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wichtige islamische Fachbegriffe
#8
WiTaimre schrieb:Also ich erwaehne es ungern - aber mit Deiner eignen Geschichte als Katholik hast Du Dich wohl auch nichtmal befasst?
Wenn Du dies so auslegst, dann erklaer mir mal, wieso es bis vor etwa erst 150 Jahren genauso nicht in Europa gestattet war, dass ein Jude Waffen tragen durfte und eine noch viel hoehere "Schutzgeld-Steuer" zu zahlen hatte, nur weil er weder katholisch noch nachher evangelisch war?

In der Tat führst du hier ein Beispiel an, dass der christlichen Geschichte nicht zu hohem Ruhm verholfen hat, aber wenn du es so undifferenziert in den Kontext der Vollbürgerschaft durch das Waffenrecht stellst, dann hast du dich wohl eher schlecht als recht mit der Kirchengeschichte auseinandergesetzt.
Denn die sich langsam entwickelende Zweit-Bürgerstellung der Juden, war im Beginn ihrer Entwicklung keineswegs ein Problem staatsrechtlicher Räson (wie es die Frage nach dem Waffenrecht ist), sondern ist eine eher kleinere, wenn über die Jahrhunderte auch folgenschwere, Entscheidung des IV. Lateranums gewesen.

"Das Zusammenleben der Juden mit ihrer christlichen Umwelt war aber lange Zeit geprägt von tagtäglicher Koexistenz. Ab dem Hochmittelalter jedoch wurde das christlich-jüdische Verhältnis dann periodisch und in zunehmenden Maße durch Ausbrüche der Gewalt gestört. Dieser dynamisch ablaufende Prozess verwandelte den Konflikt ab etwa 1300 zur Norm und bildete eine explosive Mischung aus Stereotypenbildung, sozialen Unruhen und obrigkeitlicher Manipulation. Wo und wann dieser Kreislauf einsetzte, lässt sich nicht genau feststellen. Als sicher gilt, dass ein Hauptgrund dafür in der gegenseitigen Abgrenzung von Juden und Christen zu sehen ist. Von kirchlicher Seite wurde die Abgrenzung der Christen gegenüber den Juden auf dem Vierten Lateranischen Konzil von 1215 vorgenommen, da man unter anderem den Schwerpunkt des Schutzes auf den christlichen Glauben verlagerte und dabei den Jüdischen außen vor ließ. Diese kirchenrechtliche Maßnahme ist deshalb von so großer Bedeutung, da es die Lehre des Augustinus vom minderen, aber erhaltenswerten Status der Juden in konkretes geistliches und weltliches Recht umsetzte. Die Folgen ihres neuen Rechtstatus führten zu einer Spezialisierung der jüdischen Bevölkerung vor allem im Pfandleihgeschäft, dem Trödelhandel und der Ärzteschaft. [...]
Ein entscheidendes Moment des wachsenden jüdisch-christlichen Gegensatzes lag dennoch in ihrer eigenen Konfession. Durch das Festhalten an ihrer Religion banden sie sich nicht an den damaligen verfassungsgebenden Konsens einer christlichen Kulturtradition, was aber zur Ausbildung einer übergreifenden kulturellen Identität von Gruppen und Personen unbedingt notwendig gewesen wäre."

(Walzel, Frank: Frankfurts Juden und ihre christliche Umwelt – Die Zweite Judenschlacht von 1349 als Wendepunkt spätmittelalterlicher Judenfeindschaft?)

Ich habe diesen Text, zugegeben nur aus einer Hauptseminararbeit, hier zitiert, weil er dennoch die Grundproblematik zutreffend beschreibt.
Die Beschlüsse des IV. Lateranum die langfristig zu dem geführt haben, was man später die Judenregalien nennt, sind Mitursache der "Degradierung" der Juden zu Bürgern zweiter Klasse.
Anlass hier für sind aber nicht die ungleichwertige Stellung des Juden, denn bis dahin waren sie de facto gleichwertig als Bürger, sondern das theologische Problem des Messiasbekenntnisses. Das IV. Lateranum steht in einer Zeit, in der wieder gehäuft Diskussion zwischen Juden und Christen über die Messiasfrage geführt wurden. Es ist daher nicht ungewöhnlich bzw. unverständlich, dass das Konzil in besonderer Weise die Messianität Christi betont, und dies erstmals auch mit Abgrenzung gegenüber Juden und "Mohammedanern". Wichtig ist aber, dass jene Abgrenzung sich nicht in der Herabstufung der Juden durch die göttliche Offenbarung äussert, sondern ihnen im Bezug auf das religöse Leben der Christen Einschränkungen aufgelegt werden.
Es ist also, keine aus der Antike übernommene Herabstufung der Juden gewesen, wenngleich solche Denkmuster latent die Zeit überdauert haben, sondern es ist die zunehmende kulturelle Auseinanderentwicklung zweier Religionen, die zu jenen Beschlüssen geführt haben.

Unbestitten ist, dass jene Bestimmungen auch häufig der Willkür der territorialen Machthaber ausgesetzt waren, aber es ist durchaus auch geschichtlich belegt, dass besonders die Fürstbischöfe von Mainz, Worms und Köln Protektoren der jüdischen Bevölkerung waren.
__________________

Desweiteren habe ich ein Problem mit deinem Vergleich, wenn du die Scharia, und meine Aussagen zur ihr, mit dem was ihr, vom Sinn zumindest, im christlichen Kontext am nächsten kommt, dem Kirchenrecht vergleichst.
Während die Scharia in der Tat nur eine "in vielen Fällen [...] magere und schlechte Anlehnung und Ausbeutung der römischen Rechtstradition in Syrien, gepaart mit arabischen Stammesdenken ist", ist der Codex Iuris Canonici durchaus die sinngemäße und ordentliche Fortführung der römischen Rechtstradition in Westeuropa.
Während die Scharia sich bis heute kein einziges Mal verändert hat, sich also auch den neuen und kulturellen Veränderungen nicht angepasst hat, wurde der CIC mehrfach erweitert, ja teilweise vollkommen neugeordnet. Während die Scharia in antiken Denkmustern (auch heute noch) verhaftet blieb, so wurde der CIC beständig auch mit den neuen theologischen und kanonischen Überlegungen der Hoch- und Spätscholastik, sowie der Renaissance und Aufkärung erweitert. Während die Scharia noch heute eben jene unhaltbare Strukturierung der Zweiklassengesellschaft beinhaltet, wird man im heutigen CIC (Codex Iuris Canonici) und dem CCEO (Codex Canonum Ecclesiarum Orientalum) solche Bestimmungen vergeblich suchen.

In sofern ist es durchaus richtig, wenn ich die Scharia für "völlig unfähig zur Inkulturation neuer rechtsphilosophischer Überlegungen und sittlich, moralischer Bewertungen des Menschen und seines Handelns" bezeichne, denn sie hat es bis heute nicht getan.
Die christlichen Rechtsbestimmungen, besser die staatsrechtlichen Bestimmungen im christlichen Kulturraum, aber sind diesbezüglich überdacht und aufgehoben worden, während sowohl Koran, als auch Scharia unverblümt daran festhalten, mit der Legitimation durch göttliches Recht.

Und gerade letzteres wird man in den Canones der Kriche nichtfinden, dass Mittels göttlicher Offenbarung andere Völker degradiert wurden. Selbst die Canones des IV. Lateranums gehen von einem kulturellen Streit aus und haben damit keine Gewalt de jure divino, sondern de jure humano.

Dadurch werden zwar die bedauernswerten gesellschaftlichen Folgen, wie z.B. ein in sich bestehender, schleichender Antijudaismus bis ins 20.Jh., nicht besser, aber es wird deutlich, dass diese Fehlentwicklung auf Grund eines gesellschaftlichen und kulturellen Streites bestand, der heute Überwunden ist.
Im Falle des Koran und der Scharia kann man das nicht behaupten. Denn halten wir fest was uns die islamischen Rechtsgelehrtenuns über den Koran und die Scharia sagen:
a) Der Koran ist diktiertes Wort Gottes. (Nicht wie im Christentum die Offenbarung Gotteswort in Menschenwort, als personale Offenbarung des ewigen Logos in Schrift und Traditio)
b) Die Scharia ist die authentische Interpretation des göttlichen Rechts im Koran.

Damit sind alle Bestimmungen im Koran, sei es diejenigen Über Nicht-Muslime, eheliche Gewalt usw., sacrosanct und unwiderruflich.
Die haarsträubende Entscheidung der Frankfurter Richterin (bis jetzt noch ein Einzelfall; deo gratias) scheinen dies aber nur zu bestätigen. Und zwar in soweit, dass nicht nur fundamentalistische, sondern auch gut situierte und mit der europäischen Aufklärung in Kontakt getretene Muslime die Vorschriften des Koran für (eheliche) Gewalt als unverbrüchlich ansehen. Von den unzähligen Fatawas der islamischen Rechtsschulen wollen wir gar nicht erst anfangen.
_____________________

Desweiteren frage ich mich, was dein Einwand impliziert?
Denn in der Tat hast du keine meiner Vorwürfe über die Rechtstradition der Scharia widerlegt, sondern sie nur mit ähnlichen, nicht gleichen Problemen der westlichen Geschichte verglichen. Wird denn die Scharia dadurch besser, dass wir selbst einmal jener Intoleranz verfallen waren? Und jetzt, da dies überwunden ist, ist es da falsch auf die anscheindend genuine Intoleranz des Islams aufmerksam zu machen, besonders wenn er sich in einer "göttlichen Offenbarung" wie dem Koran versteckt?

Ich habe auch kein Problem damit, dass ein Volk, ein Staat oder eine Religion schwarze Flecken trägt, diese trägt jeder Mensch und damit jedes kulturelle Phänomen der Menschheitsgeschichte. Gefährlich wird es allerdings dann, wenn es statt einer Erneuerung und Überwindung dieser Gefahren und Gewalt, diese auch noch als unantastbare, göttliche Offenbarung angesehen wird.


Koran:
"Denen gehört das Paradies, die auf dem Weg Allahs streiten, die töten und getötet werden. Ihnen wird wahrhaftig die Verheißung zuteil, die enthalten ist in der Thora der Juden, im Evangelium der Christen und im Koran." (9:111)

Evangelium:
"Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz (die Thora) samt den Propheten. (Mt 22, 37-40)

"Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; (Mt 5, 43ff)
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
-
Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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