30-03-2025, 20:57
(30-03-2025, 17:05)Ulan schrieb:(30-03-2025, 16:32)subdil schrieb: Ich bin mir mittlerweile ganz sicher, dass der Tod, so wie er im materialistisch-reduktionistischen Weltbild verstanden wird, eine Illusion ist.
Wenn Du Dir da so sicher bist, schoen fuer Dich. Und doch sehen wir das genau so immer wieder um uns herum. Mich hat gerade vor ein paar Tagen ein Cousin angerufen, den ich das letzte Mal im Jahr 1972 gesehen und gesprochen habe. Er macht jetzt Ahnenforschung. Er kam mal gerade bis zu einem unserer Urgrossvaeter mit ein paar Details, die in einen kurzen Absatz passen, dann war Schluss. Was von diesem Menschen geblieben ist, sind halt wir.
Ja, das ist der Tod, wie er "von dieser Seite aus" aussieht - eine temporäre Existenz endet und wird dann nach und nach vergessen. Ich habe daraus sogar eine kleine spirituelle Übung gemacht. Bis vor ca. zehn Jahren befand sich auf dem örtlichen Friedhof ganz am Rand ein Grab eines gefallenen Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg.
Es gibt keine bekannten Verwandten oder Nachfahren des Soldaten, das Grab wurde von der Gemeinde gepflegt, bis es dann vor ca. zehn Jahren keine Verpflichtung mehr dazu gab und das Grab entfernt wurde. Da es wie gesagt keine bekannten Nachfahren gibt bin ich mir ziemlich sicher, dass ich der einzige Mensch bin, der sich noch an diesen Mann erinnert - wenn ich auch nur seinen Namen weiß und dass er im Krieg gefallen ist.
Also ich trage jetzt quasi die einzige verbliebene Erinnerung im Universum an einen völlig fremden Menschen mit mir herum - das hat irgendwie etwas Poetisches, auch wenn es gar nicht im eigentlichen Sinne spirituell ist.
(30-03-2025, 17:05)Ulan schrieb: Nun, das habe ich ja gerade anders ausgedrueckt: mein Urgrossvater ist schon fast vergessen, und alle die vor ihm lebten, ganz, aber mein Cousin, ich und einige andere seiner Nachkommen sind halt noch da. Warum man das jetzt irgendwie "spirituell" ueberhoehen muss, erschliesst sich mir nicht. Dieses "Weltbewusstsein" halte wiederum ich fuer einen Wunschglauben.
Wie ich gerade geschildert habe, muss man das natürlich nicht unbedingt spirituell überhöhen. Der Tod und was danach bleibt, kann auch ganz ohne metaphysische Spekulationen etwas Poetisches an sich haben. Aber dennoch halte ich diese Idee von einem Weltbewusstsein für durchaus realistisch.
Schopenhauer hat es so dargelegt, dass dieses Weltbewusstsein einem Regenbogen gleicht, durch den von oben herabfallend die Regentropfen hindurchfallen. Also die Regentropfen sind die Individuen die ins Leben eintreten und dann wieder daraus hinausfallen - aber der Regenbogen an sich bleibt immer der Gleiche. Ich finde, dass dies kein besonders esoterischer Gedanke ist, vielmehr ein ziemlich gutes Sinnbild für die Weltwirklichkeit.
(30-03-2025, 17:05)Ulan schrieb: Ich habe keine Angst vor dem Tod. Allerdings kann Leben nur existieren, wenn es den Tod scheut; das geht rein biologisch nicht anders.
... und genau deshalb gehen ja die Asketen in die Richtung, den Körper zu vernachlässigen, zu verachten und zu disziplinieren. Das Geistige wird dadurch lebendiger, dass man sich von der Identifikation mit dem Körper trennt. Aber da rede ich nur aus zweiter Hand. Und da fällt mir ein, dass ich zuvor sagte, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, sich auf das Jenseits vorzubereiten, nämlich Meditation und Nachdenken/Schreiben darüber, aber natürlich habe ich dort den vermutlich besten Weg vergessen, nämlich eben die Askese. Aber gleichzeitig ist dies natürlich auch der schwierigste Weg und deshalb der unpopulärste.
(30-03-2025, 17:05)Ulan schrieb: Immer diese falschen Aequivalenzen. Atheismus ist kein Verhaeltnis zu Gott. Man hat kein Verhaeltnis zu etwas, das man fuer nicht existent haelt.
Doch, das denke ich schon.
Die einzige neutrale Stellung ist die des Agnostizismus. Ein Agnostiker antwortet auf die Frage "Glaubst du an Gott"? mit einem "Ich weiß nicht, ob Gott existiert oder nicht". Das ist eine dritte Antwortmöglichkeit neben einer simplen Ja oder Nein Antwort und ich tendiere auch zu dieser Antwort, obwohl ich im Zweifelsfalle doch sagen würde, dass ich an Gott glaube, in dem Sinne, dass ich glaube, dass es in der geistigen Welt eine höchste Instanz geben muss.
(30-03-2025, 17:05)Ulan schrieb: Ich denke, dass auch die Atheisten hier irgendwie in diese Rolle gedraengt werden - jedenfalls die meisten - da z.B. ich ueberhaupt keinerlei "missionarische" Tendenzen verspuere. Aber irgendwie kreisen die Gespraeche hier dauernd um diese Gegensaetze.
Das ist der Geist der Zeit, der auch an diesem Forum nicht spurlos vorüber geht. Überall Polarisierung, Spaltung, Lagerbildung. Aber immerhin ist das hier keine Echokammer, sondern hier wird noch miteinander geredet, trotz der großen Meinungsverschiedenheiten.

