30-08-2025, 21:32
(09-08-2025, 21:29)Ulan schrieb: Diese "Geisteswissenschaft" nennt sich Psychologie.
(09-08-2025, 21:45)Ulan schrieb: Nun, diese Fragen, die Du aufgeworfen hast, sind halt schon seit Jahrtausenden die Domaene der Philosophie.
Versuchen wir noch einmal, etwas mehr Klarheit in dieses Thema zu bringen. Es war auch mein Fehler, dass ich hier die Introspektion mit den "großen Fragen des Daseins" gleichgesetzt habe. Denn eigentlich ist das etwas anderes.
Bei der Introspektion geht es im wesentlichen um die Beantwortung der Frage: "Wer oder was bin ich"? Diese Frage fällt genau genommen nicht in die Kategorien Psychologie, Philosophie, Religion oder Esoterik. Man könnte diese Frage höchstens als eine spirituelle Frage definieren, dann aber mit dem Hinweis darauf, dass man wirklich ergebnisoffen und ganz ohne esoterische Erwartungshaltungen an diese Frage herangeht.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die allermeisten Menschen schon alleine diese Fragestellung "Wer oder was bin ich" als eine sehr seltsame, irritierende Frage wahrnehmen dürften. Sie würden darauf in etwa antworten: "Ich heiße so und so, bin so und so alt, wohne in Ort XY..." und so weiter, also sie würden das "Ich" in der Fragestellung mit ihrem Namen, ihrem Alter, ihrem Wohnort usw. gleichsetzen.
Bei der (spirituellen) Introspektion hingegen, wird diese Ebene als die Oberfläche der Dinge erkannt. Hier geht es wirklich darum, einmal genau hinzuschauen, was dieses "Ich" wirklich ist. Und sobald man da anfängt, nachzuforschen, wird es wirklich interessant. Man stellt schnell fest, dass man das, was man vielleicht zuvor ganz selbstverständlich als das eigene Selbst definiert hat, eine ziemlich vage und fließende Angelegenheit ist. Wo genau fängt denn dieses Selbst an und wo hört es auf? Gehören zum Beispiel die eigenen Erinnerungen auch zu diesem Selbst oder hat das Selbst diese Erinnerungen? Gehören die Gefühle dazu oder hat das Selbst Gefühle. Und so weiter...
Wie würdest zum Beispiel du, Ulan, diese Frage "Wer oder was bin ich" beantworten?
(10-08-2025, 11:45)Ekkard schrieb: Das, was du hier als Geisteswissenschaft herein trägst, weist einen Haufen von Vorurteilen auf, die man im Sinne einer objektiven (Vorurteile verboten!) Erforschung gar nicht erforschen kann. Da gibt es nichts Objektives, intersubjektiv Gemeinsames.
Vielleicht konnte ich in oben stehender Antwort an Ulan noch einmal klarer machen, was ich mit Introspektion meine. Ich kann akzeptieren, dass man diese Art der Introspektion nicht im herkömmlichen Sinne als wissenschaftlich bezeichnen kann. Aber man könnte doch einmal die unterschiedlichen Antworten auf diese Frage "Wer oder was bin ich" miteinander vergleichen und dann einmal schauen, wie viele Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten es da gibt.
Deshalb auch an dich, Ekkard, die Frage: Wie würdest du diese Frage "Wer oder was bin ich" beantworten?
Also ich lande bei der Beantwortung dieser Frage immer wieder da, dass dieses "Ich" eigentlich das Bewusstsein ist, also der subjektive Beobachter, der hier als dieses Individuum auftritt. Aber eben erst einmal nur als Bewusstseins-Feld, als etwas ganz klar Geistiges, zunächst einmal ohne weitere Attribute. Deshalb sagte ich weiter oben, dass die reflexartige Antwort auf diese Frage (Name, Alter, Wohnort etc...) wirklich nur die Oberfläche berührt. Das in der Introspektion wahrgenommene und erkannte Bewusstsein hat genau genommen keine zeitlichen und schon gar keine materiellen Eigenschaften.
Und hier ist nun der Punkt, an dem sich dann tatsächlich "die Geister scheiden", eine Redensart, die hier wirklich sehr gut passt. Denn die einen, im weitesten Sinne die Idealisten oder Spiritisten, schlussfolgern daraus, dass das Bewusstsein gänzlich unabhängig vom menschlichen Wesen und Körper besteht, während die anderen, im weitesten Sinne die Materialisten und Reduktionisten, davon ausgehen, dass eben dieses Bewusstsein das Epiphänomen, das Endresultat des menschlichen Gehirns ist.
An dieser sehr spezifischen Fragestellung arbeitet sich übrigens im Grunde dieses ganze Forum hier ständig ab, es läuft immer wieder darauf hinaus, egal, was anfangs das ursprüngliche Thema war. Daran erkennt man, wie allumfassend und entscheidend diese Fragestellung eigentlich ist. Und hier ist eben auch immer wieder die Frage, was die Wissenschaft bei dieser Fragestellung überhaupt leisten kann - kann sie etwas wirklich sinnvolles beitragen oder wird diese Fragestellung immer im Bereich der subjektiven Wahrnehmungen und individuellen Vorlieben bleiben?

