25-10-2023, 16:32
(24-10-2023, 11:49)Reklov schrieb: Nicht nur ich meine, dass sich alle Religionen an einen Tisch setzen und sich mit der Frage auseinandersetzen sollten, wie denn die WIRKLICHKEIT beschaffen ist. Früher wurden z.B. Kriege wegen der Frage der Trinität geführt - dem JA oder NEIN. Auch heute werden aus relig. Motiven Kriege angezettelt, obwohl es weit besser wäre, die relig. Fragen zu bearbeiten - und zwar "seriös".
Ulan
Und, was soll das bringen? Nur um festzustellen, dass die Antwort, die Dir vorschwebt - also etwas Transzendentes - von jedem vollkommen willkuerlich und nach jeweiligem Belieben zu beantworten ist, muessen die sich nicht zusammenzusetzen. Dass die Religionen solche Fragen unterschiedlich beantworten, wissen wir auch vorher schon.
Hallo Ulan,
... gerade das Abwägen der althergebrachten und unterschiedlichen Sicht- und Denkweise würde z.B. den Religionsfanatikern ihre Waffen aus der Hand schlagen - vorausgesetzt, die Parteien sind in ihrem Suchen "wahrhaftig und ehrlich". Immerhin würde es zumindest DAS bringen!
(24-10-2023, 11:49)Reklov schrieb: Wenn das LEBEN z.B. nur den Sinn hätte, den wir ihm gäben, dann wäre dies (den Sinn selbst zu setzen) selber etwas, das schon da ist, weil wir es ja nicht noch mal setzen.
Ulan
Oh, dem ist definitiv nicht so (Deine Antwort ist schon in sich widerspruechlich); es sei denn, Du willst darauf anspielen, dass der freie Wille eine Illusion ist und da keine Entscheidung zu treffen ist, was eine durchaus adaequate Antwort auf die Frage ist. Ansonsten, ja, den Sinn des Lebens setzt jeder fuer sich selbst. Vorgegeben ist nur, dass Du oder irgendwelche nahe Verwandtschaft Nachkommen grossziehen muessen, sonst ist das Ende mit Deinem Tod erreicht. Den Rest darfst Du frei entscheiden, ob Du auf der Strasse leben willst, irgendwo als Einsiedler, Deinen Mitmenschen helfen oder sie ausbeuten. Dies sind alles Moeglichkeiten, wie Du Deinem Leben Sinn verleihen kannst.
... nur weil Du meine Antwort lediglich auf deine Weise deuten kannst, ist sie deswegen noch nicht widersprüchlich! Mit dem freien Willen hat der Gedanke vom Sinn des Lebens nun auch nicht viel zu tun, - denn, wenn Du z.B. in einem Slum geboren wirst, hast Du schon mal weit weniger Wahlmöglichkeiten, als wenn Du bei wohlhabenden Eltern aufwachsen kannst/darfst!
(24-10-2023, 11:49)Reklov schrieb: Wer glauben möchte, dass das LEBEN nur den Sinn hat, den man ihm gibt, glaubt ja an seine eigene absolute Schöpferkraft und verlegt die Idee Gottes lediglich von aussen nach innen.
Ulan
Unsinn. Du verkehrst hier das, was eigentlich passiert, in das komplette Gegenteil. Wenn Du Dir Deinen Gott schoepfst und ihm Deinen von Dir gefundenen Sinn zuschreibst, versuchst Du Deine eigenen Gedanken zu ueberhoehen und unangreifbar zu machen. Du ueberhoehst Dich also selbst. Atheisten sind da viel bescheidener.
... Unsinn ist vor allem, dass Du gar nicht checkst, dass man sich keinen Gott schöpfen muss, um seinen Sinn im Dasein zu finden, auch wenn dieses zeitlich sehr begrenzt ist - zumindest, was das Dasein in unserem biologischen Körper angeht.
(24-10-2023, 11:49)Reklov schrieb: Der moderne Nihilismus glaubt letztlich, dass er selber an die Stelle "Gottes" getreten ist und ist insofern nicht ansatzweise so atheistisch, wie er gerne vorgibt.
Ulan
Das ist dann die Folge des philosophischen Unfalls in Deinem vorangegangenen Satz. Im Prinzip ist das Wort "Nihilismus" nur eine Polemik von Leuten, die es nicht vermoegen, ihre eigene innere Leere ohne die Erfindung eines Gottes fuellen zu koennen. Das, was Du da sagst, ist natuerlich auch vom Wortsinn her schon falsch. Im Prinzip versteckt sich hier der Theismus hinter seiner ihm eigenen Fantasielosigkeit.
... das ist nun aber echter Unsinn, denn innere Leere kann bei beiden "Gruppen" auftreten. Anders gesagt: sowohl unter Atheisten, wie auch unter Gläubigen gibt es genügend Beispiele, die ihre innere Leere mit Alkohol, Konsum oder gesteigerter Arbeitswut ausfüllen. - Neulich kam mir unter die Augen, Putin soll kritisiert haben, dass in seinem Land jedes Jahr an die 20 -30.000 Menschen an Folgen des Alkoholkonsums sterben - und die Russen gelten ja seit jeher als sehr "frommes Volk".
Ich gebe dir aber dahin Recht, dass der Theismus fantasielos ist und zwar deswegen, weil "Gott" gemäß den Vorstellungen antiker Autoren in menschliche Schrift-Bilder gezwängt wurde, was wohl jeder moderne Mensch als einen unsinnigen und vergeblichen Versuch auffassen darf.
(24-10-2023, 11:49)Reklov schrieb: Eine religiöse Wahrheit sagt: Man kann "Gott" um vieles bitten, das heisst aber noch nicht, dass er zuhört.
Ulan
eine theistische Hilfsfloskel... fehlende Falsifizierbarkeit
... das ist ja gerade das Eigentümliche am Wort "Gott": es ist empirisch nicht auf den Tisch zu legen (petronius hat das gut formuliert: "einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.") Wir sprechen aber auch z.B. von "dunkler Energie", obwohl wir nichts darüber wissen! Ihre physikalische Interpretation ist weitgehend ungeklärt und ihre Existenz ist experimentell nicht direkt nachgewiesen!

(24-10-2023, 11:49)Reklov schrieb: Ich denke, dass ist nur eines von vielen Missverständnissen, wenn z.B. über das in unserer Welt bestehende Gute und Böse, über Freude und Leid gesprochen, geklagt, gelästert oder geflucht wird.
Ulan
Das ist kein Missverstaendnis, sondern eine weitaus tiefere Einsicht in das Problem, das hinter der Annahme eines Gottes steckt, der im Endeffekt nur dazu dient, die eigene Unsicherheit zu uebertuenchen. Und natuerlich muessen sich theistische Philosophen hier auch irgendwie als "etwas Besseres" darstellen, denn sonst haben sie ja nichts in der Hand. Das ist typisches hohles Bravado, das die leicht beeinflussbaren Mitmenschen beeindrucken soll. "Wahrheiten" findet man so nicht.
Am Beispiel dieses Threads sehen wir aber wieder mal, warum diese staendig wiederkehrende und auch schon x-mal gefuehrte "Diskussion" nicht funktionieren kann. Im Prinzip geht's im Eingangsbeitrag mal wieder darum, warum die Theisten die besseren Menschen sind und Atheisten Menschen sind, die sich selbst beluegen und "zu Goettern machen" (dieser Vorwurf war schon immer an Absurditaet kaum zu ueberbieten). Zwar hat meine Antwort dann letztlich auch nichts anderes gemacht, indem sie aufgezeigt hat, warum es die Theisten sind, die sich selbst ueberhoehen - auch wenn sie diese grossartigen Eigenschaften gerne auf einen Teil ihres Selbst schieben, der angeblich separat von ihnen ist - so geht es mir hier nur darum aufzuzeigen, warum auf diese Art kein Dialog zu erreichen ist. Diese Art Selbstbeweihraeucherung, wie sie von Dir laufend kommt, wird niemanden ansprechen, der nicht sowieso schon Deiner Meinung ist.
Letzteres ist das das Grundproblem und wohl eigentlich auch eine gewollte Eigenschaft von apologetischer "Philosophie" dieser Art: sie dient nur dazu, die eigenen Schaefchen, die eventuell anfangen nachzudenken, bei der Stange zu halten und ihre Zweifel zuzuschuetten. Irgendwelche Atheisten soll das von vorneherein gar nicht ansprechen. Apologeten wie William Lane Craig, die seit Jahrzehnten diesen Unsinn breittreten, wollen eigentlich nur die Erosion des Glaubens aufhalten. So Leute wie mich soll das gar nicht ansprechen, und wer das ernsthaft glaubt, ist auf dem Holzweg.
Zunächst: Atheisten können sich gar nicht zu "Göttern" machen, denn auch sie sind der Vergänglichkeit unweigerlich ausgeliefert! Zudem sind Theisten auch keinesfalls die besseren Menschen, was man ja an vergangenen und aktuellen Religionskriegen leicht ablesen kann! Auch hat transzendentes Denken nichts damit zu tun, dass irgendjemand seine Schäfchen vom Nachdenken abhalten wollte/könnte, denn solche Gedankenpfade sind von den gängigen Religionsvorgaben völlig getrennt.
Zum "Holzweg": Würdest Du deine Gedanken zunächst mal von alten relig. Inhalten/Dogmen befreien/entstauben können, stünden Dir auch völlig neue Denk-Wege offen, außer denen, welche dir während Deiner fachlichen Ausbildung vorgelegt worden waren.
Die Erosion des Glaubens, gebunden an antike Dogmen, wird wohl nach und nach völlig neuen Gedankenwegen weichen müssen, denn wie bekam doch schon einst Moses von "Gott" auf seine neugierige Frage, wer er denn sei, zu hören: > Ich bin, als der ich da einst sein werde. <
Das Dasein bleibt aber, ungeachtet der unterschiedlichen Welt-Deutungen, für alle zumindest nach wie vor spannend !

Gruß von Reklov