(24-08-2025, 16:30)subdil schrieb:(23-08-2025, 22:14)Sinai schrieb: Manche Passagen der Bibel sind so schwammig und unverständlich, mit vagen Andeutungen...
Deshalb sollte man sich bei der Bibelbetrachtung auch immer auf die klaren Stellen beziehen. Man kann sonst in diesem enorm umfangreichen und komplexen Buch leicht die Übersicht verlieren.
OK - aber ich frage nun, wozu dann die "unklaren" Stellen in der Bibel sind ?
Zur bewussten Irreführung und Täuschung? Kann ja sein, denn die Propheten und die gläubigen Israeliten und dann Christen wurden immer verfolgt. Oder sind das Übersetzungsprobleme wegen mehrdeutiger Begriffe? Nimm das althebräische Wort Frau. Es hat dort die Zweitbedeutung "Sekte".
Oder verbal beschriebene Hieroglyphen aus der ägyptischen Zeit, die aufgrund des Bilderverbots nicht in die Bibel gezeichnet werden durften (zB Löwe mit Adlerflügeln im Danielbuch) weil Moses wurde ja laut Apostelgeschichte 7,22 "in aller Weisheit der Ägypter ausgebildet".
Man muss die Bibel als Gesamtwerk betrachten, eine Reduktion auf das NT wäre nicht sinnvoll. Dies probierte Marcion im 2. Jahrhundert und er ist kläglich damit gescheitert. Denn Jesus wurde im AT angekündigt!
Ausserdem strotzt auch das NT von Unklarheiten, man versuche das letzte Buch des AT (die geheime Offenbarung) zu lesen
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1. Ausgangspunkt:
Das Alte Testament (in griechischer Übersetzung = Septuaginta) ist nach wie vor die Heilige Schrift der ersten Christen.
Es gibt noch keine "Bibel des Neuen Testaments", sondern einzelne Schriften: die vier Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, die Apostelgeschichte, die Briefe von Paulus, in einzelnen Gemeinden die geheime Offenbarung
2. Streit des Marcion (um 140 n. Chr.)
Marcion lehnte das AT ab - und will beim NT nur eine stark reduzierte Sammlung (Evangelium des Lukas + 10 Paulusbriefe)
Die Kirchenväter reagieren und betonen, dass AT + NT zusammengehören
Erst jetzt kam es dazu, dass die Kirche begann, den Kanon der Bibel offiziell zu formen.
In Gebrauch sind nun bei den Kirchenvätern: das AT (in Form der Septuaginta) und das NT (die vier Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, die Apostelgeschichte, die Briefe von Paulus, in einzelnen Gemeinden die geheime Offenbarung)
Andere Schriften wie der "Hirte des Hermas" oder der 1. Clemensbrief werden von manchen Christen auch sehr geschätzt, kommen aber nicht in den endgültigen Kanon.
3. Festigung
Origenes (+ 254) unterscheidet bereits drei Gruppen:
"Anerkannte Schriften" (die vier Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, die Apostelgeschichte, unerklärlicherweise auch die geheime Offenbarung)
"Umstrittene Schriften" (Hebräerbrief, Jakobusbrief, 2. Petrus, 2./3. Johannes, Judas)
"Nicht-kanonische Schriften" (z. B. das Petrusevangelium)
4. Endgültige Kanonisierung
Eusebius von Cäsarea (+ 339) listet die anerkannten, umstrittenen und abgelehnten Schriften auf, ähnlich wie Origenes.
Um 367 n. Chr. nennt Athanasius von Alexandria in einem Osterfestbrief zum ersten Mal genau die 27 Schriften, die wir heute als NT haben. Nun ist die ominöse geheime Offenbarung endgültig im Bibelkanon!
Die Konzilien in Hippo (393) und Karthago (397, 419) bestätigen diese Liste
Die Bibel ist offiziell kanonisiert und besteht seither aus dem Alten Testament und den 27 Schriften des Neuen Testaments
Wir sehen also, es war ein langer Weg für die Christen, die Schriften des NT auszuwählen
Nun stand den Gläubigen die Bibel (AT und NT) zur Verfügung
20 % der Menschen im Römischen Reich hatten grundlegende Lese- und Schreibfähigkeiten - in Städten etwas mehr, auf dem Land weniger. Dies reichte völlig aus, die Bibel in den Gemeinden vorzulesen! Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches im Jahre 476 sank die Alphabetisierung in Westeuropa deutlich. Im Oströmischen Reich (Byzanz) hielt sich die Bildung besser. Das Griechische wurde Verwaltungssprache und blieb die Sprache der Bibel, während in Westrom die lateinische Übersetzung (Vulgata-Bibel) ab 405 in Gebrauch kam.
Um 500 n. Chr. konnten die meisten einfachen Leute in Rom und Griechenland nicht lesen. Lese- und Schreibfähigkeiten waren auf kleine, gebildete Schichten beschränkt - im Osten (Griechenland/Byzanz) etwas stärker verbreitet als im Westen (Rom/Italien)
Dennoch war die Bibel in allen Gemeinden verbreitet, es fand sich immer jemand, der vorlesen konnte! Im Westen Lateinisch, im Osten Griechisch
Sehen wir, wie es im Westen weiterging:
Manche Passagen der Bibel sind so schwammig und unverständlich, mit vagen Andeutungen, die wohl absichtlich Fehlauslegungen provozieren und
mit unverständlichen Mehrdeutigkeiten der altsemitischen Begriffswelt oder absichtlich codiert, dass die Kirche im Konzil von Toulouse (1229) entschied, dass die Bibel nur mehr in Latein geschrieben werden dürfe. Da es den Buchdruck noch nicht gab, waren es handschriftliche Abschriften.
Fünf Jahre später ordnete das Konzil von Tarragona (1234) an, dass volkssprachliche Bibeln eingesammelt und verbrannt werden mussten, das berühmte Bibelverbot
Es gab sogar einen Papst, der - als er gefragt wurde, ob er schon die Bibel gelesen habe - empört antwortete, dass er diese Schrift noch nie gelesen habe
Luther setzte sich über das Bibelverbot hinweg und "übersetzte" die Bibel eigenmächtig ins Deutsche - und konnte all die blinden Flecken nicht heilen