30-04-2023, 15:08
(29-04-2023, 19:23)Sinai schrieb: Dabei hörte ich immer wieder das Wort "Ständestaat"
Ich weiß natürlich, was Stände sind: Kaiser, König, Edelmann, Bauer, Bürger, Bettelmann
Nichts weißt du!
Die Fürsten standen über den Ständen. In den mittelalterlichen und neuzeitlichen monarchischen Gesellschaften waren in den Landtagen in der Regel drei Stände anzutreffen. 1. die Geistlichkeit (Prälaten), 2. der Adel (Ritter) und 3. das städtische Bürgertum und die freie Bauernschaft. Wer alles zum 3. Stand gehörte, war zeitlich und regional in Ständeordnungen unterschiedlich festgelegt.
(29-04-2023, 19:23)Sinai schrieb: Aber dennoch kann ich mir unter einem Ständestaat nichts konkretes vorstellen,…
Wie Petronius schon anmerkte: Der Grund, warum du dir nichts Konkretes vorstellen kannst, ist Bildungsmangel. Hattest du nicht mal behauptet, in Österreich Jura studiert zu haben? Verweise auf den Ständestaat und die staatsrechtlichen Auffälligkeiten dieser Zeit fehlen doch bei keiner Einführungsvorlesung zum Verfassungsrecht bzw. zur Verfassungsgeschichte?
Am 1.5.1934 bekam Österreich eine ständestaatliche Verfassung (und zwar im Namen Gottes, des Allmächtigen).
Die Staatsbezeichnung war nicht mehr "Republik Österreich", sondern "Bundesstaat Österreich". Die Republik blieb zwar erhalten, doch nicht mehr demokratisch organisiert, sondern berufsständisch geordnet und autoritär geführt. Das organisatorisch leitende Prinzip war nicht mehr die Bestellung der Amtsträger durch freie geheime Wahlen, sondern "von oben" durch Ernennung durch in der Hierarchie übergeordnete Organe. Das staatsrechtliche Entscheidungsgewicht lag nicht mehr im Parlament, sondern bei den obersten Amtsträgern des Vollzuges. (vgl. Ludwig K. Adamovich, Bernd-Christian Funk. Österr. Verfassungsrecht. 1982 Wien. Springer Verl. S 69).
(29-04-2023, 19:23)Sinai schrieb: …, es gibt ja neben den unbestritten wichtigen Handwerksmeistern viele andere wichtige Berufe: Lehrer, Polizisten, Richter, Beamte, Ärzte, Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen, Feuerwehrmänner, Soldaten und Offiziere, Forscher und Wissenschaftler und Universitätsprofessoren, Flugzeugpiloten, Lokomotivführer, überhaupt Eisenbahner, Busfahrer, Briefträger…
Der Staat sollte in Österreich ab 1934 berufsständisch organisiert sein. Tatsächlich aber wurden nur zwei Stände konstituiert: Der öffentliche Dienst (Beamtenschaft) und die Land- und Forstwirtschaft. Von privat ordinierenden Ärzten und Piloten, die es 1934 in Österreich praktisch nicht gab, abgesehen, waren Personen, die die von dir angemerkten Berufe ausübten, in einem Beamtendienstverhältnis tätig.
Die Absicht, weitere Berufsstände zu konstituieren, scheiterte (im Wesentlichen) am Widerstand der christlichen Arbeiterbewegung. Deren führende Köpfe hatten erkannt, dass sich ihr politisches Gewicht marginalisiert hätte, wenn die Masse der Werktätigen mehr oder weniger willkürlich den im Gerüst vorhandenen oder erst noch zu schaffenden Berufsständen zugeordnet worden wäre. Also hatten sie sich in den Schoß der katholischen Kirche geflüchtet, um mit deren Hilfe dem geplanten sozialpolitischen Radikalabbau entgegenzuwirken. Dabei waren sie mäßig erfolgreich.
MfG B.

