Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Christliches Sündenbewusstsein
#28
(28-01-2021, 02:22)Timo schrieb: Auch hatte ich in meinem Leben schon genug willenlosen Sex mit verschiedenen Frauen
aber dennoch gehört für mich der Sex, erst in die Ehe.
Es gibt nun auch Christen, die hier eine Gewissenfrage daraus machen (auch zu Sexpraktiken und sogar das schauen von Pornographie) und
wie ich schrieb, es schon oft rüberkommt, dass Sünden im Grunde nicht so schlimm sind, weil man ja sowieso durch Jesus gerettet ist.

Ganz vortrefflich diese Aussage! Über dieses Problem wollte ich ohnehin mal nachdenken, das passt sehr gut gerade...

Weil das ein großes, grundsätzliches Problem des Evangeliums ist, dass Ideale undifferenziert dargestellt werden. So kommt es zu diesem Allerlei. Einige wenige Fixe, die die Botschaft des Evangeliums unbedingt umsetzen wollen (obwohl sie dafür möglicherweise noch gar nicht bereit sind), werden radikal (vgl. Film "Kreuzweg"). Solche, die es umsetzen wollen, es aber nicht schaffen und mit einem inneren moralischen Imperativ ausgestattet sind, haben ein schlechtes Gewissen. Und andere wiederum übergehen es und sagen, dass es "im Grunde nicht so schlimm ist".

Im Erwachsenenkatechismus heißt es (Bd2, S.77): "Auch im Denken und Leben der Kirche gibt es Erscheinungen, die dazu beitragen, daß das Sündenbewußtsein schwindet oder ein falsches Sündenbewußtsein entwickelt wird. Nicht selten werden übertriebene Einstellungen der Vergangenheit durch neue Übertreibungen ersetzt: Während früher die Neigung bestand, in beinahe allem und jedem Sünde zu sehen, gelangen nicht wenige heute dazu, sie nirgendwo mehr zu sehen;…"

Die eigene Möglichkeit, hohen Idealen entsprechend zu leben, hängt sehr viel davon ob, was für ein Leben man führt. Da gabs eigentlich nur zwei Möglichkeiten, entweder man ist Familienvater oder -mutter, oder man ist Mönch oder Nonne, bzw. hat die Bereitschaft und die Entsagungsneigung, so zu leben (vgl. die Jünger Jesu). Dementsprechend muss man differenzieren in dem, was man fordern kann.
ZB Buddha oder Ramakrishna haben unterschiedlich geredet je nach dem, wer ihre Zuhörerschaft war. Eine derartige Unterscheidung gibt es explizit in den Evangelien nicht. Mit Sicherheit hat auch Christus zur Menge anders geredet als im Kreis seiner Jünger, und wieder anders, als er in der Synagoge und in Tempeln zu den Gelehrten sprach. Wenn Er sagt, niemand der zurückblicke und die Hand noch einmal an den Pflug lege, wäre bereit für das Reich Gottes, dann hat Er das höchstwahrscheinlich nicht zu einem Bauern gesagt, der gerade am Wegesrand sein Feld bestellt hat, sondern als Beispielgabe für Seine Jünger, denen es aufgetragen ist, alles zu verlassen und für eine größere Sache zu wirken. Aber diese Unterscheidung wird eben nicht explizit deutlich gemacht. 
Und das führt dann zu Extremen in jeder Hinsicht. Letztes Jahr hat mir ein Novize erzählt, dass die Armut, wie sie der Hl. Benedikt in seiner Mönchsregel festgeschrieben hat, eigentlich gar nicht so gemeint ist. Das war schon allerhand, wenn da eine Säule der "drei evangelischen Räte" einfach verwässert wird, und zwar von einem Mönch, für den sie in jedem Fall gelten, und das offenbar auch noch in völligem Konsens zur Sichtweise des Ordens...
So kommt es also bei undifferenzierter Darstellung dazu, dass die Ideale entweder runtergezogen (also relativiert), oder krampfhaft überhöht (verabsolutiert) werden.

Wie sollte man es also machen? Mal an obiger Aussage des Themenstarters festgemacht: 
Grundsätzlich ist das Ideal der Ehelosigkeit, wie von Christus und seinen Jüngern vorgelebt, nur wenigen vorbehalten, die zu dieser Entsagung fähig sind. D.h. für die meisten Weltmenschen ist Sex an sich keine Sünde (im religiösen Kontext nicht wünschenswert, aber menschlich), für Mönche und Nonnen dagegen schon! Auch das Sündenbewusstsein ist ein anderes. Von Mönchen wird hier schon ein gewisses Maß an Innenschau verlangt. Denn nicht Begehren oder Zorn sind Sünde, sondern die eigene Zustimmung dazu, der Willensreiz. So heißt es bei den Wüstenvätern: 
"Eine Sünde des Mönchs ist
die freie Zustimmung des Willens zu der verbotenen Lust des Gedankens." 

Nicht die 'Lust des Gedankens' ist das Problem, denn Gedanken und Gefühle kommen und gehen, sondern das eigene Verweilen bei diesen, die Zustimmung des Willens. Das ist Sündenbewusstsein!
Einfach plump zu sagen, Lust ist Sünde, Zorn ist Sünde, ist ein völlig falsches Sündenbewusstsein, weil u.a. dadurch unerwünschten Tendenzen großes Gewicht verliehen wird. Aber man will sie doch loswerden... hoher Blutdruck vorprogrammiert.
Gut, aber das würde wohl einen Weltmenschen überfordern, er hat auch nicht die Zeit zur Innenschau. Ihm sagt man dann, lenke deine Begierde in natürliche Bahnen, ein Mann zu einer Frau, versieh gewissenhaft deine Pflichten in der Welt, was auch wieder eine reinigende Wirkung hat, usw.
Differenziert man also, wird die ganze Sache theoretisch wie praktisch realistisch und lebensnah.


Nachrichten in diesem Thema
Christliches Sündenbewusstsein - von Timo - 28-01-2021, 00:21
RE: Sorry. Kein Plan für ein Betreff - von eddyman - 29-01-2021, 16:48
RE: Christliches Sündenbewusstsein - von Bion - 29-01-2021, 00:37
RE: Christliches Sündenbewusstsein - von Sinai - 04-05-2021, 15:54
RE: Christliches Sündenbewusstsein - von Sinai - 04-05-2021, 20:42
RE: Christliches Sündenbewusstsein - von Sinai - 04-05-2021, 21:19
RE: Christliches Sündenbewusstsein - von Sinai - 04-05-2021, 21:31
RE: Christliches Sündenbewusstsein - von Sinai - 04-05-2021, 22:48

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  „Christliches Abendland“, pro und contra Sinai 8 6491 15-04-2019, 21:32
Letzter Beitrag: Sinai
  Christliches Menschenbild Glaurung40 95 134555 22-01-2014, 22:08
Letzter Beitrag: Ekkard
  Christliches und islamisches Glaubensbekenntnis??!!Vergleich summerdan 4 10253 25-05-2006, 20:01
Letzter Beitrag: Jazzter

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste