(31-08-2022, 11:47)Rosenzweig schrieb: Wollen wir mit den Begriffen Luzifer und Teufel - vorerst wenigstens - nicht weiter unterscheiden und alles kurz Satan nennen. Krankheit und Leiden werden gewöhnlicherweise als überflüssig gesehen, da die heutige materialistische Ausrichtung darin keinen Sinn findet. Anders wird es, wenn ein Sinn darin gesehen werden kann - dann hat auch das Virus seinen Sinn.
Oh, gerade eine strikt "materialistische" Weltsicht sieht einen "Sinn"* fuer toedliche Krankheiten: es werden alle Menschen, die fuer solche Viren anfaellig sind, aus dem Genpool entfernt, die Ueberlebenden und deren Nachfahren sind dagegen gefeit. Umgekehrt werden auch alle Viren, die toedlich wirken, aus dem Viren-Genpool entfernt, weil sie nicht besonders gut darin sind, die Infektionskaskade aufrechtzuerhalten (Tote sind keine Superspreader mehr). Im Prinzip ist das ja schon mal in einem "Grossversuch" passiert: dass grosse Teile des amerikanischen Kontinents heute von Menschen europaeischer Abstammung besiedelt sind, liegt daran, dass die Europaeer diesen Prozess schon mit Grippe- und eben auch Schnupfenviren durchgemacht hatten - unter den Schnupfenviren sind mehrere Coronaviren-Arten - die Ureinwohner Amerikas aber nicht. Da starben dann auf einen Schlag, je nach Region, zwischen 70% und 95% aller Menschen an diesen eingeschleppten Viren, so dass grosse Teile Amerikas entvoelkert wurden. Was soll da der Sinn sein? Dass Gott Heiden hasst?
Dass das Christentum dem Leiden gerne einen grossen Stellenwert beimisst, liegt an seiner zentralen Funktion, typisch menschlichem Leiden eben diesen Sinn zu geben. Diese Sinngebung soll dem Menschen das Gefuehl geben, er waere handlungsfaehig und koenne was tun, weil wir nicht damit umgehen koennen, wenn Dinge einfach so passieren, ohne Sinn und Zweck. Der von Religionen vorgeschlagene, angebliche Sinn fuehrt dann zu rituellen Abwehrhaltungen, von deren Sinnhaftigkeit und Wirkung der Glaeubige ueberzeugt ist, egal ob's darum geht, zur Beichte zu gehen, ein paar Ketzer auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen oder die juedische Bevoelkerung der Stadt im Brunnen zu ersaeufen. Weil, es muss ja eine Ursache haben und kann nicht einfach so passieren.
Es war ein solches einschneidendes Ereignis, das die Macht der Kirche in Europa endgueltig gebrochen hatte: das grosse Erdbeben in Lissabon von 1755. Das geschah zu Allerheiligen, waehrend der Messe, und viele Glaeubige fanden in den einstuerzenden Kirchen den Tod. Das Rotlichtviertel war eines der wenigen, das verschont wurde. All dies fuehrte zum Ende der Ketzerverfolgung und zu einem "Aufwachen" in der Philosophie. Nur, wie man sieht, wird anscheinend immer noch heftigst nach einem Sinn gesucht.
*Edit: Nur zur Klarstellung: "Sinn" in einer befriedigenden Bedeutung ist das natuerlich nicht. Im Prinzip geht's da ja auch eher um das Ueberleben des Virus, nicht das der Menschen. Die sind da nur der Kulturboden. Ein toedliches Virus zerstoert im Prinzip seine Lebensgrundlage.