21-01-2022, 02:57
(20-01-2022, 18:27)Ulan schrieb:Wenngleich die ungebrochene staatsrechtliche Kontinuität unstrittig ist, war doch die Einführung einer modernen Bezeichnung unumgänglich; zu kritisieren ist nur, dass diese mit dem Rückgriff auf Byzanz nicht gerade eine besonders gut geglückte Wortschöpfung darstellt. Besser wäre die von manchen Byzantinisten favorisierte Bezeichnung Rhomäer gewesen, aber da sind nun die Weichen gestellt. Was den Westen betrifft - zwar waren die Römer im antiken Sinn um 800 längst Geschichte, aber Karl sprach immerhin von sich als Romanum gubernans imperium, die westlichen Kaiser betrachteten sich durchaus als römische Kaiser und das Kaiserkrönungszeremoniell sah eine Akklamation durch die Stadtrömer vor, d.h. formalrechtlich konnten nur diese Römer einen römischen Kaiser machen. Barbarossa missachtete das zwar, aber das Prinzip hatte Bestand. Überhaupt hielten die mittelalterlichen Stadtrömer in vielerlei Hinsicht an der Auffassung fest, dass sie die Erben der Rechte und Ansprüche der antiken Bewohner ihrer Stadt seien, demgemäß hatten sie auch einen Senat. Es gab also auch im Westen einen (stadt-)römischen Legitimismus, die westliche Reichsidee lebte fort und insofern kann man sagen, dass die westliche Anknüpfung an das imperium Romanum trotz des Kontinuitätsbruchs nicht weniger prononciert war als die östliche (was in Konstantinopel mit tiefem Missfallen bemerkt wurde) und "die Römer" somit im Mittelalter nicht nur "Geschichte" waren, sondern auch ideelle Gegenwart.(20-01-2022, 17:55)Geobacter schrieb: Und 800 waren "die Römer" längst schon Geschichte.
Was auch ignoriert, dass schon damals, als das Christentum Staatsreligion wurde, die offizielle Hauptstadt des Roemischen Reiches Konstantinopel hiess und diesen Titel noch mindestens bis zum Kreuzzug von 1204, bzw. Fall 1453 behielt. Die Selbstbezeichnung des "Byzantinischen Reiches" (eine moderne begriffliche Erfindung westlicher Geschichtsschreibung) war Rhōmaïkḗ Autokratoría, also "Roemisches Imperium" auf Griechisch. Die Selbstbezeichnung "Roemer" war bis ins 19. Jhdt. ueblich. Die Haelfte der adeligen Familien Roms war auch dorthin uebergesiedelt. Dass das nicht nur bedeutungsloses Gerede ist, kann man ja daran sehen, dass das Roemische Reich dort ohne Bruch bis ins zweite Jahrtausend weiterexistierte.
Soweit nur dazu, da Sinai das aufgegriffen hatte.

