15-01-2022, 10:41
(10-01-2022, 02:32)Apollonios schrieb: Das Thema ist Christus als Lehrer. Unabhängig von der Frage, ob er die Lehrtätigkeit als seine Hauptaufgabe betrachtete, und unabhängig von der Frage, inwieweit die synoptische Überlieferung mit der Lehrtätigkeit der historischen Person zu tun hat, geht es einfach nur darum zu fragen: Ist der kerygmatische Christus ein guter oder ein schlechter Lehrer? Das heißt: Kann und will er sich seinem Publikum so gut wie möglich verständlich machen, nimmt er seine Hörer ernst, ist er ein guter Didaktiker, der sich um sein Publikum bemüht und dessen Kenntnisstand und Auffassungsgabe angemessen berücksichtigt? Ist seine Ausdrucksweise klar? Ist seine Argumentation durchgängig schlüssig für einen Hörer, der grundsätzlich bereit ist, sich auf die Prämissen einzulassen? Handelt er verantwortungsbewusst hinsichtlich möglicher Auswirkungen seiner Worte bei den Hörern? Aus den bereits dargelegten Gründen ist meine Antwort auf alle diese Fragen nein. Wo sind gute Gegenargumente?
Zur Klarstellung: Es geht nicht darum, dass ich als moderner Mensch mich zum Richter aufschwinge über Personen, die vor Jahrtausenden gelebt haben, und sie nach heutigen Kriterien moralisch be- und verurteile. Von dieser läppischen, arroganten und heute wieder sehr modernen Geschichtsbetrachtung halte ich gar nichts. Es geht nicht um den historischen Jesus, von dem wir sehr wenig wissen. Es geht mir um den Jesus des NT, und auch das nur unter dem Gesichtspunkt, ob er - wie die Christen meinen - als Lehrer zeitübergreifend, also auch für uns, geeignet ist. Ob er als Lehrer zeitübergreifend vorbildlich ist. Diese Frage verneine ich und begründe das.
"Eine rein sachliche Diskussion genügt völlig." Das meine ich auch. Was war unsachlich?
"Wo siehst Du im Gleichnis vom Sämann eine "stikt esoterische Botschaft" und was genau soll das sein?" Ich verwende das Adjektiv "esoterisch" nicht im Sinne der modernen Populär-Esoterik, die keine ist, sondern im ursprünglichen etymologischen Wortsinn, vgl. Duden: "esoterisch = nur für Eingeweihte einsichtig, [geistig] zugänglich". So wie man bei Aristoteles zwischen esoterischen und exoterischen Werken unterscheidet. Esoterisch heißt: "vor der Öffentlichkeit verborgen, nur für eine kleine Elite (von Jüngern, Schülern) bestimmt". Genau das trifft, wie bereits ausführlich diskutiert, auf das Gleichnis vom Sämann zu. Es wurde zwar in einer öffentlichen Predigt verkündet, aber - wie auch andere Gleichnisse - explizit unter der Voraussetzung der Annahme, dass niemand es verstehen würde. Das ist der Typus Esoterik, der durch vorsätzliche Unverständlichkeit selbst die Inhalte vor exoterischer Verbreitung schützt und daher veröffentlicht werden kann; bei einem anderen Typus wird ein ausdrückliches Verbreitungsverbot für nötig gehalten.
Zum Verbot, den Messias-Status bekannt zu machen: Ich kritisiere nicht dieses Verbot, das im freien Ermessen des Verbietenden lag und dessen Grund ja einsichtig ist. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass deine Aussage "Er hätte gerne gehabt, dass sie ihn verstanden, dass sie begriffen hätten, dass er der Sohn Gottes und der Messias ist", bezogen auf kranke Dorfbewohner, der Matthäus-Stelle direkt widerspricht. Diese Kranken gehörten ja gerade zu den Leuten, die keinesfalls von dem Status als Messias und Sohn Gottes erfahren sollten. Und wie gesagt: verstehen, dass er sich für den Messias und Gottessohn hält, und "begreifen" im Sinne von glauben, dass das tatsächlich stimmt, ist zweierlei. Man kann etwas gut verstehen und gerade deswegen nicht zustimmen.
Meiner Meinung nach war Jesus natürlich ein sehr guter Lehrer. Wobei es nicht seine eigentliche Aufgabe war, den Menschen eine neue Lehre zu bringen, sondern seine Aufgabe, die er im Auftrag Gottes übernommen hatte, war die Erlösung.
Trotzdem können wir uns auf seine reine Lehrtätigkeit beschränken. Seine Zuhörer waren Menschen ohne jegliche Schulbildung, die kaum in der Lage waren, sich etwas Geistiges vorzustellen. Zwar waren seine Jünger öfter mit ihm zusammen, aber deswegen war ihr Verständnis nicht wesentlich grösser.
Als Lehrer beschränkte sich Jesus auf Dinge des täglichen Lebens, wie Salz, den Scheffel oder den Sämann und er hätte natürlich gerne gesehen, wenn er wenigstens seinen Auftrag hätte verständlich kundtun können. Das jedoch ist ihm nicht gelungen, schon dass Gott sein Vater sein soll, hat Probleme gebracht.
Allerdings hat er nicht nur Dinge erklärt und gesagt er sei der Messias, sondern er hat seine Glaubwürdigkeit mit "Wundern" untermauert.
Nun, es ist festzuhalten, dass man Jesus Unrecht tut, wenn man ihn losgelöst von seinem Auftrag und den "Wundern" lediglich als Lehrer bewertet und an seinem Erfolg als solcher, gerade weil er ihnen gerne seinen Auftrag erklärt hätte, und den konnten sie mit dem besten Willen nicht erfassen.