28-02-2003, 22:49
Salam,
ich denke das läßt sich vielleicht vergleichen mit der Situation der Juden in der Zeit der späten österreichischen Monarchie und der Weimarer Republik. Damals gab es 'assimilierte' Juden und 'Ghettojuden' - und diese beiden Gruppen unterschieden sich AFAIK im Prinzip nicht durch ihre Religionsausübung, sondern dadurch, ob sie die bürgerliche Kultur dieser Zeit annehmen wollten und konnten (wobei das 'Können' sich häufig auch auf die finanzielle Lage bezog :() - unter beiden Gruppen fanden sich Tiefreligiöse ebenso wie Freidenker. Und für einen Wiener Bürger war eben ein Nachbar zufällig Jude, wie ein anderer ebenso zufällig vielleicht Protestant oder Muslim war (einige Länder im Staatsverband waren ja vorwiegend islamisch). Mein alter Lehrer ist noch in dieser Atmosphäre in einem jüdischen Haus aufgewachsen.
Und auf die Gefahr hin, Vorurteilen Vorschub zu leisten - ein (fast :)) persönliches Erlebnis:
Meine Ex-Gattin ist katholische Religionslehrerin, und sie erzählte mir einmal von dem ersten islamischen Kollegen (Religionslehrer) an ihrer Schule. Der kam frisch von der Ausbildung in einem islamischen Land, sprach gut Deutsch, war aber auf die Verhältnisse der mitteleuropäischen Gesellschaft offenbar wenig vorbereitet worden. Er kam zur Schuldirektorin sich vorstellen und begann gleich damit ihr zu erklären, wo er Fehler im System sehe, was sie in der Organisation ändern müsse, welche Förderung er für islamische Schüler verlange etc.
Meine Frau nahm ihn dann zur Seite und erklärte ihm, nicht unfreundlich aber deutlich, daß seine Vorgangsweise nach den hiesigen Maßstäben nicht akzeptabel sei. Er war zuerst mal total verblüfft und meinte, diese Möglichkeit wäre ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, er wolle sich aber bemühen sich anzupassen. Das Ergebnis war, daß er sich in den Lehrkörper einfügte und bis zu seinem Ausscheiden ein geachteter und beliebter Kollege blieb. Daß das an seiner religiösen Haltung und Kompetenz irgendetwas geändert hätte, kann ich mir nicht vorstellen.
wa salam
() qilin
ich denke das läßt sich vielleicht vergleichen mit der Situation der Juden in der Zeit der späten österreichischen Monarchie und der Weimarer Republik. Damals gab es 'assimilierte' Juden und 'Ghettojuden' - und diese beiden Gruppen unterschieden sich AFAIK im Prinzip nicht durch ihre Religionsausübung, sondern dadurch, ob sie die bürgerliche Kultur dieser Zeit annehmen wollten und konnten (wobei das 'Können' sich häufig auch auf die finanzielle Lage bezog :() - unter beiden Gruppen fanden sich Tiefreligiöse ebenso wie Freidenker. Und für einen Wiener Bürger war eben ein Nachbar zufällig Jude, wie ein anderer ebenso zufällig vielleicht Protestant oder Muslim war (einige Länder im Staatsverband waren ja vorwiegend islamisch). Mein alter Lehrer ist noch in dieser Atmosphäre in einem jüdischen Haus aufgewachsen.
Und auf die Gefahr hin, Vorurteilen Vorschub zu leisten - ein (fast :)) persönliches Erlebnis:
Meine Ex-Gattin ist katholische Religionslehrerin, und sie erzählte mir einmal von dem ersten islamischen Kollegen (Religionslehrer) an ihrer Schule. Der kam frisch von der Ausbildung in einem islamischen Land, sprach gut Deutsch, war aber auf die Verhältnisse der mitteleuropäischen Gesellschaft offenbar wenig vorbereitet worden. Er kam zur Schuldirektorin sich vorstellen und begann gleich damit ihr zu erklären, wo er Fehler im System sehe, was sie in der Organisation ändern müsse, welche Förderung er für islamische Schüler verlange etc.
Meine Frau nahm ihn dann zur Seite und erklärte ihm, nicht unfreundlich aber deutlich, daß seine Vorgangsweise nach den hiesigen Maßstäben nicht akzeptabel sei. Er war zuerst mal total verblüfft und meinte, diese Möglichkeit wäre ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, er wolle sich aber bemühen sich anzupassen. Das Ergebnis war, daß er sich in den Lehrkörper einfügte und bis zu seinem Ausscheiden ein geachteter und beliebter Kollege blieb. Daß das an seiner religiösen Haltung und Kompetenz irgendetwas geändert hätte, kann ich mir nicht vorstellen.
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