19-12-2023, 22:42
(19-12-2023, 19:39)petronius schrieb: ist hier völlig off topic, aber ich muß jetzt doch mal meiner freude ausdruck verleihen, daß du laut aussprichst, was ich mir meistens nur leise denke. ich will jetzt keinem mediziner zu nahe treten, im allgemeinen beherrschen sie, wie du ja gesagt hast, ihr handwerk - wofür ich äußerst dankbar bin. aber mit einem mediziner ein gespräch zu/über (natur)wissenschaft zu führen, führt in aller regel zu nichts.
Ich war ja in der Ausbildung fuer Mediziner taetig, und ich habe das Problem gesehen, da ja - zumindest damals, als ich das machte - fuer einen Mediziner besser ein "Dr. med." auf dem Praxisschild steht, wenn's bei den Patienten punkten soll. Dummerweise hat sich nicht nur der Wissenschaftsbegriff geaendert, sondern auch die Bedeutung hinter einem Doktortitel. Deutschland bestand damals darauf, dass "Dr. med." eine wissenschaftliche Qualifikationsbezeichnung sein sollte, was aber vollkommen weltfremd war. Die Unis regelten das damals, wenig beachtet von der Oeffentlichkeit, unter sich. Wer nur den Titel wollte, verschwendete ein halbes Jahr auf seine "Doktorarbeit" (oft genug irgendwo abgeschrieben oder von jemand anderem verfasst), also irgendein Mini-Thema, das niemanden interessiert, und bekam dann die niedrigste fuers Durchkommen notwendige Note, die auf der Urkunde fuers Patientenzimmer nicht sichtbar ist. Fuer Mediziner mit wissenschaftlichen Ambitionen bedeutete das dagegen mehrere Jahre Engagement und ein tatsaechliches wissenschaftliches Thema; aber das machten nur Leute, die an eine Uni-Klinik oder in die Pharma-Industrie wollten. Auch die Abschlusspruefungen unterschieden sich gewaltig. Im ersten Fall war's ein nettes, halbstuendiges Gespraech mit einem Professor und einem Beisitzer, im zweiten Fall eine aufwendige Verteidigung vor den Professoren des Fachbereichs. Ich habe glaube ich schon oefter mal erwaehnt, dass ich in "Pruefungen" sass, wo der "Pruefling" nicht mal den Inhalt der angeblich eigenen Arbeit kannte.
Oesterreich hat die Scharade ja irgendwann abgeschafft. Hier bekommen Mediziner ohne wissenschaftlichen Hintergrund halt ihren eigenen Doktortitel, fuer den sie gar keine Doktorarbeit machen muessen. Das ist zumindest ehrlicher, auch wenn die meisten Leute das wahrscheinlich gar nicht wissen, was wohl beabsichtigt ist.
@Gundi: Klar, "Wissenschaft" lernt man meist erst waehrend der Diplom- oder Doktorarbeit (oder heute wohl auch Bachelor). Allerdings gab's bei uns durchaus philosophische Pflichtkurse im Grundstudium.