Markustext und die Quelle Q benutzt. Über die Historizität der behaupteten Sachverhalte sagt das nichts weiter aus. Wie schon angemerkt: Das Sondergut, das beide einbringen, verdient besonders kritische Aufmerksamkeit.
MfG B.