06-08-2024, 15:20
(06-08-2024, 09:36)Ulan schrieb: Das ist doch der Knackpunkt: Du willst unbedingt, dass Dein Leben einen ueber das Offensichtliche hinausgehenden Sinn hat, und hier hast Du Dir selbst einen gegeben. Ich brauche fuer meine Sinnsuche halt nichts zu erfinden, wofuer es keinerlei Anhaltspunkt gibt. Das ist der Unterschied zwischen uns.
Fuer mich sieht das so aus, dass Du hier einen Buhmann aufbaust, um Dich nicht der Realitaet stellen zu muessen. Es wird Dir niemand Deine spirituellen Gedanken nehmen wollen, aber dieses Leiden, von dem Du sprichst, kommt doch gar nicht von dort: es kommt daher, dass Du fuer Deine spirituellen Gedanken Anerkennung suchst, also Selbstbestaetigung. Ich weiss, Selbstbestaetigung ist fuer jeden Menschen ein wichtiger Teil des seelischen Wohlbefindens, aber es hat niemand die Pflicht, Dir in dieser Hinsicht eine solche zu liefern. Wenn Dir "Wissenschaftsdominanz" Unwohlsein bereitet, dann ist das nicht in der Verantwortung der Wissenschaft, sondern Deine eigene. Frage Dich lieber selbst, warum Dir dabei unwohl ist.
Wenn Du fest an deinen Mythos dieser Trennung von Gott glaubst, ist das eine Sache, aber dieser Mythos verleitet Dich dazu, Schuldige zu finden, die aus meiner Sicht vollkommen unschuldig sind an einem Problem, das Du Dir selbst bereitest.
Darauf ist "niemand eingegangen" - was ich uebrigens bezweifele, da gerade Ekkard das haeufig tut - weil hier ein komplexes Problem ideologisch aufgeladen wird. Hier werden auch wieder reale Probleme mit Mythen verknuepft - und ja, die typische Verklaerung der angeblich so viel besseren Vergangenheit erhebt hier auch wieder ihr Haupt. Deine Beurteilung geht auch wieder davon aus, dass Dein erster Mythos, der von der Trennung von Gott, wahr ist. Vielleicht solltest Du einfach mal in Betracht ziehen, dass der auch falsch sein koennte, und wir Menschen halt, wie schon zu allen Zeiten, schlicht Menschen sind, und sowohl mit dem Guten wie dem Schlechten umzugehen lernen muessen.
Danke Ulan für diese tiefgehende Antwort. Ja, woher kommt überhaupt "der Glaube", wobei ich mir nicht mal sicher bin, ob ich das in meinem Fall so nennen würde. Ich bin kein klassisch Gläubiger. Ich gehöre keiner Glaubensgemeinschaft an, ich befasse mich nur einerseits gerne, andererseits aber auch zwanghaft mit diesen Themen. Soll heißen: Einerseits faszinieren mich die "höheren Themen", andererseits hätte ich auch gerne einfach mal meine Ruhe davon.
Wenn ich über "Gott" schreibe oder generell über solche Fragen rede, ist es im Grunde so, als ob ich diese Inhalte "channeln" würde. Soll heißen: Es ist nicht wirklich so, als ob ich da "meine Meinung" sagen würde, sondern es ist eher so, dass ich einfach abwarte, was kommt, und dann das schreibe oder sage, was kommt. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass ich damit nicht behaupte, eine andere Wesenheit zu channeln, wie dies ja manche Leute behaupten, sondern ich sage einfach nur: Es ist beinahe so als ob ich das tun würde. Ich schöpfe diese Aussagen letztlich aus meinem Unterbewusstsein oder vielleicht auch aus dem kollektiven Unterbewusstsein, wer weiß das schon so genau.
Ich bin letztlich ein (wenn auch unfreiwilliger) Anhänger des sogenannten Irrationalismus. Wikipedia definiert diese Weltanschauung so:
"Mit dem Begriff Irrationalismus bezeichnet man eine Lehre oder Weltanschauung, die die Überzeugung ablehnt, dass die menschliche Vernunft eine hinreichende Erkenntnis der Welt erwerben kann".
Wenn ich also von den Grenzen der Wissenschaft spreche, dann meine ich damit indirekt auch die Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit überhaupt.
Dazu kommt noch, dass mir seitens meiner tief religiösen Urgroßmutter in meiner Kindheit eine Art "Pflicht zum Glauben" eingehämmert wurde. Sie hatte an der Wand ein riesiges, sehr düsteres Gemälde von Jesus Christus hängen, und sie hat mir immer wieder gesagt: "Wenn du nicht brav bist, kommt der Heiland, und bestraft dich". Dass ich später im Erwachsenenalter für ca. ein Jahr einem christlich-fundamentalistischen Prediger verfallen war, hat diese Sache mit der "Pflicht zum Glauben" sicherlich noch mal befeuert.
Also ja, ich denke schon, dass wir Menschen von vielen unbewussten oder halbbewussten Strömungen beeinflusst werden. Nur, damit ist ja immer noch nicht ausgeschlossen, dass es höhere Wesenheiten usw. tatsächlich geben könnte. Das ist ein schwieriges Thema. Im Grunde wäre ich gerne entweder tief gläubig oder komplett atheistisch, aber ich befinde mich letztlich zwischen den Stühlen. Im Grunde bin ich Agnostiker, also ich würde die Frage nach der Existenz oder Nichtexistenz Gottes so beantworten: Ich kann es nicht wissen. Letztlich ist dies die ehrlichste Antwort auf so ziemlich alle höheren Fragen, deshalb eben mein Hang zum sogenannten Irrationalismus, aber gleichzeitig auch die Sehnsucht nach echtem, gesichertem Wissen.