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Es könnte zwei Dalai Lamas geben
#24
(13-07-2025, 00:36)Sinai schrieb: Der Buddha selbst soll in früheren Leben auch als Tier wiedergeboren worden sein, siehe die  Jataka-Geschichten:

Die Geschichte vom König der Affen
In einem seiner früheren Leben ...
Der Bodhisattva wurde als mächtiger und gütiger Affenkönig geboren. Er lebte mit 80.000 Affen an einem Fluss, in einem riesigen Baum mit süßen Früchten. Die Affen waren glücklich unter seiner klugen Führung.
Eines Tages sah ein menschlicher König den Baum voller Früchte und wollte ihn besitzen. Er ließ seine Soldaten die Affen fangen und töten. Die Affen waren in Todesangst.
Um sein Volk zu retten, spannte der Affenkönig seinen eigenen Körper wie eine Brücke über den Fluss. Die Affen liefen über seinen Rücken in Sicherheit. Doch der Affenkönig selbst war schwer verletzt und fiel erschöpft zu Boden.
Der König sah das Opfer des Affenkönigs und war tief bewegt:
"Ein Tier, das bereit ist, sein Leben für andere zu geben - größer als jeder Mensch!"
Der König befahl, dass der Affenkönig gepflegt und geehrt wurde

Die Lehre der Geschichte
Mitgefühl, Selbstaufopferung und Weisheit sind nicht an die Form gebunden - auch ein Tier kann ein edles, erleuchtetes Wesen sein

Der Bodhisattva in Tiergestalt zeigt: Erleuchtung ist nicht an den Menschen gebunden, sondern an Geist und Herz

Du bringst da was durcheinander.

Diese Legende erzählt eine Geschichte, die vor der Erleuchtung des Buddha stattfindet.
Wäre die Geschichte wahr, so beinhaltet sie indirekt, dass vor der Erleuchtung der Buddha nicht bestimmen konnte, in welch einer Form von Wesen er wiedergeboren werden will.
Vielmehr hat er sich durch diese - und andere - vorherige Existenzformen Verdienste erwirkt, um dann schließlich als Shakyamuni die Fähigkeit zu erlangen, erleuchtet zu werden.

Allerdings: eine Legende ist eine Legende. Es sind lehrreiche Geschichten, um dem einfachen Volk wesentliche Lehrinhalte in verständlicher Form beizubringen. Der Volksglauben gibt sein Übriges dazu, undzwar, dass das einfache Volk glaubt, dass es eine Seele gebe und diese die Körper wechselt wie die Kleider.
Aber genau das ist eben nicht buddhistisch. Es ist eher hinduistisch (bei den meisten hinduistischen Richtungen).

Die buddhistische Sichtweise ist diese:
Im Hinduismus ist die Seele wie ein Reisender, der verschiedene Körper besucht. Im Buddhismus gibt es keinen Reisenden – nur das Gepäck (Karma), das weitergegeben wird. Beide Systeme glauben an Wiedergeburt, aber sie definieren das, was 'wiedergeboren' wird, ganz unterschiedlich. 
Oder anders ausgedrückt:
Stell dir vor, du machst ein Foto mit einer alten Kamera und entwickelst es. Im Hinduismus bleibt der Film gleich – nur das Bild ändert sich. Im Buddhismus gibt es keinen Film, sondern nur Licht, das durch verschiedene Linsen fällt und neue Bilder erzeugt.
Ich vergleiche das auch gern mit einer Kerzenflamme. Da ist eine brennende Kerze. Jemand nähert sich mit einer nicht brennenden Kerze und zündet diese an der brennenden an. Nun löscht er die erste Kerze. Hier kann man nicht sagen, dass die zweite Kerze mit der ersten identisch ist. Vielmehr war die erste Kerze die Ursache dafür, dass die zweite Kerze nun so brennen kann wie zuvor die erste. Es waren Bedingungen und Ursachen da. Ein beliebter Vergleich ist auch verbunden mit dem Spruch: "Du kannst nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen." Das heißt, auch wenn man immer an demselben Ufer/Steg/Strand in denselben Fluss steigt: die Landschaft bleibt zwar annähernd gleich, aber man steigt in völlig anderes Wasser als z. B. vor einer Woche. Das Wasser von vor einer Woche ist schon ins Meer gekommen, als sich das heutige, gegenwärtige Wasser noch aus verschiedenen Richtungen hierher bewegte.

Dann gibt es ja noch das Tulku-System, wie hier beim Dalai Lama oder beim Karmapa. Aber auch hier ist von einer geschlossenen Seeleneinheit nicht die Rede,
Hochverwirklichte Lehrer wie der Dalai Lama oder Karmapa inkarnieren aus Mitgefühl, um anderen zu helfen. 
Diese Wiedergeburt ist nicht die Rückkehr einer festen Seele, sondern die Fortsetzung eines Bewusstseinsstroms, der durch Geistesschulung bewusst gesteuert wird. Man nennt solche Lehrer Tulku - sie wählen ihre "Wiedergeburt" selbst, um ihre spirituelle Arbeit fortzusetzen.
Mit diesem Bewusstseinsstrom ist im Falle des Dalai Lama der des Avalokiteshvara, auf Tibetisch: Chenresig, gemeint. Man könnte also bildhaft sagen:  Wie ein Fluss, der sich in verschiedenen Landschaften zeigt, fließt das Mitgefühl Avalokiteshvaras durch die Linie der Dalai Lamas.

In der Praxis glauben viele Buddhisten – besonders in ländlichen oder weniger gebildeten Gemeinschaften – tatsächlich an eine Art Seelenwanderung, ähnlich wie im Hinduismus.
Das liegt daran, dass die komplexe Lehre vom Nicht-Selbst (Anatta) schwer zu verstehen ist. Die Vorstellung, dass „etwas“ weitergeht, ist intuitiver als die Idee eines flüchtigen Bewusstseinsstroms. In vielen buddhistischen Kulturen wird daher eine vereinfachte Version gelehrt, die sich mit der Vorstellung einer „Seele“ oder eines „Geistes“ deckt – auch wenn das nicht der ursprünglichen Lehre Buddhas entspricht.

Zudem muss man noch bedenken:
Lehrer und Mönche nutzen oft Bilder und Begriffe, die das Volk versteht – auch wenn sie philosophisch ungenau sind (didaktische Vereinfachung). 
In Ländern wie Nepal, Tibet oder Sri Lanka vermischen sich hinduistische und buddhistische Vorstellungen – etwa durch gemeinsame Rituale oder Begriffe wie „Karma“ und „Wiedergeburt“ (kulturelle Vermischung).
Und: die Idee, dass „man selbst“ wiederkommt, spendet Trost – besonders beim Tod von Angehörigen oder in schwierigen Lebenslagen (spirituelle Sehnsucht).

Du siehst also, die Kernphilosophie des Buddhismus ist etwas ganz anderes, von anderer Qualität, als das, wie es landläufig geglaubt, und im einfachen Umgang, gelebt wird.
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Es könnte zwei Dalai Lamas geben - von Sinai - 06-07-2025, 16:15
RE: Es könnte zwei Dalai Lamas geben - von dorjesempa - 13-07-2025, 07:35

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