25-10-2024, 14:59
(24-10-2024, 22:53)Ekkard schrieb: Es scheint einfach eine Aversion dagegen zu bestehen, dass wir einfach „aus der Zeit fallen“, also in keiner Weise mehr existieren. Kann man haben und pflegen!
Aber der Gedanke ist keineswegs so angenehm, wie man meinen könnte. Denn ein nicht mehr verschwindender „Geist“ kann ohne Weiteres leidensfähig sein. Der christliche Glaube denkt an Endgericht und dramatische Höllen-Strafen für Sünden im Diesseits (s. Lazarusmythos). Selbst abgemilderte Formen wie eine zu spät erfolgte Reue, unerledigte Wichtigkeiten führen zu ewig andauerndem Leid.
Deswegen teile ich diese Idee aus dem christlichen Mythos nicht mehr.
Nun Ekkard, hier stoßen wir eben wieder auf das ganz spezielle Problem dieses Forums. Wir kommen hier gar nicht dazu, über konkrete Jenseitsvorstellungen und Gottesvorstellungen zu diskutieren, weil jeder Thread früher oder später in der Grundsatzdiskussion Materialismus VS Idealismus endet.
Mir wird ja zum Beispiel auch immer wieder unterstellt, dass es sich bei meinen Jenseitsvorstellungen um Wunschdenken handelt und dass ich mich einfach nicht damit abfinden könne, dass bei eingestellter Gehirnaktivität auch der Geist den Geist aufgibt, um es mal etwas frivol zu formulieren. Doch weit gefehlt. Wie ich vor längerer Zeit schon mal angedeutet habe, schätze ich dass meine Gedanken und Gefühle bezüglich des Jenseits ca. zu 50% von Hoffnung und Zuversicht und zu 50% von Angst und Bedenken geprägt sind. Es ist keineswegs garantiert, dass ein Nachleben positive Eigenschaften haben muss.
Auch Rudolf Steiner, den ich hier schon des Öfteren zitiert und angesprochen habe, hat durchaus Beängstigendes über das Leben nach dem Tod geschrieben. So lehrt die Anthroposophie beispielsweise, dass wir alle im Jenseits unsere dann noch vorhandenen Begierden läutern müssen, was in etwa der Vorstellung des Fegefeuers der katholischen Kirche entspricht. Zudem lehrt die Anthroposophie, dass man nach mangelnder Vorbereitung auf das Leben nach dem Tod in der geistigen Welt blind sein wird und dieses Blind sein wird als Qual empfunden. Der einzige Trost, den Steiner bietet, ist der, dass diese Läuterungen und Prozesse temporär, also zeitlich begrenzt sein werden. Nach den Läuterungen kommt dann der angenehme Teil des Nachlebens. Dann kommt die nächste Inkarnation.
Deine Vorstellung des Lebens nach dem Tod (die du dann verworfen hast) ist stark von der christlichen Denkrichtung geprägt, dass nämlich nach einem einzigen irdischen Leben das finale Endgericht kommt und dann entweder ewiger Himmel oder ewiger Hölle. Doch so muss es ja gar nicht sein. Es ist ja durchaus denkbar, dass auch nach dem irdischen Leben noch Dinge wieder gut gemacht, im nächsten Leben besser gemacht werden können usw...
Außerdem muss ich dich hier erneut, obwohl du doch in einer christlichen Gemeinde aktiv und wenn ich es richtig verstanden habe dort sogar im Ältestenrat bist, auf eine zentrale Lehre deiner Religion aufmerksam machen. Diesmal ist es nicht die Feindesliebe, sondern die Lehre vom Sühneopfer Jesu Christi am Kreuz von Golgatha. Als Christ dürftest du eigentlich überhaupt keine Bedenken mehr zu haben, dass dir ewiges Leid bevorstehen könnte, wenn es nach dem irdischen Leben weiter gehen sollte, denn Jesus Christus ist für deine bzw. unsere Sünden am Kreuz gestorben und durch diesen Opfergang wirst du bzw. werden wir von all unseren Sünden reingewaschen und kommen in den Himmel, selbst wenn wir sündigen.
Wie ich an anderer Stelle schon mal gesagt habe, ist die einzige wirkliche Hoffnung, die wir als bewusste, empfindungsfähige Wesen haben die, dass dieses Universum von einem gerechten Gott regiert wird. Das muss nicht unbedingt ein persönlicher Gott sein, man kann sich das auch als ein universell gültiges, moralisch geprägtes Naturgesetz vorstellen. Eine solche Instanz würde grundsätzlich verhindern, dass solche Abartigkeiten wie eine ewige Hölle überhaupt möglich wären.
Allerdings muss an dieser Stelle dann zugegeben werden, dass diese spezifische Denke von mir dann doch Wunschdenken ist. Der Glaube an eine moralische Instanz im Universum ist ein Wunsch, den ich definitiv habe. Und zwar deshalb, weil wir ohne eine solche Instanz als bewusste, empfindungsfähige Lebewesen wirklich aufgeschmissen sein könnten, wenn man davon ausgeht, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Dieses Wunschdenken ist aber eine notwendige Versöhnung mit einem ansonsten schwer berechenbaren und zutiefst mysteriösen Universum.