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Die Energieblindheit der Menschheit und die Zukunft der Zivilisation
#40
(09-12-2024, 23:53)exkath schrieb: "Damit könnte das arktische Meer in sehr naher Zukunft einen Zustand erleben, den es zuletzt vor 80.000 Jahren gab".


Wenn ich bei Google eingebe: "Wann war die Arktis das letzte mal eisfrei" erhalte ich Artikel mit den unterschiedlichsten Angaben von 6.000 Jahren bis zu zehn Millionen Jahren. Dies hängt wohl damit zusammen, wie genau man "eisfrei" definiert. Komplett eisfrei oder größtenteils eisfrei? Dauerhaft eisfrei oder kurzzeitig eisfrei usw... 

Fest steht, dass diese Diskussion müßig ist. Es gab definitiv keine eisfreie Arktis, nicht einmal einen Tag lang, seitdem es die uns bekannte menschliche Zivilisation gibt und ganz sicher nicht, seitdem mehrere Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Die Auswirkungen einer möglicherweise stattgefundenen eisfreien Arktis auf Jäger und Sammler Kulturen in der fernen Vergangenheit ist in keiner Weise zu vergleichen mit den Auswirkungen derselben auf eine überbevölkerte High-Tech-Zivilisation. 


(09-12-2024, 23:53)exkath schrieb:
(09-12-2024, 21:33)subdil schrieb: "2024 wird wohl nicht nur das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. 
Erstmals dürfte die Temperatur im Schnitt mehr als 1,5 Grad höher sein als im vorindustriellen Mittel".

Beeinträchtigt Sie das in irgendeiner Weise bei Ihren Jenseitsvorbereitungen?


Ganz im Gegenteil. Da ich unter normalen Umständen noch etwa die Hälfte meines Lebens vor mir habe, also 35 bis 40 Jahre, werde ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch die ersten ganz heftigen Auswirkungen der Klimakatastrophe auf die nördliche Hemisphäre miterleben. Und diese Vorhersage ist im Vergleich zu anderen Prophezeiungen sogar noch außerordentlich optimistisch. Es ist durchaus möglich, dass wir schon vor dem Jahr 2030 damit konfrontiert werden.

Der Grund dafür ist einfach: Menschen sind ganz schlecht darin, abstrakte Gefahren zu erkennen. Was wir als Menschheit hier mit unserem Planeten anstellen, ist sinnbildlich so, als ob wir an einem steilen, schneebedeckten Abhang mit Stöcken im Schnee herumstochern. Hin und wieder lösen wir dadurch zwar eine kleine Lawine aus, aber das passiert meistens weit weg und ist nichts, was es nicht auch schon in früheren Zeiten gegeben hat. Zwar nicht in dieser Häufung, aber sei´s drum. Dumm ist nur, dass jede einzelne Lawine das Risiko in sich birgt, zu einer gigantischen Lawine zu werden. Und je mehr kleine Lawinen ausgelöst werden, umso höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann eben der eine Quadratmeter Schnee zu viel ins Rutschen kommt und eine Mega-Lawine auslöst, wie wir sie bisher noch nicht gesehen haben. 

Dazu kommt das Problem der sogenannten Self-Reinforcing Feedback Loops, also der sich selbst verstärkenden Rückkoppelungsschleifen, oder wie auch immer man das übersetzen soll. Ein ganz neu entdecktes Beispiel dafür wurde in dem Artikel genannt, den ich in meinem vorherigen Beitrag verlinkt hatte:


"Außerdem kamen deutsche Forscher gerade zu dem Ergebnis, dass es weniger Wolken in geringer Höhe gibt, welche das Klima kühlen. Das erkläre den Temperaturansprung von 2022 auf 2023 und 2024. Die Ursachen dahinter sind noch nicht ganz klar, könnten aber vielfältig sein. Möglicherweise ist die Erderwärmung selbst mit ein Grund für die geringere Bewölkung". 


Also, falls sich dies bewahrheiten sollte: Mehr Erwärmung führt zu weniger Wolken in geringer Höhe, was wieder zu mehr Erwärmung führt, was zu noch weniger Wolken in geringer Höhe führt, was zu noch mehr Erwärmung führt usw... Dieser neu entdeckte Feedback Loop ist noch nicht sicher bestätigt, aber Dutzende andere sind es bereits. 

Es wird normalerweise davon ausgegangen, dass die Menschen all dies deshalb verdrängen, weil sie zu bequem sind, sich zu ändern, und das ist sicher ein Grund dafür. Weitere Gründe dafür sind die von mir angeführte Unfähigkeit der Menschen, abstrakte Gefahren zu erkennen und was noch dazu kommt - exponentielles Wachstum zu begreifen. Doch ich denke, dass es sogar noch einen tieferen Grund für die Verdrängung dieses Themas gibt, und das ist die vor allem in der heutigen Zeit sehr weit verbreitete Verdrängung des Todes.

Denn sollten die klimatischen Vorhersagen der sogar eher gemäßigten Art tatsächlich eintreffen, werden wir hier schon in relativ naher Zukunft vor ganz existentielle Probleme gestellt werden. Und davon wollen wir wohlstandsverwöhnten Mitteleuropäer einfach nichts hören. Nur, was wir dabei vergessen: Auch wir sind, als biologische Lebewesen (ob nun mit Geist/Seele oder ohne ist hier nicht Thema), angewiesen auf die Nahrung, die aus einer sehr dünnen Bodenschicht kommt und für genau diese Bodenschicht könnten schon die ja manchmal als irrelevant belächelten 1,5 Grad Erhöhung der Durchschnittstemperatur absolut fatal sein, genauer gesagt für die dort lebenden Mikroorganismen, ohne die keine Nahrungsmittel mehr angebaut werden können.

Die Menschen in der westlichen Zivilisation haben sich gefühlsmäßig so weit von der Natur entfernt, dass sie meinen, ohne die Natur überleben zu können. So wie der Strom aus der Steckdose und das Benzin aus dem Zapfhahn kommt, so kommt das Essen aus dem Supermarkt. Aber so wie der Strom eine lange, komplizierte Entstehungsgeschichte hinter sich hat, bevor er aus der Steckdose kommt, so muss auch die Natur erst einmal die Grundlagen dafür bereitstellen, dass das Essen bequem im Supermarkt gekauft werden kann.

Und genau diese Grundlagen werden durch die klimatischen Entwicklungen im höchsten Maße gefährdet - das ist der entscheidende Zusammenhang, der sogar vielen Leuten nicht klar ist, die den Klimawandel an sich verstehen. Die meisten denken da immer noch an steigende Meeresspiegel und überflutete Küstenstädte - was natürlich auch ernstzunehmende Bedrohungslagen sind, aber verglichen mit den genannten Auswirkungen auf die Mikroorganismen im Erdboden sind diese Bedrohungen tatsächlich sekundär, zumal die Menschen die Küstenstädte verlassen können, bevor sie überflutet werden. Aber für die Mikroorganismen im Erdboden, die das Anpflanzen von Lebensmitteln ermöglichen gibt es keinen Ersatz, keine Notfalllösung und keine Alternative.
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RE: Die Energieblindheit der Menschheit und die Zukunft der Zivilisation - von subdil - 10-12-2024, 18:17

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